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Winter zwischen den Konfessionen

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In Rumänien ist politisch und kirchlich noch vieles ungeklärt. Viele schwanken zwischen Angst vor der schlauer gewordenen Securitate und Hoffen auf einen Militärputsch.

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In Rumänien ist politisch und kirchlich noch vieles ungeklärt. Viele schwanken zwischen Angst vor der schlauer gewordenen Securitate und Hoffen auf einen Militärputsch.

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Im Winter 1990/91 leben die Rumänen schlechter als im Winter der Revolution 1989/90. Denn diese Revolution war in den Augen der Bevölkerung ohnehin nur ein Putsch von Ion Iliescu. Spätestens mit der Wiedereinsetzung des zurückgetre-tenen orthodoxen Patriarchen Teoctist im April 1990, dessen geistliche Autorität durch allzu gute Zusammenarbeit mit dem Regime Ceausescu kompromittiert war, wurde auch für den Normalbürger offenkundig, daß sich sobald nichts bessern würde, politisch, wirtschaftlich, moralisch. Alle Welt ist davon überzeugt, daß die Securitate nicht aufgelöst, sondern nur schlauer geworden ist: Es gibt heute noch Ordensleute, die ihren Namen der Öffentlichkeit nicht preisgeben, aus Angst vor erneuter Verfolgung. Mehr als alles andere hoffen die Menschen jetzt auf einen Militärputsch, der gerechte Wahlen garantieren könnte.

Unter diesen Bedingungen ist die Lage der Kirchen sehr paradox. Oppositionelle Gruppen, wie die für den „Sozialen Dialog” oder für die „ Reflexion über die Erneuerung der Kirche”, kommen zwar aus der orthodoxen Kirche, können aber kaum das Vertrauen der anderen Konfessionen gewinnen. Römischkatholische Orden hatten in Zeiten der Verfolgung bei Orthodoxen Schutz und Hilfe gefunden, etwa durch Arbeitsverträge. Trotzdem hat für die Kirchen die Revolution nicht stattgefunden. Das Mißtrauen gegen die Orthodoxie ist größer denn je.

Am 1. Dezember 1990 ließen Ilies • cu und Regierungschef Petre Roman die nationale Einheit in Alba Julia feiern. 40.000 Polizisten waren zum Ordnungsdienst und als jubelnde Zivilisten heibeigeschafft worden. Während der Patriarch Teoctist das Te Deum anstimmte, blieben die Vertreter der römischen Katholiken, die Ungarn wie die Rumänen, und vor allem die griechisch-katholische Kirche fern. Andererseits wird den griechischkatholischen Rumänen allzu enge Freundschaft mit der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen vorgeworfen. Das aber hindert sie nicht, ihre besondere Rolle bei der Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien hervorzuheben. Denn nach Ansicht von Tertullian Langa, Generalvikar der griechisch-katholischen Diözese in Cluj, war die politische Einigung „die unmittelbare Folge der Glaubensunion der Rumänen mit Rom”. Die kulturelle Emanzipation, die nationale Einheit der Rumänen und der Kampf gegen den Kommunismus gehören für ihn zusammen, wie er kürzlich gegenüber der Presse erklärte.

Im Schatten solcher hohen Ideale stehen die praktischen Probleme des kirchlichen Lebens. Der Metropolit der griechisch-katholischen Kirche, Alexandru Todea in Blaj, muß dreihundert Seminaristen in drei Seminaren (Blaj, Cluj und

Oradea) unterbringen und auch die Professorenschaft dafür rekrutieren. Er selbst wird mit 78 Jahren die Professur für dogmatische Theologie übernehmen müssen. Die Katholiken können beim Aufbau der Seminare, bei der Pastoralarbeit, der Herstellung von Büchern und so weiter auf Hilfswerke der katholischen Kirche wie Kirche in Not/Ostpriesterhilfe rechnen, das auch schon beim Aufbau einer christlichen Druckerei in Alba Julia geholfen hat.

Die wichtigste Auseinandersetzung aber wird zwischen der griechisch-katholischen und der orthodoxen Kirche um die Kirchengüter zu führen sein. Todea fordert 72 (von zweitausend) Kirchen zurück. Und dies ist nicht ein Kampf um Immobilien, sondern um die Gemeinden selbst, wie ein Sprecher der Orthodoxen, Ion Sauca, hervorgehoben hat. Seiner Auffassung nach befinden sich die kirchlichen Güter im Besitz der jeweiligen Gemeinden, und die sind seit der Zwangsauflösung der Unierten Kirche im Jahre 1948 nun einmal orthodox. Die ursprüngliche Einheit des Ritus reicht nicht mehr für eine gemeinsame Nutzung der Kultstätten.

Todea fordert „restitutio in integrum”, das heißt die juristische Anerkennung des Enteignungsaktes, womit der Staat zum Handeln aufgefordert ist. Dieser müßte nach Todeas Rechtsauffassung die Güter uneingeschränkt zurückgeben, und erst dann könnte seine Kirche mit der pastoralen Arbeit beginnen. Während die orthodoxe Seite befürchtet, daß dann sehr viele Gemeinden zur Union zurückfänden, müssen die Unierten gerade fürchten, daß es nicht genügend sein könnten, waren sie doch rund 40 Jahre lang verboten. Geheime Gottesdienste in privaten Zimmern, immer unter den Augen der allgegenwärtigen Securitate, waren bis 1989 der Regelfall. Der erst kürzlich in Bukarest eingeführte Nuntius des Vatikans, der Slowake John Bukowski, soll bereits Zusagen seitens Iliescus erhalten haben, aber das wäre nicht das erste Mal, und so wartet man auf die Erfüllung seines Versprechens.

Es sind die Katholiken, die den Witz erzählen, der Präsident habe gesagt: „Ich heiße Ion Iliescu, nicht Jos Iliescu!”. Der Ruf „Jos Iliescu!” (Nieder mit Iliescu!) ist auch ein Einfordern der Früchte der Revolution. Sogar Laszlo Tökes, der calvinistische Bischof, der damals die Proteste ausgelöst hatte, muß sich jetzt gegen Anfeindungen wehren.

Unterdessen hat Ioan Robu, der lateinische Bischof von Bukarest, gehandelt. Er hat den Unierten ein Kirchlein auf einem Grundbesitz seiner Diözese, das aber jahrzehntelang von den Orthodoxen benutzt worden war, zugewiesen, da es seit ein paar Monaten leer stand (dieses Grundstück war, mit dem ganzen umliegenden Viertel, zum Abriß für Ceausescus Paläste bestimmt). „Es hat dem Herrn gefallen”, meint Augustin Ciungan, der Pfarrer, „daß Ceausescu vorher fiel.”

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