7025532-1989_10_10.jpg
Digital In Arbeit

Wiens Zukunft: Kontrastieren

Werbung
Werbung
Werbung

Großprojekte, wie die Ausrichtung einer Weltausstellung, die Neugestaltung des Wiener Gürtels, die Schaffung eines Zentralbahnhofes, die Bebauung der Wienerberggründe, die Verbauung des Nordbahnhofareals und die Rossauerkaserne werden das architektonische Geschehen der neunziger Jahre in Wien prägen.

Heftige Diskussionen um die Arbeitsweise eines installierten Fachbeirates für Architektur zur Hebung und Förderung einer all-

gemeinen Baukultur.und zur Begleitung von Großbauvorhaben kennzeichnen die Fachdebatte. Die Gefahr, daß diese Großaufgaben im Überhang von Organisation und Durchsetzungsfragen steckenbleiben und städtebauliche Aspekte und Architektur zu kurz kommen, ist groß.

In regelmäßigen Sequenzen, entweder von einer internationalen Architekten- und Kritikerszene getragen, oder von Baugroßereignissen wie der Internationalen Bauausstellung in Berlin (IBA) initiiert, installieren sich Architekturrichtungen, die mit Schlagworten wie „Postmoderne“, „klassische Moderne“, „De- konstruktivismus“, „Neue Sachlichkeit und Härte“ versehen werden. All diese Richtungen kennzeichnen eine unglaubliche Kürze der Entfaltung und Intensität und eine fieberhafte Betriebsamkeit in den europäischen Fachzeitschriften. Dies alles steht in keiner Relation zum normalen Bauzyklus einer Bauwerksgeneration, geschweige denn zu einer weiterführenden Nachhaltigkeit.

Der „Postmodernismus“ als Reaktion auf die gesichtslosen Fertigteilbauten der sechziger Jahre ist in seiner Grundhaltung eine Rückwärtsschau auf das 19. Jahrhundert, vertritt eine sehr historisierende Architekturhaltung und setzt ungezügelt Architekturzitate aus der Baugeschichte in der Bauwerkgestaltung ein.

Der Architekturauffassung im weiteren Sinne einer,.klassischen Moderne“ sind in Wien viele engagierte Architekten der mittleren Generation verpflichtet. Alle vereint die Ablehnung eines unreflektierten Ubernehmens von Architekturmoden, gesucht wird eine Regelhaftigkeit im Sinne der Baukunst; Bauen als Baugesinnung entspricht einer ethischen Haltung. Die Architekturarbeit erfolgt unter ständiger Kontrolle der Eigengesetzlichkeiten und der Spezifika der Stadt Wien.

Der Unterschied zu früheren Architektengenerationen liegt in einer sensibleren Hinterfragung der Architekturaufgaben; ein kontextuelles Denken, das Ursache und Wirkung auf den umgebenden Planungsraum untersucht und einarbeitet, ist wesentlich für die Bewältigung städtebaulicher Fragen.

In jüngerer Zeit werden architektonische Theorien, die die Widersprüchlichkeit, die Heterogenität, die Stadtrandproblematik, die Monotonie der Stadt zu ästhetischen Kategorien erheben, wirksam. Nicht mehr das Fügen, Ergänzen, das zu einer Einheit der Stadt führen soll, wird als wesentlich angesehen, sondern das Kontrastieren einzelner städtebaulicher Themen; das Collagenhafte wird herausgearbeitet.

Als Ausblick kann gesagt werden, daß in Zukunft Architekturumsetzungen schärfer formuliert werden, auf das Wesentliche der Aufgabenstellung reduziert. Themata wie klargezeichnete Bauvolumina sind wesentlich, Materialien wie Beton, Glas, Blech werden bewußt als architektonische Mittel eingesetzt. Beim Städtebau ist immer mehr die Erarbeitung einer theoretischen Leitidee als Fundament für die Lösungsfindung maßgeblich.

Inwieweit die oben skizzierte Entwicklung im Dickicht der Interessen der Stadtverantwortlichen, der Bauträger, der Gestaltungslobbys für die gestellten Großaufgaben der neunziger Jahre zum Tragen kommt, bleibt abzuwarten.

Der Autor ist freischaffender Architekt in Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung