7074832-1993_14_11.jpg
Digital In Arbeit

WIE WERDEN DIE TOTEN ERWECKT?

19451960198020002020

Die Lehre der Kirche sagt, am Ende der Zeiten werden alle Menschen „mit dem eigenen Leib, den sie hier tragen, auferstehen"1. Doch welcher Art soll die Identität zwischen irdischem und auferstandenem Leib sein?

19451960198020002020

Die Lehre der Kirche sagt, am Ende der Zeiten werden alle Menschen „mit dem eigenen Leib, den sie hier tragen, auferstehen"1. Doch welcher Art soll die Identität zwischen irdischem und auferstandenem Leib sein?

Werbung
Werbung
Werbung

Der Blick auf die Auferstehung Jesu gibt dem Glauben an unsere eigene Auferstehung Anschaulichkeit. Gewiß bleibt die Auferstehung Jesu und die unsere ein striktes Geheimnis des Glaubens. Dennoch ist der Auferstehungsleib Jesu eine den Zeugen sichtbare, ja greifbare Wirklichkeit. An der Wirklichkeit seiner Auferstehung wird uns unsere erahnbar.

a) Das erste, was wir mit Gewißheit von der Auferstehung Jesu her für unsere eigene Auferstehung sagen müssen, ist die klare Unterscheidung von Tod und Auferstehung. Zwischen Tod und Auferstehung Jesu liegt der geheimnisvolle Karsamstag, das heißt die Grablegung des Leichnams Jesu und der „Höllenabstieg" der Seele Jesu. Der Herr ist aus dem Grab erstanden. Es ist daher mit dem Glauben unvereinbar, zu behaupten, die Auferstehung geschehe im Tode. Die Idee, die Auferstehung geschehe bereits im Moment des Todes, stößt sich an der elementaren Tatsache der Grablegung Jesu und der „Auferstehung am dritten Tag". Das älteste Kerygma der Kirche betont schon diese Sequenz (gestorben - begraben - auferstanden; vgl. 1 Kor 15,3-4), die auch dem geschichtlichen Ablauf der Ereignisse entspricht. Gegen die Spiritualisierung der Auferstehung durch die Gnosis2, die mit „Auferstehung" das Aufsteigen der Seele zu Gott unter Hintanlassung des Leibes bezeichnet, erinnert der hl. Irenaus von Lyon an den Realismus der Auferstehung Jesu als dem Urbild unserer kommenden Auferstehung:

Wenn der Herr „mitten im Todesschatten hinging", wo die Seelen der Verstorbenen waren, dann aber leiblich auferstand und nach der Auferstehung emporgehoben wurde, dann werden offenbar auch die Seelen seiner Jünger, derentwegen der Herr dies getan hat, an jenen unsichtbaren Ort abgehen, der ihnen von Gott bestimmt ist, und dort bis zur Auferstehung verbleiben, ihre Auferstehung erwartend. Dann aber werden sie, ihre Leiber wieder empfangend und vollkommen, das heißt leiblich auferstehend, wie auch der Herr auferstanden ist, zur Anschauung Gottes gelangen3.

b) Ein zweites wird an Jesu Auferstehung deutlich: der Auferstehungsleib ist real identisch mit dem irdischen Leib. Die Evangelienberichte betonen diese Identität ganz ausdrücklich. Die Identifikation des Erscheinenden geschieht gerade durch seinen Leib: „Was seid ihr bestürzt, und warum steigen Zweifel in euren Herzen auf? Seht meine Hände und meine Füße, daß ich es selbst bin!" (Lk 24,38-39).

