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Wir sollten helfen und nicht verurteilen

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Das kann ich meinem Mann nicht vergessen, wie er mich damals zur Abtreibung gedrängt hat. Ich werde als Mutter damit nicht fertig. Immer wenn wir einen Geburtstag der Kinder feiern, muß ich daran denken, daß ich eines nicht zur Welt gebracht habe, und werde schnell ganz traurig.“

Mit solchen und ähnlichen Worten drücken Frauen oft aus, wie sehr sie innerlich und auch über viele Jahre hinweg an diesem Eingriff leiden. Auch wenn von Frauen öffentlich bezeugt wird, daß sie abgetrieben und „keinen Schaden“ davongetragen haben, so ist die Zahl jener schweigenden Frauen, die mit diesem Ereignis in ihrem Leben nicht zu Rande kommen, gewiß sehr groß.

In einer Bibelstelle (Jeremias 31,15-17) wird von Rachel erzählt, wie sie um ihre Kinder weint, die nicht mehr am Leben sind. Der Herr sagt ihr, daß sie aufhören soll zu weinen, daß Hoffnung für die Zukunft besteht.

Mit dem medizinisch erfolgreichen Eingriff zum Schwangerschaftsabbruch ist es für die Frau meistens nicht zu Ende. Auch wenn ihre Umgebung dazu nie etwas spricht oder der Schwangerschaftsabbruch sehr geläufig scheint, so empfinden dennoch betroffene Frauen eine eigenartige Scheu gegenüber diesem Ereignis — auch wenn es schon längere Zeit zurückliegt.

Selbst die Menschen im engeren Familien- und Freundeskreis, in der nächsten Lebensumwelt erfahren selten von dieser inneren Traurigkeit und von den schwelenden Schuldgefühlen.

Mit dem „Projekt Rachel“ bemühen sich Eheberater und Seelsorger, Hoffnung und Versöhnung den Frauen, den Vätern und den Mitgliedern der Familie zu bringen.

Zu Recht wird darauf hingewiesen, daß gerade Christen nicht leichtfertig verurteilen dürfen. Helfen statt verurteilen! Seit einigen Jahren werden in Einführungsseminaren für Berater und

Priester die speziellen Erfahrungen und Probleme besprochen, die Frauen und Angehörige in der Folge von einer Abtreibung erleben.

Es ist wichtig, über die medizinischen und vor allem psychologischen Auswirkungen gut informiert zu sein und vom inneren Leid der Frauen zu wissen.

Trauerarbeit

Wer in einer Beratung, in einem Pastoralen Gespräch, an einem Krankenbett oder bei einer unerwarteten Gelegenheit von jemandem erfährt, daß sie abgetrieben hat, tut sehr gut daran, nicht mit einer moralischen Empörung zu reagieren, aber auch nicht mit einer beschwichtigenden Bagatellisierung.

Die Reaktion sollte sein, daß aufmerksam zugehört wird, ohne vorschnell zu werten und zu beurteilen. Denn die Selbstverurteilung durch die Schuldgefühle kann ohnehin schon demütigend und quälend genug sein.

Mit einer aburteilenden Reaktion beim Zuhörer wird jeder mögliche Schritt zu einer tieferen Versöhnung im Ansatz erstickt. Die Betroffenen benötigen das Erlebnis, daß sie mit ihrem Verhalten angenommen und ernst genommen werden. Das bedeutet Hilfe für sie!

Wer ein Leben, das im Mutterschoß heranwächst, abtreibt, vollzieht eine Trennung. Jede Trennung ist schmerzlich. Wenn diese Trennung nicht auch innerlich durchgelebt und das Schmerzliche daran zugelassen und durchgelitten wird, bleibt diese Trennung unabgeschlossen.

Dafür ist eine Trauerarbeit erforderlich. Sie öffnet den Weg für eine versöhnte Beziehung der Mutter mit ihrem (abgetriebenen) Kind. Dafür ist das Gespräch mit helfenden, zuhörbereiten Menschen eine wichtige Begleitung.

Ebenso wird es des inneren Prozesses bedürfen, in dem die Mutter und jeder, der sich durch eine Abtreibung schuldig fühlt, mit sich selbst versöhnt wird. „Ich kann mir das nicht verzeihen“, ist eine häufige Aussage. Es gibt Hoffnung für Frauen und Väter, die diesen Weg der Aussöhnung mit ihrem eigenen Leben und den unwiderruflichen Ereignissen ersehnen.

Hilfe in Not

Es ist ratsam, mit einem so speziellen Lebensanliegen auch zu qualifizierten Beratern zu gehen. In den Ehe- und Familienberatungsstellen des Katholischen Familienwerkes (1010 Wien, Stephansplatz 6, und in den einzelnen Diözesen) sowie in der Beratungsstelle für Frauen in Notsituationen (Tel.: 0222/51552 - 601 DW) können Gesprächspartner gesucht werden.

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