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Wie war es bisher?

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Zum siebenten Male in diesem Jahrhundert werden die Kardinale am 25. März zur Wahl des Oberhauptes der katholischen Kirche zusammentreten. Zum ersten Mal aber haben über 100 Purpurträger die Entscheidung zu treffen - 1903, als der Nachfolger Leos XIII. gekürt werden sollte, waren es nur 62, bei der Wahl Pius XI. 1922 sogar nur 53. 1903 verhinderte noch das Veto des österreichischen Kaisers die als sicher erwartete Wahl des Kardinal-Staatssekre- tärs Rampolla. Dieses Recht ausländischer Herrscher, gegen bestimmte Kandidaten ihre Bedenken anzumelden, beseitigte bereits Pius X. unmittelbar nach seiner Wahl. Wie weit aber gab es bei den übrigen Konklaven dieses Jahrhunderts „sichere” Anwärter? Wie oft drang der schließliche „Sieger” erst allmählich aus dem Hintergrund zu der erforderlichen Zweidrittelmehrheit durch? Lassen sich daraus Schlußfolgerungen auf die siebente Papstwahl dieses Jahrhunderts ziehen?

Sechs Päpste saßen seit 1903 auf dem Stuhl Petri - Pius X., Benedikt XV., Pius XI., Pius XII., Johannes XXIII. und Paul VI. Nur zwei von ihnen galten von Anfang an als Favoriten: Eugenio Pacelli, einst Nuntius in Deutschland, dann Kardi- nal-Staatssekretär unter Pius XI. und Camerlengo im Konklave - eine Kombination, die auch diesmal auf Kardinal Villot zutrifft-, erhielt 1939 schon im dritten Wahlgang die große Mehrheit seiner Amtsbrüder. Wenn die oft kolportierte Legende stimmt, daß die Nennungen im ersten Wahlgang zunächst persönlichen Sympathien zugeordnet sind und erst dann die Gruppierungen erkennbar werden, dürfte die Wahl Pius XII. der schnellstmögliche Vorgang gewesen sein.

24 Jahre später, nach dem Tod Johannes XXIII., wurde Giovanni Battista Montini, Erzbischof von

Mailand, schon vor dem Zusammentritt der Kardinale als kommender Papst genannt — er erreichte die Mehrheit im fünften Wahlgang.

Konklave früherer Epochen zogen sich mitunter über Monate- aus dieser Zeit stammt die Regelung, daß nach bestimmten Fristen begonnen werden sollte, das Dach abzudecken, um die Beratungen zu stimulieren. In diesem Jahrhundert fiel die Entscheidung durchwegs nach wenigen Tagen, auch wenn die Meinungen um den- richtigen Kandidaten erst allmählich abgeklärt werden konnten.

Das längste Konklave dieser 75 Jahre war jenes zur Wahl des Nachfolgers Benedikts XV. im Jahr 1922. Obwohl es auch jenes war, an dem die geringste Zahl von Kardinalen teilnahm, dauerte es fünf Tage und führte erst beim 14. Wahlgang zum Erfolg, ungeachtet der Tatsache, daß der Erzbischof von Mailand, Achille Ratti, schon am ersten Tag unter den aussichtsreichsten Anwärtern aufschien. Er erhielt an den ersten beiden Tagen jeweils nur wenige Stimmen, während die Kardinale Merry del Val, Maffi, Ga- sparri und Lafontaine die meisten Stimmen auf sich sammelten - aber keiner genug zum Durchbruch. Dieser erfolgte erst im 14. Durchgang.

Als 1914 Pius X. gestorben war, beeilte man sich wegen des gerade ausgebrochenen Krieges, möglichst bald zum Ziel zu kommen. 57 anwesende Kardinale führten in drei Tagen zehn Durchgänge durch, aus denen schließlich der Erzbischof von Bologna, Giacomo della Chiesa, als Papst Benedikt XV. hervorging, obwohl nicht er, sondern schon damals Merry del Val und Maffi als „papabili” galten. Der Favorit von 1903, Rampolla, war 1913 gestorben. Pius X. war elf Jahre vorher am vierten Tag gewählt worden. In dieser Zeit waren allerdings nur sieben Wahlgänge abgehalten worden.

Auch für die Wahl Johannes’ XXIII. waren vier Tage nötig - erst nach dem zwölften Wahlgang stieg endlich der weiße Rauch über dem Vatikan auf. Auch damals hatten die Zeitungen - die FURCHE eingeschlossen - viele andere Namen genannt, aber nicht jene des Patriarchen von Venedig.

Zweimal kamen in diesem Jahrhundert die Erzbischöfe von Mailand zum Zug - Achille Ratti (Pius XI.) und Giovanni Montini (Paul VI.), zweimal die Patriarchen von Venedig - Giuseppe Sarto (Pius X.) und Angelo Roncalli (Johannes XXIII.). Giacomo della Chiesa (Benedikt XV.) kam aus Bologna, Eugenio Pacelli (Pius XII.) war Staatssekretär.

In diesen Jahrzehnten, als die Mehrheit der Kardinale aus Italienern bestand, schien sich auch territorial die Auswahl auf wenige Bischofssitze zu beschränken. Diesmal stellen die Italiener nur noch rund ein Viertel aller Stimmen - aber im Zeichen der Intemationali- sierung von Kirche und Kurie hat das nationale Element weitgehend seine Bedeutung verloren.

Die alte Faustregel, daß jeweils ein vor allem spirituell orientierter, als Seelsorger erprobter Papst auf einen geschulten Diplomaten folge, hat angesichts der letzten Stellvertreter Christi längst an Bedeutung verloren. Auch Johannes XXIII. war Nuntius gewesen, bevor er nach Venedig entsandt wurde. Auch Paul VI., der langjährige Helfer der Staatssekretäre, hat der Seelsorge entscheidende neue Akzente verliehen. Werden aber die Wähler dieses Konklaves daran denken, daß der erste Papst der Kirchengeschichte lediglich mit der Frage ausgewählt wurde: „Liebst du mich?” und er geantwortet hat: „Herr, du weißt, wie ich dich liebe!”?

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