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Wieviel Tourismus ?

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Ein ganz klares und eindeutiges „Ja” zum Tourismus braucht hier nicht des langen und breiten begründet und untermauert werden. Das ist für mich selbstverständlich. Die Frage ist aber: „Wieviel Tourismus?” Mich beschäftigt diese Frage aus Sorge für den Menschen und zwar für den ganzen Menschen.

Hand aufs Herz: Wenn wir von Tourismus reden, dann meinen wir zu 95 Prozent nur die wirtschaftliche Seite des Tourismus, immer nur die „Tourismuswirtschaft”. Hier erübrigt sich die Frage, „Wieviel Tourismus können wir verkraften?” Je mehr Gäste, je mehr Bettenauslastung, umso besser.

Aber gerade im Tourismus haben wir es immer und überall mit Menschen zu tun. Die Hoteliers, Pensionsinhaber, Privatzimmervermieter, Tourismusmanager usw. sind Menschen; die Gäste sind Menschen und die Mitarbeiter in allen Betrieben sind Menschen.

Ohne Wirtschaftsfachmann zu sein, ist mir klar, daß die wirtschaftliche Seite stimmen muß, sonst ist die viele Arbeit eine riesige Selbsttäuschung und zudem ein großer Verlust Wenn aber das kulturell — geistig — religiöse Bein fehlt, dann werden die Menschen, die im Tourismus die Gestalter sind, einseitig, kalt, berechnend, geistig eng und oft herzlos. Das Leistungsprinzip der freien

Marktwirtschaft wird bis zum Extrem getrieben und überdreht.

Christliches Gedankengut, religiöse Prinzipien und eine echte Verbundenheit mit Gott werden allmählich verdünnt und dann vergessen. Der Tourismus in einem Ort wird sosehr Selbstzweck, daß die Gäste oft nicht mehr spüren, daß sie Gäste sind. Es muß klar gesagt werden, daß die Form von Massentourismus ohne großen Schaden für viele davon betroffene Menschen nicht mehr verkraftet werden. Außerdem wird der Tourismus selbst gefährdet: Qualität wird der Quantität geopfert.

Die andere Schranke, die dem Tourismus gesetzt ist, sind die Bedürfnisse der Familie. Der Tourismus wird ja von den Gemeinden und den Fremdenverkehrsverbänden deswegen intensiviert, damit es den Menschen des betreffenden Ortes besser geht. In gewerblichen Betrieben wird es, um die Existenzsicherung gehen. Aber Vergrößerungen der Betriebe sind noch lange nicht immer Verbesserungen.

Bei den nichtgewerblichen Zimmervermietungen — wo es also um oft notwendiges Nebeneinkommen geht - wird sich die Frage stellen: kann ein höherer materieller Lebensstandard aufwiegen, daß Kinder mehrere Monate hindurch keine Stube haben? Wo ist die Mutter einfach an der Grenze ihrer Kräfte angelangt, sodaß sie gar nicht mehr imstande ist, über die notwendigsten Dinge mit ihren kleineren und größeren Kindern zu reden?

Warum sind die Gäste zwar ins Haus eingezogen, aber ein gefestigtes und vernünftiges Gebetsund Glaubensleben ist ausgezogen? Untersuchungen - über den Einfluß des Tourismus haben deutlich gezeigt, daß er sehr wohl positiv wie auch negativ ist und daß das Ausmaß dieses Einflusses am deutlichsten in den Familien spürbar wird.

Kluge Eltern werden wissen, daß sie ihren Kindern nicht damit am meisten Gutes tun, wenn sie ihnen eine möglichst große materielle Mitgift - ein Haus beispielsweise — erarbeiten.

Die Fähigkeiten verschiedener Menschen liegen auf verschiedenen Ebenen und sind verschieden groß. Was die einen gut zustande bringen, übersteigt bei den anderen bereits weit ihre Kräfte. Wir müssen also sagen: Dort ist dem Ausmaß des Tourismus eine Grenze gesetzt, wo für die gute und gesunde Entwicklung der Familie Schaden entstehen kann.

Der Autor ist Geistlicher Assistent des Tourismusreferates der Diözese Innsbruck und Pfarrer von Sölden/Otztal.

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