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„Wir Iren brauchen die Einheit”

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Die Aussicht auf den Besuch des Heiligen Vaters hat die Menschen unseres Landes mit Freude erfüllt. Die Neuigkeit wurde Mitte dieses Sommers bekannt, der sowohl aus meteorologischen wie aus anderen Gründen bedrückend war: Wir hatten wochenlang nasses Wetter, und hier im Norden gab es viele Spannungen, die durch die unsichere politische Situation hervorgerufen wurden.

In der Republik Irland war es ein Sommer, der von einer Anzahl schwerer Arbeitskämpfe und Streiks gekennzeichnet war. Die Ankündigung des Papstbesuches war eine brillante und aufrichtende Meldung inmitten der Flut schlechter Nachrichten.

Die irischen Bischöfe und die Menschen hatten ursprünglich einen eintägigen Besuch des Papstes im irischen Wallfahrtsort Knock im August bei der dortigen Hundertjahrfeier erwartet. Niemand von uns hatte es gewagt, mehr als das zu erhoffen. Um so mehr war für uns die Nachricht von einem dreitägigen Aufenthalt eine höchst wohltuende und freudige Überraschung.

Alle von uns sind sich der großen Auszeichnung voll bewußt, die uns der Heilige Vater damit zuteil werden läßt. Es wird der erste Besuch eines Pontifex in unserem Land mit seiner 1500jährigen katholischen Geschichte sein.

Seit seiner Wahl hat Johannes Paul II. die Welt dazu gebracht, auf ihn selbst und das, was er präsentiert, zu reagieren. Er hat gezeigt, daß sich die Menschen im Innersten nach Besserem sehnen und ihre Hoffnung und ihren Glauben ausgesprochen und unterstützt wünschen.

Wir alle haben im Fernsehen die außergewöhnlichen Szenen während seiner Besuche in Mexiko und Polen mitverfolgen können. Wir sind uns im klaren darüber, daß der Papst bei seinem Besuch in Irland gleichzeitig auch die ganze Welt besucht. Beinahe 2000 Journalisten haben um ihre Akkreditierung angesucht.

Wenn der Papst also nach Irland kommt, wird er nicht nur zu uns, sondern auch zu den Menschen in Wien, Salzburg lind vielen anderen in der ganzen Welt sprechen und von diesen gesehen werden. Papst Johannes Paul II. wird in uns und in anderen eine geistige Kraft hervorrufen.

Die Idee, daß der Papst das, was wir fühlen und in unseren Herzen bewahren, ausdrücken und reflektieren wird, ist etwas sehr Einleuchtendes und wird von den Katholiken verstanden. Dennoch wird das auch außerhalb der religiösen Sphäre der katholischen Kirche anerkannt.

Ein führender anglikanischer Journalist hat gesagt, daß über den jetzigen Papst nicht nur in seiner eigenen Kirche mit Liebe gesprochen werde, sondern daß er auch bei den Protestanten die Sehnsucht nach einer starken und charismatischen Führung in ihren eigenen Kirchen geweckt habe: etwas, was eigentlich niemand erwartet hatte.

Ich würde glauben, daß die Ernennung meines persönlichen Freundes, Bischof Runcie, zum Erzbischof von Canterbury vor zwei Wochen in eben diese Richtung weist.

Es kann kein Schaden sein, wenn wir Katholiken einen Blick auf die

Dinge werfen, die tief in unseren Herzen sind, die aber in der Selbstsucht und im Materialismus in und um uns zu ersticken drohen. Der Papst-Besuch in Polen brachte eines dieser Dinge sehr klar zum Vorschein:

Die Polen litten schrecklich unter dem Weltkrieg, und bis heute sind sie einem repressiven Regime ausgesetzt. Sie wurden einigermaßen träge und mürrisch. Der Papst-Besuch war für sie dann aber ein großer Moment der Erleichterung, der Freude und der Fröhlichkeit: „Es gibt einen Gott! Er liebt uns ..

