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Wie tot ist Friedrich Funder?

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Sind wirklich dreißig Jahre seit jenem Tag vergangen, an dem die damalige Redaktion der FURCHE inmitten einer großen Trauergemeinde am Hietzinger Friedhof in Wien vom Gründer dieses Blattes für immer Abschied nehmen mußte? Mitunter kann man es nicht glauben, dann wiederum scheint bereits eine kleine Ewigkeit zwischen jenem Tag und der Gegenwart zu liegen.

Das Österreich von 1989 unterscheidet sich in vielem grundlegend und nicht immer positiv von jenem des Jahres 1959. Vier Jahre waren damals erst seit dem Staatsvertrag vergangen, Optimismus und Zukunftshoffnung prägten die Stimmung. „Zu neuen Ufern lockte ein neuer Tag.“ In wechselvollen, mitunter stürmischen Jahren bestimmten und bestimmen seither auch neue Generationen, als Herausgeber, Redakteure und Mitarbeiter die Linie, welche die FURCHE Woche für Woche zieht…

Was hat den Menschen, die heute in einem sehr veränderten gei-

stigen, aber auch kirchenpolitischem Klima am Werk sind, der alte Herr mit dem charakteristischen weißen Spitzbart, der vor nunmehr drei Jahrzehnten hochbetagt diese Welt verließ, noch zu sagen? Welchen Auftrag hat er den späten Erben noch zu geben? Ist er für sie nur eine schemenhaft auszunehmende Persönlichkeit aus einer fernen Vorzeit, ein Bild an der Wand, eine Ikone? Mit anderen Worten: Wie tot ist Friedrich Funder?

Jedoch, wir erinnern uns: Da gibt es so etwas wie ein geistiges Testament! Vom Hietzinger Friedhof zurückgekehrt, hatten wir es in der FURCHE vom 30. Mai 1959 veröffentlicht. Es war aber nicht für den Tag geschrieben. Es war nicht nur seinen damaligen Mitarbeitern ans Herz gelegt. Die Gültigkeit dieses Vermächtnisses reicht über die inzwischen vergangenen Jahrzehnte herüber in unsere Gegenwart, ja in die Zukunft.

Aus gegebenem Anlaß seien die markantesten Sätze dieser Wegweisung hier wiederholt: „Klare katholische Gesinnung“ wird gefordert, jedoch im gleichen Atemzug gemahnt „auf die Zusammenarbeit der gläubigen Christen in liebevoller Haltung auch gegenüber den getrennten christlichen Brüdern“ Bedacht zu nehmen. Die Redaktion soll weiters „mutig stets zu einem freien Wort bereit stehen, wo es gilt, Träge, Kurzsichtige … zu Aktivität und Vorwärtsschreiten anzuspornen.“ All dies möge „in strenger Unabhängigkeit von jeder politischen Partei“ geschehen. Wenn Kleinmut, ja Menschenfurcht die Redaktion befallen sollte, dann sei jedoch eine andere Furcht größer - „die Furcht… dte christliche Liebe zu verletzen, und auch nur im Entferntesten jenem Geist zu dienen, der so unsägliches Leid über die Menschheit gebracht hat“. Im Klartext: der Geist der Intoleranz, des politischen Radikalis-

mus und der Verletzung der Menschenwürde.

Gegen das Wiederaufleben eines jeder offenen Katholizität widerstrebenden integralistischen Denkens steht die Mahnung, „die FURCHE soll ihre Aufgabe darin erblicken, ein hohes geistiges Forum zu sein, auf dem Wahrheit und christliche Weisheit auch innerhalb der weltlichen Dinge so vorgetragen werden, daß sie auch von dem Andersdenkenden ohne Widerwillen aufgenommen werden und ihn durch innere Würde gewinnen“. Ein Letztes: diese Zeitung möge „ein katholisches Blatt für die Weltleute und nicht ein religiöses Blatt im Sinne eines Kirchenblattes sein“.

Wahrhaftig: der alte Herr mit dem weißen Bart hat auch unserer Gegenwart noch viel zu sagen. Ist er mit seinem Auftrag nicht geradezu aus der Ikone heruntergestiegen und hat den Platz an der Spitze jener eingenommen, die freimütig und unerschrocken aussprechen, was sie zum Wohl der Kirche in Österreich für richtig halten?

Diesem Geist sich verpflichtet zu fühlen und in pfingstlicher Weise für seine Ausbreitung zu sorgen: das war und bleibt der Auftrag an alle, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in diesem Blatt sich zu Wort melden.

Wie tot ist Friedrich Funder? Nein: Wie lebendig ist Friedrich Funder? In jeder neuen Nummer der FURCHE wird auf diese Fra gen Antwort gegeben.

In meiner Bibliothek stehen auch die beiden Memoirenwerke des Gründers der FURCHE. Der zweite Band ist mit einer persönlichen Zueignung versehen: „Gottlob, die nachrückende Generation weiß um ihre Aufgabe. Sie trägt mit sich unsere zuversichtliche Hoffnung.“ Mehr als 30 Jahre nachdem diese Worte geschrieben wurden, dürfen sie an die Männer und Frauen, die heute die FURCHE gestalten, in voller persönlicher Überzeugung weitergegeben werden.

Der Autor. 1948 von Funder in die FUR- CHE-Redaktion geholt, die er dann von 1957 bis Ende 1987 geleitet hat, steht heute als Sek* tionschef dem Presse- und Informationsdienst der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei sowie der Joumalistenverei- nigung „Concordia“ vor.

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