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Wien—Ost-West-Finanzdrehscheibe

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Das vergangene Jahrzehnt war für Österreichs Kreditwirtschaft durch einen großen Schritt zur In-ternationalisierung ihres Geschäftes gekennzeichnet 1970 machten die Auslandsaktiva noch 7 Prozent der zusammengefaßten Bilanzsumme aller österreichischen Kreditinstitute aus, zu Jahresende 198017 Prozent. Das Auslandsgeschäft nimmt sich zwar im Vergleich zu Schweizer und deutsehen Banken eher bescheiden aus, avancierte aber für die österreichischen Banken zum „Wachstumsmotor". Die größten österreichischen Banken etablierten Filialen oder Repräsentanzen in internationalen Finanzzentren.

Im Gegenzug verstärkte sich die Präsenz ausländischer Banken in Österreich und hier speziell in Wien, das als Informations- und Handelsdrehscheibe im Ost-West-Handel traditionelle Know-how-Vorteile hat Zuletzt waren in Wien über 60 ausländische Kreditinstitute durch eigene Tochtergesellschaften, Filialen, Kapitalbeteiligungen oder Repräsentanzen vertreten, unter ihnen die führenden Banken aus Ost und West.

In einer Länderübersicht, die Chancen und Risken für Investoren und Exporteure beurteilt, liegt Osterreich unter mehr als 50 Ländern an beachtlicher neunter Stelle, nur drei Plätze hinter der Schweiz. Trotzdem ist der Anteil von Geldanlagen ausländischer Privat- und Kommerzkunden in Österreich vergleichsweise gering. Österreich ist zwar kein internationales Finanzzentrum und verfügt auch über keine Welthandelswährung, bietet aber durch seine geographischen, wirtschaftlichen und politischen Vorteile einen zunehmend interessanter werdenden Bankplatz, der ausländische Interessenten durch seine stabilen Verhältnnisse sicher disponieren läßt '

Österreichs Verhältnis zur internationalen Staatengemeinschaft ist durch eine aktive, international anerkannte Neutralitätspolitik gekennzeichnet, eine Reihe wichtiger internationaler Organisationen hat Wien zu ihrem Amtssitz gemacht

Das österreichische Kreditwesen ist heute durch ein hohes Maß an Stabilität charakterisiert. Bei den großen Banken des Landes hat das Bewußtsein gesamtwirtschaftlicher Verantwortlichkeit Einfluß auf die Geschäftspolitik. Dies einerseits, weil einige mehrheitlich im Eigentum des Staates oder öffentlicher Institutionen stehen, andererseits, weil die anderen maßgeblichen Banken, wie etwa die Girozentrale und Bank der österreichischen Sparkassen AG als zweitgrößte Bank Österreichs, als Spitzeninstitute regional verzweigter Bankgruppen nicht nur sich selbst, sondern eben diesen großen Gruppen (Sektoren) verantwortlich sind.

Die jüngste Entwicklung des österreichischen Kreditapparates, der sich in letzter Zeit immer mehr als „Nährboden" für ausländische Finanzinstitutionen zu profilieren begann, ist vor allem durch die seit 1979 geltenden neuen Kreditwesengesetze hervorgerufene Geschäftsliberalisierung charakterisiert. Gleichzeitig wurde die Integration der heimischen Kreditwirtschaft mit all ihren Konsequenzen in die internationalen Finanzmärkte weiter vorangetrieben. Diese Integration drückt sich auch in der Geldpolitik der österreichischen Nationalbank aus, die sich unter der Rahmenbedingung eines de facto liberalen Devisenverkehrs an die Geldmarktzinsen der Bundesrepublik Deutschland (Österreichs größter Handelspartner!) orientiert.

Wie in allen entwickelten Staaten der westlichen Welt intensivierten sich auch in Osterreich grenzüberschreitende Direktinvestitionen, wobei sich im letzten Jahrzehnt eine Schwerpunktverschiebung der aus dem Ausland kommenden Investitionen vom Industriebereich in den Dienstleistungssektor vollzog. Dieser Auslandseinfluß in der österreichischen Wirtschaft, der mit etwa 13 Prozent anzusetzen ist hat aufgrund der Zunahme der internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen weiter steigende Tendenz.

