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„Wir würden aufhören, gefragt zu sein“

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„Die Persönlichkeit des Priesters muß für die andern ein klares Zeichen und deutliches Zeugnis sein!“ Dies ist einer der Kernsätze des Briefes, den Papst Johannes Paul II. zum Gründonnerstag an alle Priester der katholischen Kirche richtete. Der Brief wurde gemeinsam mit einem Schreiben an die Bischöfe, in dem der Papst die kollegiale Gemeinschaft und Einheit in der Kirche betont, im Vatikan veröffentlicht. Im Brief an die Priester heißt es u. a.:

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„Die Persönlichkeit des Priesters muß für die andern ein klares Zeichen und deutliches Zeugnis sein!“ Dies ist einer der Kernsätze des Briefes, den Papst Johannes Paul II. zum Gründonnerstag an alle Priester der katholischen Kirche richtete. Der Brief wurde gemeinsam mit einem Schreiben an die Bischöfe, in dem der Papst die kollegiale Gemeinschaft und Einheit in der Kirche betont, im Vatikan veröffentlicht. Im Brief an die Priester heißt es u. a.:

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„Das Priestertum, an dem wir durch das Weihesakrament teilhaben und das für immer durch ein besonderes Zeichen Gottes unserer Seele eingeprägt worden ist, bleibt immer ausdrücklich auf das allgemeine Priestertum der Gläubigen, das heißt aller Getauften, hingeordnet und unterscheidet sich gleichzeitig von diesem dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach ...“

Weil das Priestertum uns gegeben ist, um wie Christus unaufhörlich den anderen zu dienen, dürfen wir es nicht wegen Schwierigkeiten, die uns begegnen, und wegen der von uns geforderten Opfer aufgeben...

Die Persönlichkeit des Priesters muß für die anderen ein klares Zeichen und deutliches Zeugnis sein ... Die Menschen, aus denen wir genommen und für die wir eingesetzt sind, möchten in uns vor allem dieses Zeichen und Zeugnis sehen, und sie haben ein Anrecht darauf...“ i.Jene, die eine ,Laisierung' des priesterlichen Lebens fordern und deren verschiedene Ausdrucksformen begrüßten, werden uns ganz gewiß im Stich lassen, wenn wir der Versuchung erliegen. Wir würden dann aufhören, gefragt und populär zu sein. Für unsere Zeit sind gewisse Formen der Manipulation .und der Instrumentalisierung deSj Menschen charakteristisch, doch dürfen wir keiner von ihnen nachgeben.

„Bilden wir uns nicht ein, es wäre ein Dienst am Evangelium, wenn wir unser priesterliches Charisma zu ,verwässern' versuchten durch ein übertriebenes Interesse für das weite Gebiet der irdischen Probleme... Wir müssen uns den Sinn für unsere einzigartige Berufung bewahren, und diese Einzigartigkeit muß sich auch in der Kleidung zeigen.“

„Gefragt ist letztlich von den Menschen nur jener Priester, der sich seines Priestertüms im vollen Sinn bewußt ist: der tiefgläubige Priester, der mutig seinen Glauben bekennt, der eifrig betet, mit Überzeugung in der Lehre unterrichtet, der dient..., der selbstlos zu lieben weiß und allen nahe ist, besonders denen, die sich am meisten in Not befinden ...

Es ist unsere Aufgabe, der Wahrheit und Gerechtigkeit innerhalb der zeitlichen Existenz des Menschen zu dienen, aber immer im Hinblick auf das ewige Heil. Dieses trägt all jenem gebührend Rechnung, was der Geist des Menschen in dieser Zeit im Bereich der Wissenschaft und der Moral an neuen Erkenntnissen erworben hat...“

Auf die Problematik des Zölibats eingehend, verweist der Papst auf die Aussagen des Konzils, der Bischofssynode und Papst Pauls VI. und meint, man dürfe sich „über die vielen Einwände und Kritiken nicht all-'zusehr wundern, die sich in der Zeit nach dem Konzil verschärft haben, heute jedoch hier und dort wieder schwächer zu werden scheinen. Hat Jesus Christus nicht, als er seinen Jüngern das Problem der Ehelosigkeit ,um des Himmelsreiches willen' dargelegt hat, die Worte hinzugefügt: ,Wer es fassen kann, der fasse es!'“

