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Wiener City als „Umweltoase“

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Mit Granitplatten und Mosaik belegte Promenaden, glasüberdachte Passagen, Bäume, vor allem Platanen, und hohe Sträucher, wohin man schaut, Oleanderbüsche, aber natürlich keine ledigen Almtröge, die Straßenzüge wie den Graben lächerlich machen und verschandeln, Straßehcafes und -zelte... So könnte in Hinkunft Wiens City, die Fußgängerzone, zum Beispiel in der Kärntnerstraße, am Graben, Franziskanerplatz, Jaso-mirgottstraße, im Trattnerhof, am Kohlmarkt und beim AEZ aussehen. Und so stellen sich auch die mit der Planung beauftragten Architekten, Wilhelm Holzbauer (bekannt durch sein Amsterdamer Bathausprojekt), Wolf gang Windbrechtinger, Hans Hollein u. a., die Neugestaltung der „dritten Fassade“, also der Straße, vor. Wobei das Projekt Kärntnerstraße bereits im Frühjahr 1974 diese Fasson erhalten-soll: eine Promenadestraße, in der man vom Verkehr unbehindert Geschäfte besichtigen, in Cafes sitzen, auf Bänken im Grünen rasten können wird.

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Mit Granitplatten und Mosaik belegte Promenaden, glasüberdachte Passagen, Bäume, vor allem Platanen, und hohe Sträucher, wohin man schaut, Oleanderbüsche, aber natürlich keine ledigen Almtröge, die Straßenzüge wie den Graben lächerlich machen und verschandeln, Straßehcafes und -zelte... So könnte in Hinkunft Wiens City, die Fußgängerzone, zum Beispiel in der Kärntnerstraße, am Graben, Franziskanerplatz, Jaso-mirgottstraße, im Trattnerhof, am Kohlmarkt und beim AEZ aussehen. Und so stellen sich auch die mit der Planung beauftragten Architekten, Wilhelm Holzbauer (bekannt durch sein Amsterdamer Bathausprojekt), Wolf gang Windbrechtinger, Hans Hollein u. a., die Neugestaltung der „dritten Fassade“, also der Straße, vor. Wobei das Projekt Kärntnerstraße bereits im Frühjahr 1974 diese Fasson erhalten-soll: eine Promenadestraße, in der man vom Verkehr unbehindert Geschäfte besichtigen, in Cafes sitzen, auf Bänken im Grünen rasten können wird.

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Seit sieben Monaten arbeitet da zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Holzbauer-Windbrechtinger im Auftrag der Magistratsabteilung 19 an dieser Projektserie; Hauptproblem: die systematische Befreiung der Wiener City vom Verkehr. Und danach: die Neugestaltung der „freigewordenen“ Zonen, fast durchwegs architektonisch interessanter Baugebiete, die nach der Verkehrsentleerung neu belebt werden müssen. Das heißt: die Fußgängerzonen müssen nicht nur von Verkehr, Abgasen, Staub und Schmutz befreite Erholungs- und Detailhandelszonen sein, sie müssen auch die städtebaulich-architektonischen Eigenheiten der Viertel, den Charakter ihrer Bauwerke wieder ins richtige Licht rücken. Sie müssen in der Qualität der Neugestaltung und in der Wahl der Baumaterialien der Umgebung entsprechen: Also schlagen Holzbauer und Windbrechtinger vorwiegend Naturstein als Baumaterial vor, der mit den von Barock, Klassizismus und 19. Jahrhundert bestimmten Straßenbildern am besten harmoniert.

Freilich, außer der Kärntnerstraßenzone, deren Neugestaltung bereits gesichert ist, bestehen fast alle Vorschläge einstweilen nur auf dem Papier, das heißt sie sind Möglichkeiten, an die sich die Gemeinde vielleicht halten wird, vielleicht auch nicht. Und gerade das sollte alarmieren. Denn es ist keine Frage: Wiens City geht am Inividualverkehr allmählich zugrunde. Wer's noch immer nicht glaubt, gehe in der Hauptverkehrszeit durch die Schottengasse, Herrengasse, über den Michaelerplatz, vorbei an der Nationalbibliothek und Albertina. Erst vor kurzem renovierte Fassaden starren von Staub und Schmutz, den die dahin-rollende Autokolonne aufwirbelt. Sandsteinplastiken zerbröckeln langsam unter der Einwirkung der Abgase. Immer mehr Mieter, die vor diesem täglichen Inferno die Flucht ergreifen und hinausziehen an den Stadtrand, lassen ihre Wohnungen in Büros verwandeln, die diese Stadtviertel nach fünf Uhr oder zum Wochenende zu „toten Zonen“ machen. Und die Umweltbedingungen werden von Jahr zu Jahr unerträglicher: die Gefahren für Gesundheit und Leben nehmen rapid zu, die langen Wege zwischen Arbeitsplatz und privater Welt werden im stockenden Verkehr immer schwerer zu bewältigen.

