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„Wir können noch mehr Touristen vertragen"

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Die Staatssekretärin für Tourismusfragen, Maria Fekter, will den ,,Öko-sozialen Tourismus" forcieren. An ein gezieltes Einbremsen des Gästestromes denkt sie dabei noch nicht.

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Die Staatssekretärin für Tourismusfragen, Maria Fekter, will den ,,Öko-sozialen Tourismus" forcieren. An ein gezieltes Einbremsen des Gästestromes denkt sie dabei noch nicht.

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FURCHE: Die bisher erhobenen Daten und das schöne Wetter versprechen ein Rekordergebnis im Fremdenverkehr. Ist das nur ein Übergangsergebnis aufgrund des Ausfalls Jugoslawiens?

STAATSSEKRETÄRIN MARIA FEKTER: Die Daten im Fremdenverkehr signalisieren bis jetzt eine sehr gute Saison. Es wird mit Sicherheit auch heuer wieder ein Wachstumsplus geben. Das liegt aber nicht am Ausfall von anderen Ländern, sondern am kontinuierlichen Weg, den die Tourismuswirtschaft geht; sie setzt auf Qualität. Besonders kommt uns dabei entgegen, daß es wieder einen stärkeren Bezug zur Natur gibt. Es ist wieder „in", in die Berge zu fahren. Auch das erweiterte Angebot von neuen Sportarten trägt zu diesem Ergebnis bei. Das heißt, wir haben auch Rückenstärkung durch den Zug der Zeit bekommen.

FURCHE: Anders sieht es im Städtetourismus aus. Hier gibt es doch starke Einbrüche.

FEKTER: Der Städtetourismus mußte durch den Golfkrieg ganz massive Einbußen hinnehmen. Er hat sich zwar seither wieder erholt, aber Österreich liegt inzwischen zu nahe an Jugoslawien. Für einen Reisenden aus Übersee sind 500 Kilometer Entfernung zum Kriegsgeschehen nun einmal keine sichere Distanz. Der Kampf um die Touristen hat jetzt bei uns dazu geführt, daß es schon einen regelrechten Preiskrieg - man kann gar nicht mehr von Kampf sprechen - gibt. Das gute Vier-Stern-Angebot wird zu Preisen von Drei-Stern-Hotels an die Reisegruppen regelrecht verschleudert. Das ist schlecht für die Branche.

FURCHE: Ist daran gedacht, in einer A rt Städteverbund mit Laibach, Bratislawa oder Städten auf Istrien zusammenzuarbeiten? Müßte Osterreich nicht selbst auf die engen kulturellen Verflechtungen etwa mit Kroatien und Slowenien hinweisen, um bei den Touristen nicht den Eindruck entstehen zu lassen, gleich hinter Österreich beginnt „der Balkan"?

FEKTER: An mich ist noch niemand mit einer solchen Idee herangetreten. Aber generell arbeiten wir bereits auf Tourismusebene im Rahmen der Pentagonale, die jetzt „Central European Initiative" heißt, sehr eng zusammen. Allerdings kommen die meisten Vorschläge von Italien und Österreich, die anderen schauen eher nur zu und warten, was kommt. So haben wir zum Beispiel durch unser Österreich-Werbungsprogramm, bei dem wir die gemeinsamen Kulturschätze bewerben, gewaltige Synergieeffekte in diese Länder hinübergetragen. Wer Wien besucht und sich für die Habsburger interessiert, kommt an Prag nicht vorbei.

FURCHE: Sie wollen den öko-so-zialen Tourismus forcieren. Was heißt das?

FEKTER: Die Betonung liegt hier auf sozial. Es ist so, daß der „Bruder Baum" in Österreich ja schon geschützt wird. Man muß sich jetzt verstärkt dem „Bruder Mensch" zuwenden. Mir liegt daran, in unseren extensiv genutzten Dörfern - das sind aber nur wenige von unseren 1.490 Tourismusgemeinden, und davon auch wieder nur 14 mit mehr als einer Million Nächtigun-gen - auch die Bedürfnisse der Menschen im Auge zu haben. Das heißt, die Bedürfnisse der NichtTouristen und ihres Lebensraumes müssen mehr in den Vordergrund gestellt werden. Dazu gehört auch, daß die wirtschaftliche Situation der Betriebe verbessert wird. Speziell geht es mir dabei um die hohen Lohnnebenkosten. Hier bürdet man dem Unternehmen Unmögliches auf.