Die Wundmale bezeugen unbez weifelbar, wer der ist, den die Jünger sehen (vgl. Jo 20,24-29). Seine leiblichen Gesten wirken wie Erkennungszeichen (vgl. Lk 24,30-31,35). Maria von Magdala erkennt Jesus am unverwechselbaren Ton seiner Stimme (Jo 20,16). Mit Jesus nach seiner Auferstehung gegessen und getrunken zu haben, wird in der Predigt der Apostel als Beweis für die Realität der Auferstehung genannt (vgl. Apg 10,41). All das bekundet die Gewißheit der Zeugen des Auferstandenen, daß er „mit dem eigenen Leib", den er von Maria empfangen, in dem er mit ihnen gelebt hat, nun auch auferstanden ist und bleibt.

c) Die dritte Einsicht, die wir aus Jesu Auferstehung für die unsere gewinnen, ist das „ganz anders" desselben Leibes nach der Auferstehung. Die Motive sind bekannt: dasNicht-Erken-nen („Ihre Augen waren gehalten, sodaß sie ihn nicht erkannten"; Lk 24,16); die räumliche Ungebundenheit (vgl.Jo20,21;Lk 24,31); die geheimnishafte Nähe und doch

Andersheit (vgl. Jo 21). Im Blick auf Christus spricht Paulus von einem „pneumatischen Leib", der den „psychischen Leib" ablöst. Der irdische Leib ist ein „beseelter" der Auferstehungsleib ist ein „durchgeistigter", vom Heiligen Geist völlig durchdrungener. Diese „Pneumatisierung" ist nicht zu verwechseln mit einer „Spiritualisierung" im Sinne der Gnosis. Es wird wirklich dieser mein ganzer Leib auferweckt durch den Heiligen Geist, von diesem ganz „erfüllt":

Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen in euch wohnenden Geist (Rom 8,11).

Doch wie soll dieses materielle, irdische, vergängliche Stück Leib ewig leben? Die Gnostiker des 2. Jahrhunderts zitierten gerne ein Pauluswort als eines der wichtigsten Argumente für ihre „spiritualisierte" Sicht der Auferstehung: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben, noch erbt die Verweslichkeit die Unverweslichkeit" (1 Kor 15.50)4. Dieses Wort scheint eine Auferstehung des Leibes, des konkreten Menschen „aus Fleisch und Blut", auszuschließen. Hinter dem biblischen Argument steht die philosophische Überzeugung der Gnosis, daß die Materie als solche grundsätzlich nicht

„heilsfähig" ist. Sie ist in sich verschlossen, sie kann die Schwelle der kommenden Welt nicht überschreiten. Der Weg dorthin kann nur ein Abschied von der Materie sein. Demgegenüber ist der Glaube an die Auferstehung des Fleisches untrennbar mit der Gewißheit verbunden, daß auch die Materie als Gottes gutes Geschöpf, „Trägerin" des lebendigmachenden Geistes sein kann.

In einer Auseinandersetzung mit der Gnosis hat der hl. Irenaus gegen diese „geschlossene" Sicht der Materie ein sehr ansprechendes Argument vorgebracht: Es sei erstaunlich genug, daß es überhaupt belebte Materie gibt, wie evidenterweise alles Lebendige zeigt, das ja gerade dadurch erst lebendig ist, daß Materie Leben in sich aufnehmen kann. Also kann „das Fleisch" das Leben fassen:

Wenn aber dies gegenwärtige Leben, das viel schwächer ist als das ewige Leben,dennoch so viel vermag, daß es unsere sterblichen Glieder belebt, wie sollte dann jenes ewige

Leben, das doch weit wirksamer ist, das Fleisch nicht beleben können, das doch schon eingeübt und eingewöhnt ist, Leben in sich zu tragen?5

