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Wie wertvoll ist ein Bild?

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Man könnte auch fragen: Wie wertvoll ist Kunst überhaupt oder was ist ein Kunstwerk wert? Solche Fragen sind schon in ihrer Formulierung schlecht. Man kann darauf keine Antwort geben. Dieser „Wert” ist völlig unbestimmbar. Er ist ein subjektiver Wert, eine subjektive Werteinschätzung. „Wert” ist ein ganz persönliches Maß, das nur hier und heute gilt. Ein armseliger Löffel, eine alte Brille sind uns unbezahlbar, weil sie von der verstorbenen Mutter stammen. Für den Schatzmeister im Dorotheum sind sie nicht einen einzigen Schilling „wert”. Genauso kann uns ein schäbiger Kunstdruck an eine Gegend, an ein Erlebnis erinnern, das für uns sehr wesentlich war: Wir heben ihn auf, betrachten ihn immer wieder liebevoll: Unsere Erben werfen ihn in den Papierkorb. Uns war er „wert”, ihnen ist er nichts wert.

Genauso kann es mit einem echten Kunstwerk sein. Für den Maler ist es vielleicht sein schönstes Bild, weil er in ihm nach einer Periode der Unsicher heit, des Suchens zum ersten Male seinen neuen Weg fand! Aber für die Verehrer seiner Kunst, Jur die Käufer zeigt es noch zuwenig von der an ihm geschätzten Eigenart, sie be-„werten” es gering.

Genauer ist also die Frage: Was kostet ein Bild von diesem Maler? Oder noch besser: Was kostet heute ein Bild von diesem Maler? Was kostet heute dieses bestimmte Bild von dem Maler, und zwar: hier in Wien. Also der Geldpreis. Bei einer Versteigerung in London wird der Preis höher steigen als in Wien, weil dort mehr Interessenten Zusammenkommen und sie reicher sind als jene in Wien. Ist das Bild jetzt in Wien weniger „wert”?

Im Hinblick darauf wird der Schätzmeister in Wien schon eine niedrigere Belehnungssumme gewähren als der in London oder in New York, obwohl beide in den gleichen alten Versteigerungskatalogen nachsehen, wieviel dieses Bild oder ein gleichwertiges dieses Malers schon früher einmal erbracht haben. Dieser seinerzeitige Er lös ist aber auch kein starrer, ewig geltender Fixpreis, sondern nur ein Richtpreis. Es kommen andere Faktoren hinzu: Vielleicht sind seit der letzten Versteigerung neue, bisher unbekannte Werke des Malers auf getaucht, das Angebot ist daher größer und der Preis wird geringer sein. Vielleicht ist auch dieser Maler, dieser Stil und daher dieses sein Bild heute nicht mehr modern? Oder umgekehrt: Wir haben in den letzten Jahren erlebt, daß auf einmal der Jugendstil „modern” wurde! Was wir van der Erbschaft der Großeltern an Wassergläsern, Karaffen und Lampenschirmen weggeworfen haben, ist heute teuer. Wohl dem, der es damals nur auf den Dachboden getragen hat und es heute herunterholen kann…

Warum wird auf einmal etwas modern? Heute der Jugendstil? Morgen vielleicht die Romantiker? Vor fünfzig Jahren die Barockengerin? Und nach 1945 die Milcheimer in den rustikalen Bauemstubenbars? Wenn der Trend kommt, steigen die Preise, wenn er vorbeigeht, fallen sie wieder. Bei Minirök- ken, bei den Hunden und bei den alten Holländern. Ob sich der Wert, der innere Wert auch so ändert? Wohl kaum… Wohl ist es aber möglich, daß der Hund ins Tierasyl kommt und der Künstler vergessen und in Not stirbt.

Wie lange eine Mode bleibt, wie lange sie den Markt beherrscht, wie lange sie „geht”, hängt von mancherlei Faktoren ab. Sicherlich von, der Qualität der Ware, von ihrer „Geschmackigkeit”, auch davon, ob sie breiteren Kreisen verständlich gemacht werden kann und preislich erschwinglich ist. Die Barockengerin haben sich trotz allem gehalten, die Radierungswelle der letzten zehn Jahre wurde von der Maßlosigkeit der Künstler selbst zerstört. Die Auflagen wurden ins Unreale gesteigert, mit kleinlichen Varianten nur zu oft. Das machte die Käufer mißtrauisch, verärgerte sie, und damit war es mit der Radierung vorbei. Schade um diese Kunstform, schade um die vielen ehrlichen Künstler, schade um die Kunst überhaupt.

Natürlich gibt es neben diesen allgemeinen Spielregeln - die natürlich für die Plastik ebenso gelten wie für das Bild - noch eine Reihe von Nachhilfen oder Tricks. Der rote Verkaufspunkt auf einem Bilderrahmen in einer Aus stellung kann natürlich auch ein Kaufanreiz sein. Auch das Schildchen „Unverkäuflich” kann echt sein, es kann aber auch nur das Angebot verringern und damit den Preis hinauftreiben. Neben diesen kleinen und harmlosen Mittelchen kommt es aber immer wieder vor, daß ein Künstler entweder selbst oder durch einen Mittelsmann, manchmal macht es ein Händler vielleicht aus eigenem, ein Bild ins Dorotheum zur Versteigerung gibt. Einmal um den Schätzpreis zu testen, zum ändern aber, um die Nachfrage zu prüfen und nicht zuletzt natürlich durch den erzielten Versteigerungspreis die derzeitige „Lage” des Künstlers. Wahrscheinlich steigert er sogar selbst mit. Das Risiko, daß er sein eigenes Bild ersteigert, ist nicht groß, da er ja den Kaufpreis sich selbst bezahlt. Die Spesen an das Dorotheum sind für ihn ein Werbeaufwand, der sich sicherlich gelohnt hat: Denn in .allen. Nachschlagebüchern scheint nun dieser neue Verkaufspreis auf, und der Künstler, der Händler bekommt diese Ausgaben bei den nächsten Verkäufen dieses Künstlers leicht wieder herein.

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