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WievielZeitung braucht der Katholik?

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Über das bevorstehende Ende der katholischen Presse wurde eitrigst, aber fast immer resignierend diskutiert. Auch eines Tagungsthemas erinnere ich mich, das da lautete: „Ist die katholische Presse reformbedürftig oder überflüssig?“ Gut, gerne und oft wird anderseits in Österreich über ein katholisches Medienkonzept beraten. Allein diese Tatsache läßt mich Resignation und Raunzen, läßt mich die düsteren Propheten vergessen. Beweist dies doch, man denkt an die Zukunft, man glaubt an die Zukunft.

Doch nicht nur im Beraten und im noch immer nicht zur Reife gediehenen Planen ist die geäußerte Zuversicht begründet. Das Jahr 1976 markiert einen deutlichen Wendepunkt. Die umfassende und nicht sogenannte Rettung der FURCHE zeigt Problembewußtsein und Aktionsbereitschaft. Ich sage das mit dem Blick auf eine sich deutlich herausbildende Konzeption.

Skeptiker stellen auch heute noch die Frage, ob denn der kleine Markt Österreich zwei katholischen Wochenzeitungen einen genügend großen Lebensraum geben könnte. Eine an und für sich berechtigte Frage, sicherlich aber nicht die einzige, die gestellt werden darf. Österreich hat etwa 1,7 Millionen sonntägliche Kirchenbesucher, über 900.000 Menschen haben das Volksbegehren zum Schutze des werdenden Lebens unterschrieben. Die Auflagen von PRÄSENT und FURCHE zusammen erreichen nur einen ganz bescheidenen Anteil davon. Ich glaube nicht an eine erreichbare Massenauflage. Aber eine wesentliche Verbesserung in den Reichweiten kann erzielt werden. Beide Blätter werden durch Leistung und Qualität aber auf der Landkarte genügend große blinde „Flecke“ als möglichen Markt Zu sehen und zu umwerben ha- ■ ben.

Ich stimme auch der Meinung zu, daß heute eine Zeitung nicht aus bloßem „katholischem Pflichtgefühl“ gekauftwird. Als Almosenblättchen aber sind diese beiden Wochenzeitungen gar nicht angelegt. Solches hieße ihre journalistische Leistung unzulässig herabmindern. Aber der Katholizismus muß sie wiederum als unverzichtbare Artikulationsinstrumente annehmen, integrieren und als verpflichtende, sehr reale Aktionsmöglichkeit seines Wirkens ins Programm nehmen.

Übersehen wir nicht, welchen Verlust eine solche Presse im Hinblick auch auf die Identifikationsmöglichkeit des einzelnen Christen bedeuten würde. Man muß die tieferen Ursachen des Desinteresses an der Gesinnungspresse einmal ausdiskutieren. Sind es nicht gerade die Identitätskrisen und Unsicherheiten des Christen von heute, die da entscheidend mitspielen? Ist es nicht der Mangel an bewußter und bindender Verfaßtheit des Katholizismus, der seine Presse verkümmern ließ? Nochmals: Die Frage nach dem Markt ist bei den heute ge- gegebenen Auflagen eine Frage des Fastresignierens. Vorrangig muß das Problem erscheinen, was muß im Dienste der Kirche - aller Katholiken des Landes - an Meinungsbildung an- geboten werden? Wieviel Zeitung braucht der Katholik in den religiösen, geistigen, politischen Auseinandersetzungen unserer Tage? Das wirtschaftliche Risiko, das unternehmerische Wirken des katholischen Verlegers bestimmt sich eben nicht nur aus ökonomischer Sicht.

Die Existenz von PRÄSENT und FURCHE muß daher riskiert werden, zumal sich auch konzeptiv das ergänzende Nebeneinander abzeichnet. Die

FURCHE ist aus ihrer Tradition und Idee ein Blatt von hohem intellektuellem Anspruch. PRÄSENT aber will und kann breiter in die Öffentlichkeit hineinwirken und wird so christlicher Lebensgestaltung und geistiger Bedarfsweckung dienen. Diese notwendige Differenzierung ist zu begreifen und von den Gestaltern der beiden Blätter kooperativ- durchzuziehen.

Zusammen mit den Kirchenblättern, deren Reichweite bei fast einer halben Million Lesern liegt, zusammen mit den im katholischen Besitz befindlichen regionalen Tages- und Wochenzeitungen ergibt sich der Ansatz und die Chance zu einer sinnvollen Konzeption in der Abdeckung des öffentlichen Auftretens der Katholiken durch ihre Presse.

Freilich wird solches nur voll zu entwickeln sein, wenn die nicht auf die Hierarchie eingeengte Kirche, sondern das gesamte „Volk Gottes“ sich deutlicher strukturiert und aktiviert. Die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den Parteien und der Kirche machen diese Notwendigkeit deutlich. Nicht sie haben allein ihr Verhältnis zur Kirche zu bestimmen und zu gewichten, die Kirche muß dies selbst tun, sie muß es ebenso kompetent wie unmißverständlich bestimmen. Private Standortbestimmungen einzelner noch so bekannter Exponenten können nicht genügen.

Somit kann der gefundene Weg, eine eigenständige Presse zu garantieren, auch zur Herausforderung werden, den Katholizismus Österreichs bei aller Offenheit bewußter, ja selbstbewußter, deutlicher und wirksamer zu verfassen. Katholische Presse darf nicht als irgendein Verlagsgeschäft aufgefaßt werden, als ein Angebot des allgemeinen Medienmarktes, sondern als ureigenstes Instrumentarium zu Standpunktklärung und Wirksamkeit.

Machen wir uns von dem Trauma frei, daß solches Verengung und Uniformierung bedeutet. Verstehen wir wiederum uneingeschränkt und aktiv den Auftrag des Christlichen in unseren Tagen, da die Grundrechte des Menschen durch den Verlust an Grundwerten bedroht sind, dem gegebenen Bedarf an christlicher Wahrheit zu entsprechen. Beides, ein zur Wirksamkeit verfaßter Katholizismus und eine genuin katholische Presse, werden es mit sich bringen, daß das Christliche nicht nur nach Gefälligkeit und Parteientaktik gelegentlich respektiert wird, sondern daß es wieder respektabel wird.

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