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„Wir geben den Palästinensern Autonomie"
FURCHE: Wie, glauben Sie, wird sich das Zusammenleben zwischen Juden und Palästinensern in Israel weiterhin gestalten?
MOSCHE KATSAV: Wir unterstützen die Forderung eines palästinensischen Staates in Jordanien, Samaria und an der Westbank nicht, denn ein solcher Staat würde die Zerstörung Israels bedeuten. Das palästinensische Heimatland ist die Ostbank des Jordans, wo 80 Prozent der Bevölkerung Palästinenser sind. Dort könnte ein eigener palästinensischer Staat geschaffen werden. Die Palästinenser verteilen sich auf drei Gebiete. Ein Teil lebt unter israelischer Jurisdiktion mit den gleichen Rechten wie alle israelischen Staatsbürger. Die andere Gruppe verfügt über eine volle Autonomie im Westjordanland und Samaria. Die dritte Gruppierung befindet sich in Jordanien mit dem Recht zur Selbstbestimmung und Souveränität. Die Palästinenser können also wählen, ob sie unter israelischer Jurisdiktion mit vollen Rechten, unter der Autonomie im Westjordanland und Samaria oder unter palästinensischer Souveränität in Jordanien leben wollen. Der Frieden zwischen Israel und den Arabern muß Schritt für Schritt gefunden werden. Der erste Schritt ist volle Autonomie für fünf Jahre. Die Kurden zum Beispiel wollen in ihrem Kampf auch nichts anderes als Autonomie von den Irakis. Wir sind bereit, den Palästinensern ohne Krieg volle Autonomie zu gewähren, doch sie weisen unsere Vorschläge zurück. Wenn sie dies als Grundprinzip annehmen würden, befänden wir uns auf dem richtigen Weg, zum Frieden.
FURCHE: Was halten Sie von einer internationalen Mittelostkonferenz?
KATSAV: Wir lehnen eine solche Konferenz ab. Es war sehr schwierig, den Friedensprozeß in Camp David zu erreichen. Er war aber nur möglich, weil wir mit Ägypten geheime Verhandlungen führen konnten; nicht internationale Gespräche, vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Ich bin der Ansicht, daß wir durch eine internationale Konferenz nie zu einem Frieden mit Ägypten gekommen wären. Denn bei einer internationalen Konferenz würden alle arabischen Teilnehmer versuchen, noch extremer als ihre Nachbarn zu erscheinen. Und gemäßigten Stimmen fiele es in so einer Atmosphäre schwer, ihre Stellung zu halten.
Außerdem ist Israel auch sehr isoliert. Es würde allein ungefähr zwanzig arabischen Ländern gegenüberstehen, die von der Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien unterstützt werden. Nur die Vereinigten Staaten würden versuchen, objektiv zu sein und Israel zu unterstützen. Ich halte den direkten Dialog zwischen Israel und den einzelnen arabischen Ländern für den besten Friedensweg.
FURCHE: Hat sich Ihrer Ansicht nach durch den Golfkrieg etwas Grundlegendes an den Nahost-Konflikten verändert?
KATSAV: Zunächst muß man feststellen, daß dieser Golfkrieg nichts mit den Spannungen zwischen Israelis und den Palästinensern zu tun hatte. Es gibt keinen Zusammenhang
zwischen dem Einmarsch in Kuweit von Saddam Hussein und dem israelisch-arabischen Konflikt. Durch den Krieg hat sich das wahrhafte Gesicht der PLO offenbart. Wir müssen unsere Hauptbemühungen auf zwei parallele Dialoge konzentrieren: Israel mit den Palästinensern und Israel mit den arabischen Staaten.
FURCHE: Sind Sie auf die große Zahl von Einwanderern aus der Sowjetunion und Osteuropa vorbereitet? In den letzten Monaten waren es ja mehr als 200.000.
KATSAV: Es ist die große nationale Herausforderung dieses Jahrzehnts und wir müssen ihr gerecht werden. Wir haben viele Probleme: Ungenügende Unterkünfte, zu wenig Arbeitsplätze, es herrscht eine Arbeitslosigkeit von 9,5 Prozent in Israel. Aber wir haben nur ein Land auf derWelt. Für die Juden gibt es nur Israel. Wir werden alle Juden auf der ganzen Welt aufnehmen und integrieren, wenn sie nach Israel kommen wollen. Die Juden sind jetzt keine Flüchtlinge mehr -seit wir einen eigenen Staat haben, lehnen wir diesen Ausdruck ab. Juden brauchen nicht mehr um politisches Asyl zu bitten.
FURCHE: Wie wird, Ihrer Meinung nach, die Zukunft Israels aussehen?
KATSAV: Ich glaube, daß die Arabischen Staaten Israel als Teil des Mittleren Ostens akzeptieren und uns nicht mefir als Fremdkörper betrachten. Sie werden erkennen, daß unser wirkliches Ziel ist, friedlich zusammenzuleben. Israel hat keine Expansionsgelüste, seine Hauptsorge gilt
der Verletzbarkeit seiner Sicherheit. Weltweit werden sehr viele Juden in Israel einwandern, weil sie trotz aller Schwierigkeiten hier leben werden wollen. Es gibt kein wirkliches Hindernis, das Leben im Mittleren Osten zu verbessern. Wir könnten unter guten Bedingungen zusammenleben und dabei könnte der Lebensstandard sowohl in Jordanien, Saudiarabien, Ägypten, als auch im Libanon tau-sendprozentig ansteigen.
FURCHE: Warum haben die Araber solche Angst vor dem kleinen Israel?
KATSAV: Ich weiß nicht, ob die Araber Angst vor den Juden haben. Ich weiß nur, daß die Juden Angst vor den Arabern haben. Wir sind als demokratischer Staat wie eine isolierte Insel. Kein arabischer Führer ist bereit, Selbstbestimmung oder freie, demokratische Wahlen zu gewähren. Es gibt jedoch keinen Grund, vor uns Angst zu haben, wir wollen in Frieden leben. Wir Juden beten täglich dreimal um diesen Frieden zu Gott. Diese Bitte steht in unserem Gebetsbuch. Wir sind müde von all den Kriegen, vierzig Jahre des Blutvergießens sind zuviel. Ich gehöre der zweiten Generation an. Meine Eltern sind aus dem Iran nach Israel eingewandert. Ich bin als Fünfjähriger nach dem Unabhängigkeitskrieg angekommen. Jetzt sind meine Kinder in der israelischen Armee. Wir sind müde, aber meinen, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Mit dem israelischen Transportminister Mo-sehe Katsav (45), Mitglied des Likud, - einem möglichen Nachfolger Ministerpräsident Jiz-chak Schamirs - sprach Felizitas von Schönborn.
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