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Wieso Doppelstrategie?

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Was soll das? „Koren: Kirche im Verdacht der Doppelstrategie”, „Kirche im innenpoütischen Schußfeld - Kritik der ÖVP verschärft sich”, „Kardinal weist ÖVP zurück: Kirche frei von Parteipolitik”. Nur ein paar der Schlagzeilen, die in diesen Tagen wesentlich knalligerwirkten, als es die richtigstellenden und beruhigenden Erklärungen des Kardinals wie des ÖVP-Obmanns tun konnten. Was ist los, daß plötzlich Töne „gespuckt” werden, wie sie in dieser Form noch nie zu hören waren? Die umfangreichen Berichte und Kommentare der Zeitungen geben nur ein unvollständiges und daher verzerrtes Bild wieder. Was ist geschehen?

Unmittelbar vor der letzten Sitzung des Unterausschusses für die Behandlung des Volksbegehrens erschien das Präsidium der Aktion Leben bei ÖVP-Sprecher Hauser, um nochmals eine eindeutige Haltung der großen Oppositionspartei zum Schutz des ungeborenen Lebens zu urgieren - ein Vorgang, wie er im parlamentarischen Leben selbstverständlich ist. Fast gleichzeitig aber besuchte der Leiter der Katholischen Sozialakademie Österreichs, P. Herwig Büchele, den sozialistischen Klubobmann Fischer, um ihm zu erklären, die Kirche wolle keinen Konflikt - nur die Fristenlösung stehe diesem Bemühen um Frieden entgegen. Fischer hörte nur den ersten Teil des Satzes (vielleicht war der zweite zuwenig deutlich ausgedrückt worden?), versicherte sich mit einem Rückruf beim Chefredakteur der Kathpress, Dr. Barta, von seiner Richtigkeit. No na - wer wollte das Gegenteil behaupten?

Darauf wandte sich Fischer an Koren mit dem Hinweis auf Bücheies Besuch und seine „Bestätigung” bei offiziöser kirchlicher Stelle und schlug vor, im Sinn dieses Gesprächs einen gemeinsamen Ausschußbericht vorzulegen. Was Koren verständlicherweise in Erstaunen versetzen mußte, da doch gerade erst die Sprecher der Aktion Leben für Härte plädiert hatten.

Auf Körens Rückfrage in der Roten- turmstraße und weiterlaufenden Interventionen stellte schließlich Büchele in einem Brief an Koren eindeutig fest, daß in seinem Gespräch mit Fischer von einem gemeinsamen Ausschußbericht keine Rede gewesen sei. Dieser Brief aber kam auf Körens Schreibtisch gleichzeitig mit der jüngsten Aussendung der Katholischen Sozialakademie, in der behauptet wurde, die Regierungspartei sei augenscheinlich darum bemüht, einen einvemehmlichen Bericht zustandezubringen und die ÖVP gerate dabei in die Klemme, da ihr kein geschäftsordnungsgemäßes Mittel zur Verfügung stehe, den Gesetzentwurf der Aktion Leben ins Spiel zu bringen. Diese Information war von Bücheies Mitarbei- terDr. Etz in die Aussendung gebracht worden, wohl auf Grund von Recherchen im Parlament, aber offenbar ohne Rücksprache mit seinem Chef, der damit erneut ins Kreuzfeuer geraten war. Wen wunderts, daß Klubobmann Koren darob „Doppelstrategie” witterte? Seine Verstimmung war verständlich.

Soweit der Ablauf der „Ereignisse”, die so recht einen Modellfall bieten für die in Österreich so gerne geübte Unsitte, mit halben Andeutungen und leisen Anspielungen zu agieren, aus denen sich der Gesprächspartner genau das aussuchen kann, was ihm in den Kram paßt, statt „Tachles”, auf norddeutsch: Klartext, zu reden und damit klare Verhältnisse zu schaffen.

Da geht der Jesuitenpater (der im übrigen, das sei betont, immer wieder gerade im Gespräch mit sozialistischen Gesprächspartnern seine Abslehnung der Fristenlösung hervorge- hoben hat) als Privatmann, aber doch mit dem Nimbus des Leiters einer kirchlichen Institution, zum sozialisti- schen Klubmann, ohne Auftrag, wird dort aber trotzdem gerne empfangen. Da wird aus seinen Versicherungen gerade jener Satz eliminiert, der die Voraussetzung fur die Feststellung des ersten Satzes gewesen wärè. Diese unvollständige Feststellung wird durch einen Kontrollanruf mit vor- ausberechenbarer Antwort „offiziös” eingesegnet, um damit dann massiv Politik betreiben zu können. Wer spricht hier von Falschspiel?

Die (vielleicht ebenfalls vorausbe- rechnete?) Reaktion der OVP-Manda- tare war - nach dem ersten Augen- schein - verständlich. Trotzdem hätte man auch unter ihnen etwas in der Er- innerung nachblättern sollen. Etwa bis zu jener Predigt des Kardinals in der Stadthalle und bis zu den steinernen Gesichtern der Regierungsmitglieder, denen er klarmachte, wo die Bereit- schaft zum Konsens ihr Ende haben wiirde. Oder an jene zahlreichen wei- teren Erklärungen der Bischofskonfe- renz bis in die letzte Vergangenheit, die an der Haltung der Kirche in dieser Frage keine Zweifel ließ.

Man hätte sich auch erinnern sollen, daß das Wort von der Aquidistanz nie auf seiten der Kirchensprecher gefal- len ist, daß diese aber auch nie einen Zweifel daran gelassen haben, daß die Seelsorge fiir alle dazusein hat, welche Partei immer šie bei den Wahlen be- vorzugen. Und daß die Führung einer Institution, wie es die Kirche ist, eben notwendigerweise zur Regelung ihrer Angelegenheiten mit der Regierung sprechen muß, von welcher Partei immer diese gebildet wird. Daß schließlich die Vertretung solcher grundsätzlichen Anliegen, wie es der Schutz des ungeborenenLebens ist, zu den ureigensten Aufgaben einer Partei zählen sollte, die sich auf christliche Wurzeln zuriickfuhrt, auch wenn die Kiręhę nicht urjpeit, ist in diesęn Sei- . ten schon mehrfach betont worden.

Josėf Taus hat am Freitag das rich- tige Wort dazu gefunden: Es gibt kei- nen Konflikt zwischen Kirche und Volkspartei. Das sollte auch das Schlußwort zu diesem „Fall” sein, der keine „Strategien” bloßlegte, sondem nur einen riesigen Pallawatsch.

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