Der Bankplatz Wien bietet aber vor allem auch hervorragendes Ost-West-Know-how. Diese Entwicklung geht in ihren Wurzeln in die Zeit zurück, als Wien Hauptstadt der österreichisch-ungarischen Monarchie war, deren Nachfolgestaaten heute einen nicht unwesentlichen Teil der Mitglieder des COMECON bilden. Für die Mehrzahl der in Wien repräsentierten ausländischen Banken liegt das Hauptmotiv ihres Kommens zweifellos auch darin. Als Folge realisieren internationale Großbanken einen Großteil ihres Ost-Geschäftes über ihren Wiener Stützpunkt.

Sowohl für die Kontakt- und Geschäftsanbahnung als auch für die Abwicklung von Projekten im Osten, einschließlich Finanzierung und Realisierung von Kompensationsgeschäften, sind in Wien SpezialUnternehmen tätig, unter ihnen die Vienna Commerz, eine Tochtergesellschaft der Girozentrale.

Zu den historisch gewachsenen Voraussetzungen für die „Vermittlerposition" zwischen Ost und West kommen aber noch eine Reihe weiterer Vorteile, die Wien als Ausgangspunkt für den Ost-West-Handel besonders geeignet erscheinen lassen. Neben den ausländischen Banken in Wien unterhalten hier zahlreiche Firmen aus westlichen und östlichen Staaten Niederlassungen. Derzeit schätzt man, daß in mehr als 3000 direkt und indirekt ausländisch beeinflußten Unternehmen etwa 480.000 Personen beschäftigt sind.

Organisationen wie das Donaueuropäische Institut, das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche oder das österreichische Ost- und Südeuropainstitut haben sich in Wien angesiedelt oder sind hier gegründet worden. Die Bundeshauptstadt ist auch Standort für internationale Konferenzen, Messen und Fachausstellungen.

Angesichts der in den letzten Monaten aufgetretenen bekannten Schwierigkeiten im COME-CON-Raum kam es naturgemäß zu einer verstärkten Diskussion über die weitere Zukunft des Ost-West-Handels. Wurde aber bereits bisher eine selektive Risikopolitik betrieben, so besteht auch nun keine Notwendigkeit einer radikalen Änderung der Geschäftspolitik. Im Interesse der österreichischen Exportwirtschaft wird es nämlich nach wie vor notwendig sein, projektbezogen und in vertretbarem Ausmaß Finanzierungen in diesen Wirtschaftsraum vorzunehmen. Wobei sicherlich auch bei der Bonität zwischen den verschiedenen Mitgliedern des COMECON unterschieden werden muß.

Wien kann und wird nicht in Konkurrenz zu Finanzmetropolen wie London, New York oder etwa Zürich treten, sondern hat die Chance eines eigenständigen Weges in Richtung zur Profilierung als internationale Drehscheibe auf bestimmten Gebieten. Bereits bisher wurde die Startchance genützt, ganz spezifische Schwerpunkte zu setzen und im internationalen Know-how-Austausch ein Zentrum zu werden. Ein derartiges Zentrum stellt sich als ideale Ergänzung zur internationalen Palette der Finanzplätze dar.

Der heimische Kreditapparat hat diese Entwicklung bereits vor Jahren erkannt und gezielt Anstrengungen in diese Richtung unternommen. So hat zum Beispiel die Girozentrale nicht nur ihr Angebot grenzüberschreitender Bankdienstleistungen wesentlich erweitert, sondern auch umfangreiche internationale Kontakte hergestellt. Sie ist Kooperationen und Beteiligungen eingegangen und hat schließlich mit der Eröffnung einer Filiale in London eine direkte Vertretung am bedeutendsten Bankplatz der Welt installiert. Zusätzlich wurde in Hongkong eine Repräsentanz eingerichtet. So ist es möglich, ein abgerundetes internationales Service-Paket anzubieten.

Dr. Ferdinand Bart! ist Mitarbeiter der Abteilung für Volkswirtschaft in der Girozentrale.

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