Wenn es etwas gibt, was unser Land derzeit braucht, ist es Einheit. Nicht nur eine politische Einheit, die die vielen religiösen und kulturellen Traditionen innerhalb unserer Insel befriedigt und anerkennt: Wir brauchen religiöse Brüderlichkeit, die uns in den grundlegenden Lehren unseres Glaubens angeboten wird, und wir brauchen bestätigt, daß - vor den Augen der liebenden Vaterschaft Gottes - wir Iren, Katholiken und Protestanten in viel mehr Dingen übereinstimmen, als wir einander widersprechen.

Es ist meine Hoffnung, daß, wenn der Papst vor uns steht, wir es hinnehmen, daß der wirkliche Sinn für Einheit, der uns alle von diesem kleinen und sehr alten Volk im Innersten vereint, aus uns herausfließt: eine Einheit des Stolzes und des Glaubens. Und dann werden wir hoffentlich auch fortsetzen, was der Heilige Vater bei uns begonnen hat.

Sicher ist es sehr einfach, über edle Ideale von Einheit, Freude und Stolz zu sprechen. Ein Erguß dieser Ideale, ein Gefühl für sie wird aufkommen,

wenn wir diese mächtige weißgekleidete Figur, ihre Arme zum Segen und zum Gruß erhebend, vor uns sehen werden.

Aber es gibt auch andere Dinge, an die wir uns erinnern müssen. Eine Legende besagt, daß der Heilige Patrick die Schlangen aus Irland vertrieben hat. In einem kürzlich in der Dubliner Tageszeitung „Irish Times” erschienenen Leitartikel wurde darum gebeten, daß Papst Johannes Paul II. auch die neue Art von Schlangen, die unser Land derzeit plagen, verscheuchen möge. Eine dieser Schlangen ist die Gewalt und Unmenschlichkeit, die jüngst in den Mord an Earl Mountbatten gipfelte.

Er war nur eine, vielleicht die bekannteste, von mehr als 1950 Personen, die in den letzten zehn Jahren gewaltsam umgebracht worden sind. Die Geschichte der letzten zehn Jahre erniedrigt uns alle. Im Innersten sind wir uns dessen bewußt. Wir wissen auch um die furchtbare Presse, die Irland rund um die Welt hat. Trotzdem sind das die Taten von ein paar wenigen.

Wir hoffen, daß der Besuch des Papstes selbst die härtesten und grausamsten Herzen erweichen und die Leute dazu inspirieren wird, politische Ziele mit anderen Mitteln als mit Gewalt zu erreichen.

Viele Jahrhunderte hindurch war Irland ein sehr armes Land. Hunderttausende von Auswanderern, die in die verschiedensten Teile der Welt auszogen, nahmen nicht viel mehr mit sich als ihren Glauben. Die irische Diaspora pflanzte den Samen des Glaubens mit großer Wirkung aus.

Heute sind wir ein relativ reiches Land. Aber leider bringt dieser relative Wohlstand auch seine eigenen Probleme mit sich. Wir leiden, wie viele andere Länder, unter dem Materialismus. Gebote wie „Du sollst nicht töten”, „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut oder Frau”, sind in einer Flut von Streiks, Arbeitsverzögerungen, Morden, bewaffneten Überfällen und Bergen von Abfällen in unseren Städten untergegangen - obwohl wir im Innersten wußten, daß dies nicht richtig war.

Möge die große Gabe des Heiligen Vaters, die Leute aufzurichten und zu inspirieren, auch uns aufrichten und inspirieren, damit wir wieder mit unserem natürlichen, gottgegebenen Anstand, mit Respekt und unserer Güte handeln.

Hier im Ndrden herrscht Enttäuschung darüber, die nicht nur auf Katholiken beschränkt ist, daß der Heilige Vater nicht zu uns kommt. Dennoch ist auch Verständnis dafür da, daß nach der Ermordung Mountbattens und den anderen Morden vom 27. August ein Besuch unmöglich geworden ist. Niemand von uns will den Heiligen Vater an einem Ort sehen, an dem er von bewaffneten Sicherheitskräften umringt werden muß. Zehntausende wollen aber vom Norden aus in die Republik reisen, um den verschiedenen Zeremonien beizuwohnen.

So Gott will, soll die Welt während dieses Wochenendes die wahren Qualitäten der Iren und Irlands sehen können. Unser Land braucht den Heiligen Vater zu diesem Zeitpunkt. Wie sagen die Propheten: „Kommet die Stunde, kommet der Herr.”

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