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WIR BRAUCHEN FREIE HÄNDE

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„Jossas na, a Pinguin!” „Klosterfrau-Melissengeist! ” „Gelobt sei Jesus Christus!” „Na, Schwesterlein!” „Mutti, schau, was ist denn das?”

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„Jossas na, a Pinguin!” „Klosterfrau-Melissengeist! ” „Gelobt sei Jesus Christus!” „Na, Schwesterlein!” „Mutti, schau, was ist denn das?”

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Die Wiener haben ihre eigenen Begegnungsformeln für Klosterfrauen, denn so und noch viel variantenreicher bin ich schon begrüßt worden von lautstarken Fußgängern, spielenden Kindern, von spöttisch-unsicheren Jugendlichen, vom Herrn Hofrat im Ministerium und von einem Kind, das mich in der Straßenbahn vor sich entdeckt hat.

Die Kinderfrage könnte symbolisch sein. „Was ist denn das?” In den Augen mancher Menschen sind wir Ordensfrauen ein Was, ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, ein Objekt, das heute schon wieder brauchbar wird in der Werbung. Klosterfrauen sind etwas so Ausgefallenes, daß man sie einsetzen kann als Sujet, mit dem Aufmerksamkeit zu gewinnen ist für Urlaubsorte und Teigwarensorten.

Freilich, jenseits von Werbe-wunschträumen, am Krankenbett spät in der Nacht, oder früh am Morgen, vor allen Öffnungszeiten städtischer Kindergärten, da braucht man die Schwester- braucht die Schwester im Dienst mehr als die Ordensfrau in ihrem Lebenszeugnis. So scheint es zumindest - und in der Spannung zwischen den beiden Begriffen liegt für uns eine große Herausforderung.

Wir sind Christen, Frauen, die sich auf die Nähe und das Wort Jesu eingelassen und seine Einladung zur Nachfolge gehört haben.

Der Ruf ist evangelisch einfach. Die Formen der Nachfolge sind so . vielfältig wie das Leben selbst. Wir Frauen in einem „durch die Profeß derevangelischen Räte geweihten Leben”, wie uns das Kirchenrecht beschreibt (can 573 1) dürfen unsere Hingabe an Christus in einer zur christlichen Ehe komplementären Weise verwirklichen. Von der Liebe Christi gedrängt und ermächtigt, wählen wir freiwillig ein Leben in Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam und stellen uns als Frauen der Kirche ganz dem Dienst an den Menschen zur Verfügung.

Für einige wenige bedeutet dies, daß sie als Eremitinnen durch „strengere Trennung von der Welt, in der Stille der Einsamkeit, durch ständiges Beten und Büßen ihr Leben dem Lob Gottes und dem Heil der Welt weihen” (can 603 1).

Selten verstanden

Andere mühen sich in kleinen Gemeinschaften um ein rein beschauliches Leben, das heißt, „die Meditation, das innere Gebet ist ihre erste Aufgabe, der sich alle anderen Elemente ihres Lebens unterordnen.

Einsamkeit, Schweigen und Lebensstrenge sind die Mittel zu einem steten Leben in der Gegenwart des lebendigen Gottes” (Informationsblatt der Unbeschuhten Karmelitinnen).

Oft mißverstanden, oft bewundert, selten verstanden, stehen in Österreich derzeit rund 500 Frauen in diesem Dienst des Gebetes und der Stellvertretung, deren Bedeutung uns allen wohl erst in einem viel größeren Zusammenhang aufleuchten wird.

Am anderen Ende des Spektrums der vielfältigen Formen gemeinsamen geistlichen Lebens sind die Säkularinstitute und die Gesellschaften des apostolischen Lebens zu nennen. Sie sind eine typische Antwort unseres Jahrhunderts auf die Not der Gottlosigkeit. Die Mitglieder dieser Institute sind nach außen hin anonym, sie tragen keine Tracht und bleiben meist in dem von ihnen gewählten Beruf, oft auch in ihrer eigenen Wohnung. „In Verantwortung versuchen sie die Botschaft des Evangeliums mit ihren Konsequenzen in den verschiedenen Berufen, Bevölkerungsschichten, gesellschaftlichen Strukturen und Situationen durch ihr Leben und ihren Einsatz zu verkünden” (Informationsblatt „Gemeinschaft unserer Lieben Frau vom Wege”). Frauen, die eine solche Form der Nachfolge wählen, leben eine eigene Weise der Verborgenheit: unerkannt mitten in der Welt - eine Daseinsform, die Jesus selbst viele Jahre für sich gewählt hat.

Unser Dienst ist gefragt

Die Zeit des öffentlichen Wirkens Jesu spiegelt sich dagegen mehr in der Lebensform der traditionellen Orden und Kongregationen, die apostolisch aktiv als Gemeinschaften verschiedene Aufgaben übernehmen. Als

Schulschwester gehöre ich selbst zu dieser Gruppe. Wir arbeiten in Krankenhäusern und Schulen, in Altenheimen und Kindergärten, stehen im caritativ sozialen Dienst oder in der Pastoral. Unsere Einrichtungen sind oft sehr geschätzt, die Wartelisten für einen Schul-oder Heimplatz sind lang. Unser Dienst ist gefragt. Zugespitzt könnte ich sagen: Jeder will Schwestern haben - aber keine will Schwester werden!

Unsere Mitgliederzahlen sind rückläufig - in Österreich wie in der gesamten westlichen Welt. Im Zeitraum 1988-1991 ist die Zahl der apostolisch-aktiven Ordensfrauen um 9,5 Prozent gesunken. Während sich im Jahr 1991 bei einer Gesamtzahl von 120 verschiedenen Gemeinschaften 82 Schwestern auf die erste Profeß vorbereiteten, starben im selben Zeitraum 280 Mitschwestern. Mit menschlicher Logik kann man ausrechnen, wie lange Gemeinschaften bestehen, wenn auf einen Eintritt drei Todesfälle kommen. Aber die menschliche Logik ist kein göttlicher Maßstab.

Unsere wichtigste Frage ist nicht, wie wir Mitglieder werben können. Unsere Häuser und Einrichtungen sind Werkzeug Gottes, sind seine Sache. Wir dürfen sie nicht festhalten, wir brauchen freie Hände: die eine, um den Menschen Halt anzubieten, die andere, um auf den Herrn zu verweisen. „Marianisch” könnte man diese Haltung auch nennen.

Er hat nicht gewußt, was er sagt, der kleine Knirps, der auch auf der Straße an mir vorbeimarschiert ist und hinausposaunt hat: „Mama, schau, die heilige Maria!” Er hat mir viel zu denken gegeben.

Sr. Dr. Beatrix Mayrhofer leitet das Privatgymnasium der Kongregation der Armen Schulschwestern von Unserer lieben Frau in Wien (Friesgasse).

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