FURCHE: Bedeutet die ökologische Dimension die Einführung von „Öko-Abgaben"? Im Vorjahr haben Sie damit schon für helle Aufregung gesorgt. Wurde schon etwas realisiert?

FEKTER: Voriges Jahr waren solche Wünsche noch ein reines Tabu-Thema. Aber es hat bewirkt, daß viele jetzt offen von einem Lenkungswunsch der Touristenströme durch solche Abgaben sprechen durften. Bei

denen sind meine Vorschläge auch so angekommen, wie ich sie gemeint habe. Ich habe zum Beispiel nie von einer Abgabe gesprochen, auch nicht von einer Gebühr, sondern immer nur von Entgelten vor Ort; pragmatisch und je nach Notwendigkeit. Hier hat es zwei konkrete Anlässe gegeben: Einerseits soll dort lenkend eingegriffen werden, wo sich eine negative Entwicklung durch Belastung abzeichnet. Oder es ist ein enormer Aufwand gegeben, . den man abgelten muß. Der Sinn und Zweck der Lenkung ist, daß man den Menschen klar macht, Natur kann nicht zügellos genutzt werden.

Es hat sich in der Diskussion herauskristallisiert, daß Mauten und Parkgebühren von den Gästen problemlos bezahlt werden. Denn dafür haben die Menschen noch am meisten Verständnis. Viele Bürgermeister haben es begrüßt, daß der Boden durch die vorjährige Diskussion schon aufbereitet war für die heurige Einführung solcher Entgelte.

FURCHE: Geht es bei der Diskussion nur um Bewußtseinsbildung, oder auch um eine gezielte Einschränkung des Tourismus?

FEKTER: Einschränken ist nicht das richtige Wort dafür; Lenkung ist wie gesagt besser. Ich will den Tourismusstrom gezielter lenken. Unser Hauptproblem ist nicht die Menge der Gäste, sondern daß zu viele Touristen an einem Ort zur selben Zeit auftreten. Wir brauchen mehr Entzerrung, aber bestimmt keine Aussperrung. So kann zum Beispiel etwas im Herbst gratis sein, wo man in der Hauptsaison mit Engelten lenkend eingreift.

FURCHE: Welche strategischen Schritte planen Sie als nächstes?

FEKTER: Ich habe vor, die Tourismusforschung besser zu koordinieren. Wir haben an den Universitäten zwar einige Institute, aber die sind zu wenig koordiniert. Diese sollen unter anderem auch die Auswirkungen der ökologischen Entgelte und dann die sozialen Auswirkungen etwaiger Begrenzungen durchleuchten. Zum Beispiel sollen Berechnungen über die Auswirkungen auf die Wertschöpfung zeigen, was geschieht, wenn man Gä-

steströme - wie das etwa am Arlberg gemacht wurde - auf die Kapazität begrenzt.

FURCHE: Heißt einer Ihrer Forschungsaufträge dann: Wieviele Touristen sind genug für unsere Landschaft und das Gastgewerbe?

FEKTER: Ich bin keine Wissenschafterin und möchte diese Frage daher nicht beantworten. Die Fragestellungen müssen von der Wissenschaft kommen.

FURCHE: Können wir auch einen Gästestrom aus dem Osten problemlos bewältigen?

FEKTER: Die Reisefreiheit in den ehemaligenOststaatenwird mit wachsendem Wohlstand einhergehen. Das trifft uns mit Sicherheit nicht in den nächsten paar Jahren, denn wir können derzeit ohnehin noch Touristenströme vertragen und aufnehmen. Unser Problem ist das der Bündelung und nicht der Gesamtkapazität. Es gilt zu untersuchen, was man tun kann, damit nicht alle zur selben Zeit kommen.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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