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Wir stolpern in die Ökodiktatur

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Mehr als eine Woche prächtiges Frühsommer-Wetter: Alles steht in Blüte: Flieder und Kastanien, Apfel- und Birnbäume. Aus der Steiermark heimgekehrt, schwelge ich noch in Eindrücken: Wie wunderschön ist die Welt im Frühling!

Ein Blick auf die Schlagzeilen bringt Ernüchterung: „Vorsicht Sonne", heißt es da. Vor dem gefährlichen Leben unter dem Ozonloch wird gewarnt. Viele sind verunsichert: Darf man sich der Sonne aussetzen? Die Boulevard-Presse schlägt sensationsgierig Alarm. Das übliche Dilemma: Umweltprobleme werden effekthaschend aufbereitet, um auf der Angst der Menschen Klavier zu spielen: Jeder vierte werde an Hautkrebs erkranken, zumindest erblinden...

Diese Ängste sind derzeit übertrieben. Wie schwerwiegend die Folgen wirklich sind, werden wir nach einigen Jahren intensiver UV-Strahlung wissen. Derzeit besteht noch kein Grand zur Panik. Dennoch ist Vorsicht, Zurückhaltung mit Sonnenbädern geboten.

Und trotzdem ist Anlaß zu größter Sorge: Daß wir weiterhin die Alarmsignale der Umwelt verschlafen. Das ist der wahre Skandal. Seit 20 Jahren wird vom Abbau der Ozonschicht geredet, werden Maßnahmen gefordert - fast ohne Wirkung. Noch im Dezember 1991 konnten sich die OECD-Länder nicht auf eine Reduzierung der FCKW (der chlorierten Fluorkohlenwasserstoffe, hauptverantwortlich für den Abbau der Ozonschicht) einigen. Damals wurde im Süden Chiles (der unter dem Ozonloch über der Antarktis liegt) bereits eine UV-Strahlung, die 29 mal über den Normalwerten lag, gemessen. Erst im Vorjahr einigte man sich international auf einen FCKW-Ausstieg bis 1996. Und andere, etwas weniger schädliche Stoffe dürfen bis 2030 erzeugt werden.

Da sind wir am Kern des Problems: Es geht um ein umweltverträgliches Wirtschaften: Weniger, viel weniger Energie- und Materialdurchfluß durch unser Wirtschaftssystem. Und zwar rasch, weil sich positive Umweltfolgen erst langsam einstellen werden.

Geschieht das nicht, ist das weitere vorprogrammiert: Immer massivere Gefährdungen unserer Lebensbasis, immer größerräumige Bedrohungen, die in ihren Ursachen immer weniger durchschaut und daher immer schwerer zu beheben sein werden...

Steht uns einmal das Wasser bis zum Hals, werden jene, die Patentrezepte zur Lösung der Umweltprobleme anbieten, Hochkonjunktur haben. Unser in Umweltfragen - trotz mancher Bemühung -so träges und blindes demokratisches System bereitet heute die Öko-Diktatur von morgen vor.

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