So gesehen bedeuten Fußgängerzonen die einzige Überlebenschance alter Stadtviertel. Sie bieten späte, aber immerhin noch Rettung, zumal sich vor Jahrzehnten, als Architekten wie Le Corbusier vor dieser Entwicklung warnten, keine Stadtverwaltung der Welt entschließen konnte, die Städte zu entflechten und verkehrstechnisch zu entlasten.

Gerade in diesem kritischen Moment, wo zahllose Städte vor dem Problem stehen, durch Sofortmaßnahmen gerettet zu werden oder der Verödung entgegenzugehen, erscheint nun ein wichtiges Werk: „Das Überleben der Städte — Wege aus der Umweltkrise: Zentren als Urbane Brennpunkte.“ Sein Autor ist der Wiener Architekt Victor Gruen (geboren 1903), der, in den USA als „Vater der innerstädtischen Fußgängerzonen“ gefeiert, zahlreiche Stadtkerne revitalisiert hat. Verlangten uneinsichtige Stadtverwaltungen die „verkehrsgerechte Stadt“ — dieser Unfug ist selbst in unserer heutigen Krisensituation im Wiener Rathaus noch nicht ganz ausgemerzt! —, so fordert er den „stadtgerechten Verkehr“ und dessen weitestmögliche Verringerung durch Verringerung der Wege. Entscheidend ist, daß Gruen die Umweltverpestung des städtischen Raums schon dort bannen will, wo sie noch bevorsteht. Den neuerdings allseits beschworenen Umweltschutz bezeichnet Gruen als Defensivschutz für unzureichend.

Speziell für die Wiener Innenstadt hat Gruen ein Verkehrs- und Umweltkonzept entworfen, das das gesamte Wiener Kerngebiet, innerhalb von Ring und Kai, als „Umweltoase“ umfunktionieren soll. Gruens Plan sieht vor: „Innerhalb dieses Gebietes wird es nur ein sehr beschränktes Ausmaß von Oberflächenverkehr geben, wobei zusätzlich für Güter-, Zu-und Abtransport bestimmte Morgenstunden reserviert werden sollen. Die Zielsetzung des Konzeptes steht im Gegensatz zu jenen teils ausgeführten, teils projektierten Plänen, die eine beschränkte Anzahl von Fußgängerstraßen oder kleinräumigen Fußgängerzonen vorsehen. Solche Fußgängerstraßen wurden in provisorischer oder permantenter Weise in vielen Städten der Welt geschaffen. Zu Fußgängerstraßen wurden meistens eine oder mehrere Hauptgeschäftsstraßen erklärt, wobei dies in den meisten Fällen Umsatzsteige rungen für den Einzelhandel mit sich brachte. In den Straßen ging die Luftverpestung merklich zurück.

Allerdings warnt Gruen vor reinen ,.Einkaufspromenaden, wie sie sich aus den vorstädtischen regionalen Einkaufszentren entwickelt haben. Denn für Wien bedeutete dies eine „Umlagerung des Verkehrsvolumens auf Nebenstraßen“. Und gerade die Nebenstraßen dienen in Wien als Wohngebiete, aber auch für die charakteristischen Vertreter des Gastgewerbes, des Handels, besonders des Kunst- und Antiquitätenhandels. Diese Nebenstraßen bedürfen, auch ihrem architektonischen und historischen Charakter nach, besonderen Schutzes: „Ziehen wir in Betracht, daß eine wirkungsvolle Verbesserung der Umweltbedingungen nur durch großräumige Planung erreicht werden kann, scheinen- alle Argumente gegen die Einrichtung vereinzelter Fußgängerstraßen und für die Schaffung einer sich über den gesamten Stadtkern erstreckenden Umweltoase zu sprechen.“

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