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Wird die Abfertigung geopfert

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Wer heute seit 25 Jahren in einem Betrieb arbeitet, zwei Kinder hat und 30.000 Schilling brutto verdient, kann sich freuen: Er hat Anspruch auf ein Jahresgehalt an Abfertigung und zahlt dafür nach der derzeitigen gesetzlichen Bestimmung ein Prozent Lohnsteuer.

Diese Besteuerung der Abfertigung ist eine der rund 150 Steuer Iichen Ausnahmebestimmungen. Sie beträgt zwischen sechs und null Prozent und richtet sich nach dem Familienstand. Ein Arbeitnehmer beispielsweise, der keine Kinder hat, muß sechs Prozent an den Fiskus abführen; bei mehr als zwei Kindern erübrigt sich jede Berechnung — die Abfertigung ist steuerfrei. Egal, ob jemand nun als Spitzenmanager Millionen oder „nur” 360.000 Schilling kassiert.

Laut Regierungserklärung sollen diese Ausnahmebestimmungen überprüft und notfalls gestrichen werden (siehe Kasten). 13. und 14. Monatsbezug sind davon ausgenommen. Mündliche Zusicherungen gab es allerdings auch von Vertretern beider Großparteien, daß dies auch für die Abfertigung gelte.

Aber hinter verschlossenen Türen ist das Thema Abfertigung für die Arbeitsgruppe, die sich mit der Steuerreform befaßt, längst kein Tabu mehr. Es wird — so hört man Spärliches aus dem Finanzministerium — erwogen, von den vorhin erwähnten fixen Steuersätzen abzugehen. Wie ein zukünftiges Modell aussehen könnte, ist noch offen. Fix ist, daß „es zu Umschichtungen kommt”.

Fällt diese Ausnahme tatsächlich und wird die Abfertigung z.B. in die steuerliche Progression genommen, so bedeutet das im Extremfall eine Besteuerung von 62 Prozent. Das heißt, jemand, der sich heute auf — sagen wir — seine 500.000 Schilling Abfertigung freut, kriegt unjer Umständen etwas weniger als die Hälfte.

Zweifellos hat es seine Richtigkeit, etwas in Frage zu stellen oder ändern zu wollen, das bei seiner Erfindung auf ganz anderen Füssen stand als heute. Die Abfertigung beispielsweise war ein Produkt des Kampfes um den Kündigungsschutz und wurde 1920 ins Angestelltengesetz aufgenommen. Wer einen Betrieb verlassen mußte, dessen Lebensstandard sollte nicht gleich drastisch abfallen. Heute ist es gängige Auffassung, die Abfertigung als eine Art Treueprämie für lange Zugehörigkeit zu einer Firma oder als angespartes Entgelt zu sehen.

Was machen die Pensionisten mit ihrem Geldsegen auch meistens? Sie kaufen eine Wohnung, gönnen sich endlich eine große Reise und so weiter. Man kann sich leicht ausmalen, was es — auch volkswirtschaftlich—bedeutet, wenn ein heute 57jähriger sich auf angenommen 450.000 Schilling freut und plötzlich mit viel weniger zufrieden sein muß.

Daß der Finanzminister Geld braucht, ist kein Geheimnis, daß eine Steuerreform kommen soll, auch nicht. Aber daß um eine ( mögliche Änderung der Abfertigungsbesteuerung so eine Geheimniskrämerei herrscht, ist unverständlich. Erstens treffen neue Maßnahmen in Sachen Abfertigung die breite Masse der Bevölkerung. Zweitens ist es sinnvoller, jetzt mit offenen Karten zu spielen, als vielleicht nachher unter einem möglichen Proteststurm eine Husch-Pfusch-Aktion durchzuführen.

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