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Wiener Gemeinplätze

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„1. Sind Sie dafür, daß die Arbeitsplätze durch Vorrang für die Stadterneuerung gesichert werden (z. B. Wohnungsverbesserung statt weiterer Stadtrandsiedlungen, Nahversorgung statt neuer Supermärkte außerhalb Wiens, mehr Grün statt mehr Beton)?“

„2. Sind Sie dafür, daß sich die Stadt Wien am Milliardenprojekt eines neuen Konferenzzentrums endgültig nicht beteiligt und statt dessen die Hofburg als Konferenzzentrum ausgebaut wird?“

Vom 15. bis zum 17. November sollen die Wiener darauf in einer Volksbefragung mit Ja oder Nein antworten. Damit diese Fragen überhaupt gestellt werden dürfen, hat Erhard Buseks Wiener ÖVP immerhin bis zum Sommer rund 87.000 Unterschriften gesammelt.

Schon deshalb war die SPÖ-Re- aktion auf diese Volksbefragung („In Zeiten wie diesen … keine unsinnigen vFragen stellen“) eine eklatante Entgleisung: Sie traf nicht Busek, sondern 87.000 unterschreibende Wienerinnen und Wiener, die sich für mehr direkte Demokratie engagiert hatten.

Es ist gar keine Frage: Formal sind alle Voraussetzungen für eine Volksbefragung erfüllt.

Andererseits muß kritisch angemerkt werden, daß die Fragestellung, zumindest was die erste Frage betrifft, nicht geglückt ist: Auf derartige Allerweltsfragen, die noch dazu auf das Reizwort Arbeitsplätze zurückgreifen, ist die Antwort vorhersehbar — es wird eine klare Mehrheit für die Stadterneuerung geben.

Sonst freilich stellt sich die Alternative nicht so einfach dar, wie sie von Vereinfachern in Frageform gepreßt wurde: Supermärkte im niederösterreichischen Umland etwa lassen sich mit keiner Wiener Volksbefragung verhindern.

Im Gegensatz dazu ist die zweite Frage wohltuend konkret und ganz und gar nicht so theoretisch, wie dies die SPÖ mit dem Hinweis abzufangen versucht, daß durch den Geldmangel das Konferenz- zentrum bei der UNO-City jetzt ohnehin nicht gebaut werden wird. Vorläufig.

Aber in der Frage geht es darum, ob diese Pläne endgültig zu den Akten gelegt und dafür die Hofburg (und der Messepalast) ausgebaut werden soll. Dafür lohnt es sich schon, die ohnehin bescheidenen Möglichkeiten der direkten Demokratie zu mobilisieren.

Mit gespreizten „No-na“-Fra- gen wird aber das Instrumentari- um der Volksbefragung parteipolitisch und propagandistisch entwertet, mißbraucht.

Die Frage nach der Stadterneuerung in dieser Form ist bereits

ein Grenzfall. Er wird freilich von dem in den Schatten gestellt, was sich die Wiener SPG für eine Volksbefragung vom 9. bis zum 11. Dezember an Gemeinplätzen ein- falleh ließ.

Um eine von einer Bürgerinitiative durch mühsam gesammelte Unterschriften gegen die Verbauung der Steinhofgründe in Wien- Penzing angestrebte Volksbefragung zu unterlaufen, wurden von wenigen SP-Gemeindefunktio- nären hurtig Fragen verordnet, die in der Erkundigung gipfeln: „Sind Sie dafür, daß der Wohnbau ohne Gewinnstreben (sozialer Wohnbau)… eine vorrangige Aufgabe der Wiener Kommunalpolitik bleibt?“

Und die klare Frage der Bürgerinitiative („Sollen die Steinhofgründe verbaut werden?“) wird durch die SPÖ so kontrastiert: „Sind Sie für die Errichtung von 885 modernen und erschwinglichen Wohnungen in Wien-Penzing, wobei gleichzeitig mehr als 200.000 Quadratmeter Grünfläche, die bisher… nicht zugänglich war, öffentlicher Grünraum wer- . den soll?“

Eine Öffnung des Grünraums ohne Verbauung wird durch diese Fragestellung überhaupt nicht angesprochen.

Unausgesprochen bleibt ebenso, daß die auf den Steinhofgründen geplanten Wohnungen mit Mietkosten zwischen 60 und 70 Schilling je Quadratmeter (also rund 5000 Schilling Monatsmiete für eine 80-Quadratmeter-Woh- nung) mit sozialem Wohnbau nicht mehr das geringste zu tun haben.

Die Kernfrage, die sich hinter den Volksbefragungen zu Stadterneuerung, zum sozialen Wohnbau und zur Verbauung der Steinhofgründe verbirgt, ist eine nichtgestellte: Sind Sie dafür, daß überall dort Wohnungen hingebaut werden, wo die SPÖ Wählerstimmen braucht?

Denn überall dort, wo die Wiener SPÖ um Nasenlänge vor oder hinter der Opposition in der Wählergunst liėgt, werden „Sozialbauten“ hingeplant: Das gilt nicht nur für die Steinhofgründe, das trifft ebenso auf den Wiener Rosenhügel, die Skala-Gründe in Wien-Wieden oder die Böhm- Gründe in Wien-Neubau zu.

Und außerdem ist diese Form des sozialen Wohnbaus auch noch ein gutes Geschäft: Sozialistische Wohnbauvereinigungen, etwa die Gesiba, dürfen für ihre Dienste auch noch kassieren.

Um diese SPÖ-Pläne zu durchkreuzen, ist Erhard Busek für den Vorrang der Stadterneuerung. Um sie weiterverfolgen zu können, will sich die Wiener SPÖ die Bürgerzustimmung zum sozialen Wohnbau holen.

Gemeinplätze sollen das verschleiern. Doch werden kritische Wiener auch in „unsinnigen Fragen“ den wahren Sinn erkennen — und entsprechend abstimmen.

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