d) Wir fragen, wie die Auferstehung des Fleisches möglich sei. Wir können, nochmals im Blick auf Jesus Christus, sagen: Ist Jesus das ewige Wort des Vaters, das Fleisch angenommen hat, dann kann auch unser sterbliches Fleisch das Wort und den Geist Gottes aufnehmen. Der Realismus der Menschwerdung Gottes ist die tiefste Zusage der wirklichen Auferstehung des Fleisches. „Gott im Fleisch" ist die Verheißung, daß das Fleisch in Gott leben wird. So ist nicht erst die Auferstehung Jesu der Anfang und die Verheißung unserer kommenden Auferstehung. Bereits die Menschwerdung des Sohnes Gottes durch die Annahme unseres sterblichen Fleisches hat es möglich gemacht, daß dieses zum „Erbteil Gottes" wird. Nochmals Irenaus: „Das Heisch vermag zwar aus sich selbst das Reich Gottes nicht zu erben, wohl aber ins Reich Gottes vom Geiste geerbt zu werden"6.

Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches findet also in Jesus Christus, dem fleischgewordenen Wort Gottes, das gestorben, begraben und auferweckt worden ist, sein Urbild. Deshalb wird der Glaube an die Auferstehung des Fleisches so lebendig sein wie der Glaube an Jesus Christus: „Ist Christus nicht erweckt worden, dann ist euer Glaube leer, dann seid ihr noch in euren Sünden" (1 Kor 15,17).

Der Glaube ist ein organisches Ganzes. Wird ein Glied geschwächt, so werden früher oder später alle anderen an Kraft verlieren. Letztlich hängt der Glaube an die Auferstehung des Fleisches an jenem ersten, alle weiteren bedingbaren Glaubensartikel, daß Gott der Schöpfer aller Dinge ist, der unsichtbaren und der sichtbaren. Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches basiert auf dem Glauben, daß alles, was ist, Geistiges wie Stoffliches, von Gott geschaffen, also gewollt ist, daß deshalb keines der Werke Gottes vergeblich ist. Hat Gott alles zu seiner Verherrlichung geschaffen, dann ist auch dieser mein Leib dazu bestimmt, Träger der Herrlichkeit Gottes zu sein. Auch diesen Zusammenhang hat die frühchristliche Theologie des Irenaus bereits klar herausgestellt: An den Schöpfergott zu glauben ist die Voraussetzung für den Glauben an die Auferweckung der Toten:

Es verachtet also die Macht Gottes, ... wer nur auf die Ohnmacht des Fleisches starrt, nicht aber die Kraft dessen achtet, der von den Toten erweckt. Denn wenn Gott das Sterbliche nicht belebt und das Verwesliche nicht emporführt zur Unverweslichkeit, dann ist Gott nicht mächtig. Daß aber Gott in allem mächtig ist, das müssen wir aus unserem Ursprung einsehen lernen, als Gott Lehm von der Erde nahm und den Menschen bildete. Es ist ja doch weit schwerer und unglaublicher, aus nicht Existierendem... einen existierenden Menschen zu machen als den schon bestehenden ,dann aber wieder in Erde aufgelösten ... von neuem herzustellen7.

1) Glaubensbekenntnis des IV. Laterankonzils (1215).

2) Zu den Grundfragen der Gnosis vgl. neuerdings P. Koslowski (Hrsg.), Gnosis und Mystik in der Geschichte der Philosophie, Zürich-München 1988.

3) Irenaus von Lyon, Adversus haereses V,31,2 (BKV II, 234 f.).

4) Die Debatte genau dargestellt bei Ysabel de Andia, Homo vivens. Incorruptibilite et divini-sation de l'homme chez Irenee de Lyon, Paris 1986.

5) Irenaus von Lyon, Adversus haereses V, 3,3 (Ubers, von H. U. von Balthasar in: Irenaus, Geduld des Reifens, Einsiedeln 1965, 94).

6) Ebendort, V, 9, 4 (Übers. Balthasar 96).

7) Ebendort, V. 3, 2 (Übers. Balthasar 93).

Der Autor ist Weihbischof in Wien. Auszug aus dem Buch: DIE LETZTEN DINGE. Hrsgb. vonFranz Breid. Ennsthaler Verlag, Steyr 1992. 272 Seiten, öS 138,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung