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Wir sind keine Propheten

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Wirtschaftsprognosen erregen in jüngerer Zeit nicht nur deshalb erhöhte Aufmerksamkeit, weil sich verschiedene Herren über deren Sinn und Treffsicherheit öffentlich den Kopf zerbrochen haben, sondern auch weil die gegenwärtige Rezession bereits mehr als zwei Jahre dauert und immer banger die Frage gestellt wird, wann denn ein neuer Aufschwung in Gang kommen werde.

Zunächst muß dem fundamentalen Irrtum entgegengetreten werden, Prognostiker mit Propheten gleichzusetzen. Wie man aus der Heiligen Schrift weiß, waren diese Männer, welchen es besondere Gnade erlaubte, zukünftige Ereignisse korrekt vorherzusagen, eine Fähigkeit, welche den Nationalökonomen auch trotz großteils redlicher Lebensführung nicht zuteil wird.

Sie können nur aus ihrer Kenntnis der kausalen Zusammenhänge im Bereich der Wirtschaft versuchen, mögliche Abläufe in der Zukunft zu konstruieren.

Will man sich beispielsweise unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen eine Vorstellung über das (reale) Bruttoinlandsprodukt im folgenden Jahr machen, dann empfiehlt es sich, von der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage auszugehen.

Anhaltspunkte für den privaten .Konsum gewinnt man durch die Lohnabschlüsse des laufenden sowie Annahmen über jene des kommenden Jahres. Die Investitionsabsichten der Unternehmer

werden teilweise direkt erfragt, teilweise aus ihrer Gewinnsituation erschlossen.

Uber Konsum und Investitionen des Staates geben die Budgets des Bundes und der Länder relativ guten Aufschluß. Die so wesentliche Exportnachfrage muß aus der voraussichtlichen Entwicklung der ausländischen Wirtschaften abgeleitet werden, über

welche die jeweils nationalen Prognosen und solche internationaler Institutionen (OECD, IMF) informieren.

Damit sind freilich nur die wichtigsten Elemente einer solchen Prognose aufgezählt, die sich überdies alle wechselseitig beeinflussen, so daß die Nationalökonomen seit mehreren Jahren dazu übergegangen sind, die Zusammenhänge in der Wirtschaft durch mathematische Modelle abzubilden.

Wenn trotz des Bemühens der Prognostiker manche Vorschauen ihr Ziel verfehlen, dann liegt das an einer Reihe von Ursachen, ist überdies in manchen Fällen sogar erwünscht:

Zunächst muß man davon ausgehen, daß die Nationalökonomie nicht der Natur-, sondern den Sozialwissenschaften zuzuordnen ist. Sie befaßt sich daher nicht mit unveränderten, experimentell nachprüfbaren Abläufen, sondern mit menschlichen Reaktionen.

Wie bereits erwähnt, wird eine kleine, intensiv mit dem Ausland verflochtene Volkswirtschaft in hohem Maß durch die Entwicklung der anderen Länder beeinflußt; wenn also die Prognosen für das Ausland nicht zutreffen — und deren Korrektur ist von Österreich aus schwer möglich -, dann hat das Folgen auch für Österreich.

Letztlich stehen aber in vielen Bereichen der Wirtschaftspolitik — mehr oder weniger große — Eingriff smöglichkeiten in die ökonomischen Abläufe offen. Unter bestimmten Annahmen vorausgesagte Entwicklungen können daher durch wirtschaftspolitische Interventionen verstärkt oder auch verhindert werden. Wenn Prognose derartige Aktivitäten anstößt, spricht man daher von einer „selbstzerstörenden Prognose".

Und solches gilt beispielsweise auch für die kürzlich veröffentlichte Budgetprognose des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen, welche anscheinend den Unwillen einiger Regierungsmitglieder hervorgerufen hat.

Sie sagte lediglich voraus, was geschähe, wenn sich nichts ändert, und das ist auch die wichtigste Funktion der Wirtschaftsprognosen: der Öffentlichkeit und der Wirtschaftspolitik darzulegen, welcher Art die Wirtschaftsprobleme der Zukunft sein werden und wo eine konzeptive Wirtschaftspolitik eingreifen könnte.

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