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Wien: Noch immer kein Platz für Innitzer

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Nun geht wieder ein zeitlicher Anlaß vorüber, ohne daß er genützt worden wäre, um eine leidige Angelegenheit aus der Welt - aus Wien - zu schaffen, dessen Welt oft so eng ist wie der geistige Horizont und das Herz diverser Wiener Politiker.

Die leidige Angelegenheit wurde in den Spalten dieser Zeitschrift schon mehrfach aufgeworfen. Es ist die längst überfällige Benennung einer - wie das so amtschön heißt: „Verkehrsfläche" -nach dem einzigen Wiener Erzbischof, dem solche Ehre seitens des Wiener Rathauses noch nicht zuteil geworden ist: nämlich Theodor Kardinal Innitzer.

Am 9. Oktober jährt sich zum 25. Mal der Todestag des Kardinals. Auf dieses Datum - noch dazu im Staatsvertragsjubiläumsjahr, das freilich weniger Anlaß zum Jubeln als zum Jammern gibt - wurden maßgebliche Politiker wiederholt und mit allem möglichen und höflichen Nachdruck hingewiesen.

Umsonst: wie in all den Jahren seit 1976, da die „Theodor-Kardinal-Innit-zer-Gesellschaft" ihren diesbezüglichen offiziellen Antrag an die zuständige Stelle des Rathauses richtete. Nicht einmal der Eingang dieses Antrages ist bis heute offiziell bestätigt worden: auch ein Rathausskandal, allerdings nur ein kleinwinziger. Aber in Rathäusern, die eigentlich Rothäuser sind, auch wenn sie nach außen und innen hin grau ausschauen, springt man mit Bürgern so um: gleichgültig, welche Bürger das sind und was sie sich erbitten.

Man kann sich's ja leisten: trotz aller Skandale, die in der Öffentlichkeit mehr Eindruck hinterlassen als der „Kardinal-Innitzer-Verkehrsflächen-benennungsskandal". Mit demokratischer Gesinnung hat dieses „Leistungsprinzip" allerdings wenig zu tun.

Darum sei zum so und sovielten Mal daran erinnert, daß Bürgermeister Leopold Gratz (päpstlicher Ordensträger) eine positive Erledigung des Antrages der „Theodor-Kardinal-Innitzer-Ge-sellschaft" persönlich sowie durch einen extra entsandten Vertreter dem Obmann und Vorstand zugesagt hat.

Der Briefwechsel mit den Rathausherren, der efnen ansehnlichen Umfang annahm, wurde in einem Flugblatt vor der letzten Wiener Landtagswahl im Oktober 1978 Zehntausenden Wienern und Wienerinnen bekannt gemacht.

Seitdem gab es in der Angelegenheit Verkehrsflächenbenennung nach Kardinal Innitzer mehrfache Interventionen persönlicher wie politischer Art sowie einen Sturm im Wasserglas der HietzingerBezirksvertretungsstube:Die durch die kleine Verschiebung der Machtakzente zur „Bezirksmacht" gekommene ÖVP-Vorsteherin Bischof brachte den Antrag ihrer Fraktion ein, den Versorgungsheimplatz in Lainz in „Kardinal-Innitzer-Platz" umzubenennen.

Eine Umbenennung dieses Platzes wird im Rathaus deswegen grundsätzlich angestrebt, weil alles, was nach Versorgung heißt, einen unangenehmen Beigeschmack beim Bürger hinterläßt. (Auch die Versorgungsheimstraße geht aus diesen Gründen einer Umbenennung entgegen.)

Was diesen Vorstoß der Frau Bischof für ihren einstigen Kardinal anbetrifft, kam es zu geschmacklosen Szenen, die von einem Bezirksrat inszeniert wurden, der von Hauptberuf Offizier des Bundesheeres ist. (Namen sind Schall und Rauch: vor allem bei „Politikern" solcher Größenordnung.)

Der Frau Bischof wurde mit einem gehörigen Straßenwirbel der Lainzet Jusos und Asos (Jung- und Altsozialisten) gedroht, und dar schwarzen Bezirksvorsteherin blieb nichts anderes übrig, als mit ihrer Fraktion den vorläufigen Rückzug vor dem angekündigten roten Negeraufstand anzutreten.

Stellvertreter Kommerzialrat Gutmannsbauer aber zeigte sich geneigt, sanft zu vermitteln und eine Brücke über den imaginären Wienfluß zu schlagen, der die politischen Lager in Hietzing in Angelegenheit Innitzer-Verkehrsflächenbenennung trennt.

Seitens der „Theodor-Kardinal-In-nitzer-Gesellschaft" wurden ihm alle Unterlagen ausgehändigt, aus denen hervorgeht, daß man den Wiener Oberhirten der voräquidistanten Ära nicht länger lediglich als „Heil-Hitler-Kardinal" ansehen dürfe: erst recht nicht, seit neueste historische Forschungen die Hintergründe der Bischofserklärung vom März 1938 aufhellten.

Kommerzialrat Gutmannsbauer wurde persönlich aufgesucht und im Laufe eines Jahres viermal angeschrieben. Im letzten Brief wurde eben auch auf das Datum 9. Oktober 1980 hingewiesen. Der Bezirksvorsteher-Stellvertreter, der sicher guten Willens ist und, zum Unterschied von anderen obrigkeitlichen Personen, Bürgerbriefe auch beantwortet, strebt die Bildung einer historischen Kommission innerhalb der Bezirksvertretung an, vor der ein berufener Experte den „Fall Innitzer" explizieren soll.

Leider ist es bis heute nicht zu diesem ins Auge gefaßten Vortrag gekommen, für den sich auch ein Grazer Universitätsprofessor angeboten hat. Der Herr Bundesheer-Bezirksrat scheint fortgesetzte Scharmützel mit dem Ziel der altbekannten Hinhaltetaktik zu liefern.

Dadurch ist es diesem heldenhaften Kämpfer auf dem innenpolitischen Schlachtfeld zwischen Wienfluß und Hotel Hübner gelungen, die leidige Angelegenheit weiter zu verzögern: über das sich wieder einmal anbietende Datum hinaus...

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