„Die lateinische Kirche wollte und will weiterhin, daß nach dem Beispiel

Christi entsprechend der apostolischen Lehre und der ganzen Tradition alle jene, die- das Weihesakrament empfangen, diesen Verzicht um das Himmelsreiches willen auf sich nehmen. Diese Tradition... stellt eine Charakteristik, eine Besonderheit und ein Erbe der lateinischen katholischen Kirche dar, der diese viel verdankt. Die Kirche ist entschlossen, diese Tradition fortzusetzen trotz aller Schwierigkeiten, denen eine solche Treue vielleicht ausgesetzt ist, wie auch trotz der verschiedenen Anzeichen von Schwäche und Krise bei einzelnen Priestern ...“

Diese Auffassung solle weder den Wert der Ehe und die Berufung zum Familienleben abwerten noch die Liebe zwischen Mann und Frau. „Doch entspricht keines der Motive, mit denen man uns zuweilen zu überzeugen sucht, daß der Zölibat nicht mehr angebracht sei, der Wahrheit, die die Kirche verkündet und im Leben durch die Verpflichtung zu verwirklichen sucht, die alle Priester vor ihrer Weihe übernehmen ...“

„Der Zölibat ist eine Gnadengabe des Geistes; eine ähnliche, wenn auch andere Gnadengabe ist in dem großen Geheimnis des Ehesakraments enthalten, in der Berufung zu wahrer und treuer ehelicher Liebe, die auf leibliche Nachkommenschaft gerichtet ist.“

„Der Zölibat ,um des Reiches willen' ist nicht nur ein eschatologisches Zeichen, sondern hat auch große soziale Bedeutung für den Dienst am Volk Gottes im gegenwärtigen Leben. Der Priester wird durch den Zölibat zum ,Menschen für die andern', und zwar anders als jemand, der sich mit einer Frau zur ehelichen Gemeinschaft verbindet...“

„Indem der Priester auf diese den

Verheirateten eigene Vaterschaft verzichtet, sucht er eine andere Vaterschaft ... Sie sind Kinder seines Geistes, Menschen, die der Gute Hirte seiner Sorge anvertraut hat. Es sind viele Menschen, mehr als eine normale menschliche Familie umfassen kann ... Soll das Herz des Priesters für einen solchen Dienst... verfügbar werden, so muß er frei sein. Der Zölibat ist so Zeichen einer Freiheit, die sich zum Dienst bereit macht...“ „Jeder Christ, der das Weihesakrament empfängt, verpflichtet sich zum Zölibat voll bewußt und freiwillig, nachdem er sich mehrere Jahre lang durch gründliche Prüfung und eifriges Gebet darauf vorbereitet hat. Er fällt die Entscheidungen für ein Leben im Zölibat nur, nachdem er zur festen Überzeugung gelangt ist, daß Christus ihn zum Wohl der Kirche und zum Dienst für die anderen diese Gnadengabe schenkt... Es geht hier darum, das Christus und der Kirche gegebene Worte zu halten.“

„An all das gilt es vor allem in Stunden der Krise zu denken, um nicht gleich um Dispens zu ersuchen, als ob es sich um einen reinen Verwaltungsakt und nicht vielmehr um eine tiefreichende Gewissensfrage und eine Probe auf die eigene Menschlichkeit handelte.“

„Die Verpflichtung zur ehelichen .Treue, wie sie sich aus dem Ehesakrament ergibt, bringt in ihrem Vollzug ähnliche Pflichten mit sich und führt zuweilen für die verheirateten Männer und Frauen zu ähnlichen Prüfungen und Erfahrungen, so daß auch sie in dieser Feuerprobe den Wert ihrer Liebe erweisen müssen. Die Liebe ist ja in all ihren Dimensionen nicht nur Gabe, sondern auch Aufgabe. Fügen wir schließlich noch hinzu, daß unsere Brüder und Schwestern im Ehestand mit Recht von uns Priestern und Seelsorgern ein gutes Beispiel und das Zeugnis der Treue zum Beruf bis in den Tod hinein erwarten. Es ist die Treue zur Berufung, die wir im Weihesakrament so wie sie im Sakrament der Ehe übernommen haben.“

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