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Wien droht ein Verkehrsinfarkt
17. Oktober 1988. Einstimmigkeit im Wiener Gemeinderat: Wien und Budapest werden sich gemeinsam um die Weltfachausstellung 1995 bewerben.
80.000 Besucher täglich und an den Wochenenden bis zu 140.000, und das sechs Monate lang, werden am Ausstellungsgelände um die UNO-City erwartet. Geschätzte Zahlen, die vom Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr als wahrscheinlich angenommen werden.
Nimmt man weiters an, daß zwei Drittel der Gäste die öffentlichen Verkehrsmittel benützen, müssen für das Drittel der Unentwegten — die auf ihr Auto nicht verzichten wollen — 14.000 Parkplätze bereitgestellt werden. Von dem ohnehin nicht gerade üppigen, 20 Hektar großen Areal vor dem Konferenzzentrum würden 17 Hektar nur für Parkplätze benötigt. Ein Ding der Unmöglichkeit!
Einziger Ausweg: Die Expo '95 muß vorwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Diesbezügliche Überlegungen sind schnellstens anzustellen, forderte Stadtrat Erhard Busek.
Planungsstadtrat Hannes Swo-boda (SP) weiß um die Probleme, Er könne zwar derzeit noch kein ausgereiftes Konzept vorlegen, aber er lege Wert darauf, daß ein solches gemeinsam erarbeitet werde, mit viel Fantasie und mit vielen Ideen.
Ideen und Fantasie sind auch notwendig, um 65.000 Personen täglich von Budapest nach Wien und retour zu bringen. Mehr als die Hälfte wird vermutlich das eigene Auto vorziehen, womit auch schon die ersten Schwierigkeiten beginnen. 12.000 PKW verursachen selbst bei unbürokratischen Grenzkontrollen Rückstaus von einigen Kilometern. Damit die Blechlawine aber möglichst rei-bungslos*ollen kann, muß der geplante Ausbau der Flughafenautobahn bis Parndorf und Nickelsdorf einerseits und die Verlängerung der Süd-Ost-Tangente bis Hirschstetten andererseits, notfalls auch mit Sonderfinanzierungen, vorangetrieben werden.
Mit diesem konkreten Beispiel bekommt das Problem der Finanzierung Aktualität. Busek dazu: „Wenn es nicht die Notwendigkeit gibt, etwas zu finanzieren, entsteht kein Geld.“ Ubersetzt heißt das wohl soviel wie: Wo ein Wille, da auch Geld.
Guten Willen und ein Ohr für die Wünsche der Stadt Wien müssen die österreichischen Bundesbahnen aufbringen. Wien möchte den Nordbahnhof — die „Wüste Gobi“ der Stadtentwicklung — in die Planungen für die Weltausstellung einbeziehen.
Der bis Ende des Jahres ausgeschriebene Ideenwettbewerb mit internationaler Beteiligung soll sich Lösungen für dieses Areal überlegen.
Der Idee einer „Brücke“ über Neue Donau und Donau zum Gelände des Nordbahnhofes gibt Swoboda immer noch eine Chance. Dies sei aber nur in einer „sanften Form“ möglich. Es dürfe kein teures Wegwerfprodukt sein.
Der Wettbewerb soll ferner städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten — vom Praterstern bis Kagran—aufzeigen, aber auch verkehrspolitische Überlegungen anstellen.
Guten Willen zeigen die ÖBB auch mit ihren Überlegungen, die Reisezeit zwischen Wien und Budapest von derzeit drei auf zwei Stunden zu verkürzen. Eine wichtige Sache, wenn die Schiene mit der Straße konkurrieren will.
Die Zollabfertigung müsse dann allerdings in den Bahnhöfen möglich sein. Gedacht wird an eine Check-in-Zone, ähnlich dem Flugverkehr.
Der Zentralbahnhof, auf dem Areal des derzeitigen Südbahnhofes geplant, wird wohl bis zur Weltausstellung nicht realisiert werden. Hier sind die ÖBB über die Planungsphase noch nicht wesentlich hinausgekommen.
Die wenigsten bis keine Schwierigkeiten erwartet man im Flugverkehr. Die Flugstraßen zwischen Wien und Budapest werden nur wenig beansprucht. Zusätzliche Flüge sind kein Problem.
Bezüglich der Schiffahrt zwischen den Metropolen gibt's noch offene Fragen (siehe Beitrag oben).
Wien beschreitet den Weg in ein neues Jahrtausend. Die Herausforderung der Weltausstellung wird angenommen.
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