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Wir wollen kein Länder-Monopol

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FURCHE: Herr Landeshauptmann, Sie haben einmal gesagt, daß die ÖVP die Partei ist, die christliche Politik macht, und daß Sie sich manchmal von der Kirche im Stic~h gelassen fühlen. Gebe ich das richtig wieder?

HASLAUER: Nein. Ich hatte mich eigentlich nicht so sehr mit dem Verhältnis ÖVP und Kirche auseinandergesetzt, sondern mit den Fragen des gesellschaftspolitischen Engagements der Kirche aus der Sicht eines ÖVP-Politikers. Wir haben gelegentlich den Eindruck gehabt, daß sich die Kirche auch dort zuwenig im gesellschaftspolitischen Bereich engagiert, wo sie dazu nicht nur legitimiert, sondern sogar verpflichtet wäre. Und ich habe in diesem Zusammenhang einen dreifachen Bereich des Engagements oder Disengagements der Kirche in gesellschaftspolitischen Sparten aufgezeigt. Die erste Ebene ist für mich jener Bereich, den man mit dem totalen Disengagement der Kirche beschreiben könnte, nämlich der weite Bereich der tagesaktuellen politischen Auseinandersetzungen, wo es sicherlich keinesfalls Aufgabe der Kirche sein könnte, sich einzumischen oder Partei zu ergreifen. Dann ist eine zweite Ebene des dosierten Engagements der Kirche, wo die Kirche zwar meines Erachtens berechtigt ist, Ratschläge zu geben, wo aber auch christliche Politiker nicht verpflichtet sind, sie zu erfüllen. Und dann gibt es die dritte Ebene des totalen Engagements der Kirche im gesellschaftspolitischen Bereich, und zwar dort, wo es um die Grundfragen des Lebens, der Familie und die unveränderlichen Grundbedingungen des Auftrages der Kirche geht. Dort ist die Kirche verpflichtet, mit allen ihren Möglichkeiten auch in Konfrontation zu Parteien

ihren Standpunkt zu vertreten, und da ist auch ein christlicher Politiker verpflichtet, allen Ernstes mit seinem Religionsbekenntnis Staatspolitik zu betreiben.

FURCHE: Sie haben kürzlich mit ihrem steirischen Kollegen Dr. Niederl Denkanstöße für ein neues Rundfunkgesetz präsentiert. Aus welchem Anlaß - und wie stehen Sie zum Vorwurf, hier wolle man nur statt eines Regierungsrundfunks einen Landeshauptleuterundfunk installieren?

HASLAUER: Wir haben es als unsere Pflicht angesehen, einmal Ideen zu entwickeln, die den breiten Unmut der heute in der Bevölkerung in unseren Bundesländern über das ORF-Monopol und die Programmpolitik besteht, zum Ausdruck zu bringen. Das Wesentliche in unserem Vorschlag ist, daß wir eine Umwandlung des ORF unter Beibehaltung des Namens in eine Anstalt der österreichischen Bundesländer vorschlagen. Der Einwand von Zentralsekretär Blee ha, man würde da ein Landeshauptleutefernsehen machen, ist absurd. Wenn wir ein Regierungsmonopol absetzen wollen, dann möchten wir es gar nicht durch ein Landeshauptleutemonopol ersetzen. Sondern die Bundesländer sollten gemeinsam die Träger einer öffentlich-rechtlichen Anstalt des ORF sein, natürlich auch mit den zuständigen Organen und selbstverständlich mit einer zentralen Organisation und

mit Beiträgen aus den Bundesländern, mit stärkeren Beiträgen aus den Bundesländern. Die zweite neue Säule wird der sogenannte freie Rundfunk sein, wir stellen uns da eine Dachorganisation vor, die aus dem Bund und den Bundesländern besteht und Lizenzen vergibt an private Firmen und private Fernsehträger für ein Fernseh- und ein Rundfunkprogramm. Und die Lizenzen sind natürlich an einen Mindestkatalog öffentlicher Auflagen zu binden. Wenn heute der österreichische Staat und die Bundesländer so viel Geld aufwenden, um die Vielfalt der Presse zu erhalten, da wäre es doch eigentlich logisch, wenn man einen gewissen Wettbewerb und eine Mehrheit an Angeboten auch im Fernsehen und im Rundfunk einführt.

FURCHE: Man hat Ihnen nach dieser ORF-Pressekonferenz von ÖVP-Seite ein Vorpreschen vorgeworfen? Wie sehen Sie das?

HASLAUER: Das war kein Vorpreschen. Das war die persönliche Meinung von Kollegen Niederl und mir. Ich wäre der letzte, der nicht gedenkt, sich an die Grundsätze unserer Partei zu halten. Aber wir sind eine freie und eine freizügige Partei, und man kann ohne Verletzung eines Parteigrundsatzes auch eigene Ideen entwik-keln.

FURCHE: Sie haben einmal ein Einfrieren der Politikerbezüge gefordert. Haben Sie wirklich den Eindruck,

daß die Politiker in Österreich im Vergleich zu andern Ländern, beziehungsweise daß die Politiker im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in Österreich überbezahlt sind?

HASLAUER: Nein, im Gegenteil. Wenn man den Arbeitstag eines Politikers betrachtet und die Verantwortung, die er hat, in Relation zu anderen Spitzenpositionen setzt, so zeigt sich, daß in der privaten Wirtschaft ganz andere Einkommensverhältnisse bestehen. Ich habe das aus einem anderen Grund gesagt: Man kann nicht Sparappelle an jedermann richten, aber sich selbst davon ausschließen. Deshalb habe ich den Vorschlag gemacht, man soll die Politikerbezüge auf zwei Jahre einfrieren. Dieser Vorschlag wurde nicht aufgegriffen, ich habe ihn aber für mich realisiert.

FURCHE: Aus der Medienberichterstattung konnte man in letzter Zeit den Eindruck gewinnen, in Salzburg sei die politische Eiszeit ausgebrochen und die Führer der großen Parteien sprächen nicht mehr miteinander. Wie ist jetzt wirklich das politische Klima in Salzburg?

HASLAUER: Ich kann mich nicht beklagen. Die Arbeit in der Regierung ist gut, es hat aber tatsächlich in den letzten Wochen aus mehreren Gründen einige schwere Auseinandersetzungen gegeben. Der wesentliche Zankapfel war - neben der Kürzung des Erlasses zum An-

schluß - ein Beurteilungsschema, das von Fachleuten des christlichen Lehrervereines im Jahr 1976 ausgearbeitet wurde. Vor drei Wochen ist ein Parteiengespräch zwischen den drei Parteien geplatzt, weil die Sozialisten ausgezogen sind und uns vorgeworfen haben, daß mit diesem Papier die SP diffamiert worden sei, obwohl ich immer erklärt habe, daß nicht die SP gemeint war, sondern die ultralinken und revolutionären pädagogischen Richtungen. Man hat sich geeinigt, daß ich und mein Stellvertreter eine Erklärung abgeben, und ich habe angekündigt, daß ich die Vertreter des Partei vor-. Standes der SPÖ und der ÖVP zu einem Gespräch einlade, um nun endgültig die aufgetretenen Mißverständnisse zu bereinigen.

FURCHE: Waren das über-

haupt die schwerwiegendsten Differenzen in den letzten Jahren in der Salzburger Landesregierung?

HASLAUER: Natürlich gibt es immer wieder Differenzen, das liegt ja im Spannungsverhältnis der verschiedenen Auffassungen, aber sicherlich hat es in den letzten Jahren so schwerwiegende Mißverständnisse und Auseinandersetzungen nicht gegeben.

1 FURCHE: Wann werden genau die nächsten Landtagswahlen stattfinden?

HASLAUER: Ein Termin steht noch nicht fest, es liegt mein Vorschlag vor, den ich mit dem Parteiobmann der SPÖ abgesprochen habe, die Wahlen am 25. März des nächsten Jahres durchzuführen.

Mit Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer sprach Heiner Boberski.

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