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Wieder Todesstrafe?

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In London und im übrigen Großbritannien hat die Tätigkeit der Terroristen in jüngster Zeit zugenommen, und allgemein ist man der Auffassung, daß mit einem baldigen Ende der Terrorakte nicht zu rechnen ist. Die Sprengstoffattentate haben Verletzungen, Sachschaden und eine gewisse Verwirrung angerichtet. Es ist geradezu ein Wunder, daß bisher verhältnismäßig wenig Menschen zu Schaden gekommen sind, doch hat man keine Garantie dafür, daß dies weiterhin der Fall sein wird.

Die IRA oder der Teil der Organisation und ihre vermutlichen Sympathisanten, die für diese schrecklichen Verbrechen an unschuldigen Menschen verantwortlich sind, glauben zweifellos, daß sie die Bevölkerung Großbritanniens terrorisieren können, damit sie den Abzug der britischen Truppen aus Nordirland verlangt. Nun gibt es natürlich Leute in Großbritannien, die einen solchen Schritt befürworten, und unter der Bevölkerung ist die Ansicht ziemlich weit verbreitet, daß man den Iren, wenn sie Vernunftgründen so unzugänglich bleiben, vielleicht doch erlauben sollte, ihre uralten Streitigkeiten unter sich auszutragen. Fairerweise muß festgestellt werden, daß in Ulster protestantische Extremisten gleich schreckliche Verbrechen begangen haben, und es wurde jetzt berichtet, diese Terroristen aus Ulster hätten ebenfalls die Absicht, in Großbritannien zu operieren.

Es gibt jedoch mindestens drei gute Gründe dafür, weshalb eine britische Regierung unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Truppen nicht aus Nordirland abziehen sollte und auch nicht abziehen kann. Zunächst einmal sind sich verantwortliche Leute in Irland wie in Großbritannien darüber einig, daß ein vorschneller militärischer Abzug der Engländer fast mit Sicherheit zu einem Blutbad in Irland führen würde. Zweitens ist Nordirland Teil des Vereinigten Königreichs, und solange dort die Mehrheit der Bevölkerung den Fortbestand dieser Verbindung wünscht, ist London für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in Ulster verantwortlich. Drittens: Wenn man einer Handvoll Terroristen erlauben würde, einer gewählten Regierung die Politik vorzuschreiben, würde damit ein schlimmes Beispiel gegeben und die ganze Grundlage der freien Gesellschaftsform Großbritanniens unterminiert werden.

Die Bevölkerung hat bisher ruhig auf die Attentate reagiert, obwohl eine gewisse Empörung darüber unverkennbar ist, daß solche Dinge in einer zivilisierten Gesellschaft möglich sind. Einige Kreise haben verlangt, die IRA für illegal zu erklären und die Bewegungsfreiheit von in Großbritannien lebenden Iren schärfer zu kontrollieren. Aber ein Verbot der IRA würde die Tätigkeit der Terroristen nicht einschränken und es wäre bedauerlich, wenn die vielen in Großbritannien lebenden Iren, die sich an die Gesetze halten, für die Verbrechen einer kleinen Minderheit büßen müßten und nicht länger in den Genuß der großzügigen Anomalie kämen, durch die sie genau dieselben Rechte besitzen wie britische Staatsangehörige. Vor allem ist es nötig, daß diejenigen, die diese Verbrechen begehen, gefaßt und angemessen bestraft werden. Sollte bei einer dieser Bombenexplosionen eine größere Zahl von Menschen ums Leben kommen, wäre es denkbar, daß sich das Unterhaus erheblichem Druck ausgesetzt sähe, die Entscheidung über die Abschaffung der Todesstrafe zu überprüfen — eine Entscheidung, mit der die öffentliche Meinung nie ganz zufrieden war.

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