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Wir sind wieder wer, oder?

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No, jetzt sind's auf einmal wieder alle Patrioten, die Wappenstürmer und Staatsvertragsbekämpfer! Was ein paar tüchtige Sportler (mit einer schönen Portion Glück, die ja dazugehört) bewirken können! Allerhand! Mehr jedenfalls als Herumtreiber, Asylantenheimanzünder und im National-und anderen Räten kochende Großdeutsche der angeblich so liberalen Riege. Die Spuren, die ein Ortlieb, ein Mader hinterlassen, führen direkt in die Herzen der Österreicher, Frau Hu-nyady läßt uns in Nostalgie versinken - und die Adler!? Die sind uns noch mehr, als der mit den Werkzeugen des Arbeiter- und Bauemstandes in den Fängen. Wer gut rodelt, für den wird gejodelt! Es ist eine Freude, ein Sportfan zu sein! Vergessen die Brezn unserer Haxenballer - alles ist Wonne und Waschtrog. Mir san mir. Wenn wir auch nur die zwölftreichste Nation der Erde sind (wer hätte das vor 50 Jahren zu hoffen gewagt), wir sind die Größten!

In Berlin begegnet man mir seit einigen Wochen mit säuerlicher Freundlichkeit und - mein Gott -Wasmayer ist ja kein Preuße und im Rodeln, da ist eener von uns sogar noch vor Euch. Sogar! Klingt gut in meinen Ohren. Man zeigt überhaupt viel Verständnis für uns in der ehemaligen Reichshauptstadt. Auch dort werden Theaterpremieren zu Steißgeburten und an Zores ist man auch dort gewöhnt. Es gibt so viel Gemeinsames wie Trennendes, und das entzweit und verbindet zugleich. Wer tiefer hinabsteigt in die Seele der Wiedervereinigten, der spürt bald, daß da neben dem Witz und der „nassforschen" Schnoddrigkeit ebenso schwere Melancholie steckt wie in den Herzen der ewig Raunzenden, zu denen ich nicht nur die Ostösterrei-cher zähle. Die Zeitläufte haben seelische Wunden hinterlassen, die so ins Auge springen, wie die Zerstörungen des Zweiten Krieges - die man noch 50 Jahre sehen wird, da kann gebaut, repariert, übertüncht und renoviert werden so viel man will.

Friedrich Torberg schrieb einst, da war die Stadt noch Vier-Zonen-Stadt, einen widerwilligen Liebesbrief an Berlin in dem es hieß: „Wien ist schöner, aber..." Ich meine, um ein kitschiges, leicht ins Auge gehendes Schlagwort zu gebrauchen: Wien ist anders und wie mir scheint - hoffentlich! Man soll, kann gar nicht vergleichen, alles ist Geschmackssache, in Berlin, der tapferen Stadt aber ist alles, was Geschmack hat, unsagbar teuer. Am Ku-Damm kostet ein Kleid, schwarz, kurz, zweiteilig - „nur" 4.000,- DM, das sind 28 Blaue in österreichischer Währung.

Übrigens hat man in Berlin bereits registriert, daß Finnland EG-Mitglied werden und die Neutralität beibehalten will, daß die Schweiz keinesfalls daran denkt, einmal nicht neutral zu sein - also für uns keine Gründe zu erkennen sind, einen waghalsigen Schritt zu tun! „Österreich ist frei", rief Leopold Figl, auf den Staatsvertrag weisend! Sollte das alles unwahr sein? Ich will's nicht glauben. Sie merken es - gelt? Meine Gedanken springen von Punkt zu Punkt - in mir ist eine gewisse Unruhe und Fahrigkeit. Ist das ein Wunder? Da denkt man zum Beispiel, Gorbatschow ist nur mehr eine Wodkamarke - dabei sieht es ganz so aus, als könnte er vor einem Come back stehen. In Algerien brennt es. Mitterrand leidet unter Habasch's Krankheit und Herr Haider hat nun das Profil, das er so lange angestrebt hat. Aber wie meint Anton Wildgans in seiner Rede über Österreich? „Denn der Verderber, der Versucher, der Aufwiegler hat auch in ihm (dem österreichischen Volk) seine Köder ausgeworfen und seine Schlingen gelegt, aber in der Sündflut von Schmutz und Verwirrung, die jeder Zusammenbruch einer Staatsund Gesellschaftsordnung entfesselt, ist der Wesenskern unseres Volkes unversehrt geblieben."

Übrigens, jetzt kann ich es ja verraten: Der Gold-, Silber- und Bronzeerfolg unserer Sportler in Albertville ist mir zu verdanken. Ich hab' mich zurückgehalten! Immer wenn was Wichtiges war, bin ich aus dem Zimmer gelaufen, denn ich weiß, ich bin ein Knofei. Wenn ich zuschau' - ist es schon verloren. Ich hab's durchgehalten - wir haben gewonnen. Übrigens - sehr zur Nachahmung empfohlen.

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