6836668-1975_18_14.jpg
Digital In Arbeit

Wirklichkeit, Zauberwelt

Werbung
Werbung
Werbung

Um des Erfolges willen kehrte Ferdinand Raimund in seinem letzten Stück bis zu einem gewissen Grade zur Art der Märchen- und Zauberstücke seiner Frühzeit zurück. Es fehlt dem älteren und weitgehend pessimistischen Autor jedoch die ungebrochene Naivität seiner ersten Werke. So entsteht im Verschwender ein Bruch: Einerseits führt der Autor übernatürliche Mächte ein, die das Geschick des Menschen leiten, anderseits haben sie ihre Gewalt über ihn verloren; der Mensch, hier der Held des Stückes, entscheidet selbst über sein Schicksal. Die Handlung des „Verschwenders“ wäre auch ohne das Eingreifen der Fee in sich geschlossen. Die märchenhafte Wiederherstellung des Reichtums ver-unklärt die Aussage des Stücks. Glück ist für Raimund Zufriedenheit, nicht Besitz. Der Mensch muß und kann, wie Valentin, in der Wirklichkeit seine Erfüllung finden, wenn er das rechte Maß wahrt.

Es bedarf einer geschickten und zielbewußten Inszenierung, um das Stück als einheitliches Ganzes auf die Bühne zu bringen. Prof. Karl Goritschan gelang es nicht, das große heterogene Ensemble zu einer geschlossenen Gesamtleitung zu führen. Die farblich laute Dekoration der 17 Bilder von Karl Weingärtner hatte zuwenig Märchencharakter, sie brachte statt der angemessenen Süße Unruhe und grelle Effekte auf die Bühne. Intendant Helmut Wlasak als Valentin, der in den intellektuelleren Rollen der Nestroystücke immer wieder brilliert, war in den beiden ersten Aufzügen ein guter Unterhalter, ließ jedoch die dümmlich-gutmütige Naivität der Dienerfigur vermissen, überzeugte dann aber ganz als Familienvater und Tischlermeister. Hier konnte er menschliche Reife und Überlegenheit glänzend ausspielen. Gretl Fröhlich als Rosa spielte wieder einmal ein charmantes und witziges Kammermädchen und gefiel auch als von Sorgen geformte verhärtete Kleinbürgerin. Die Schönlingsrolle des Flottwell war mit Gerhard A. Matten angemessen besetzt, doch ließ er Assoziationen an seinen englischen Prinzen in Hasenclevers „Münchhausen“ aufkommen. Den niederträchtigen Wolf, dem Kurt Müller-Waiden durchaus Profil gab, hätte man sich in den ersten Szenen etwas zynischer und abgefeimter vorstellen können. Der Präsident und Amalie (Otto Mrazek und Johanna Lindinger) müßten durch eine starke Regie geführt werden. Hat doch Mrazek wiederholt gezeigt, was in ihm steckt. Die Fee Cheristane (Liane Wagner) ist wohl nur von einer Schauspielerin großen Formats glaubhaft darzustellen. — Doch Raimunds wienerischer Charme trug den Sieg davon, das volle Haus amüsierte sich und sparte nicht mit Applaus.

Seit der Spielzeit 1967/68 läuft in Innsbruck ein Richard-Strauss-ZyJcIus. Von den sieben bisher inszenierten Opern sind „Arabella“, „Daphne“ und „Elektra“ wegen der guten Leistungen besonders zu erwähnen. So waren die Erwartungen an das achte Werk dieser Reihe entsprechend hochgespannt.

Während der „Rosenkavalier“ z. B. mit seinem Klangzauber und seiner gefälligen, einsträngigen Handlung dem Publikum sehr entgegenkommt, ist die „Ariadne“ diffizil und weniger zugänglich. Die eigenartige Mischung aus „opera seria“ und „opera buffa“ ergibt ein Spiel auf verschiedenen Ebenen. Was im Text von Hugo von Hofmannsthal Entgegensetzung von Ernstem und Heiterem, von Ideal und Wirklichkeit ist, findet in der Musik eine Entsprechung im Gegensatz zwischen archaisierendem Stil und spritzigem Parlando im Konversationston. Das Orchester ist zum Kammerorchester reduziert.

Helmut Wlasak inszenierte das Werk mit der ihm eigenen Musikalität, Sorgfalt und Liebe zum Detail. Im Vorspiel kam so die Turbulenz der letzten Vorbereitungen des Theaters im Theater bestens zum

Ausdruck. Das von Peter Mühler entworfene Stadtpalais gab den rechten Rahmen für die kleinen und großen Enttäuschungen und Dispute. Die komödiantisch wirkungsvolle Rolle des Haushofmeisters wurde von Wlasak selbst mit Vergnügen gespielt. Auch das Bühnenbild des zweiten Teils, der eigentlichen Oper, zeigte die „wüste Insel“ reizvoll aus dem Blickwinkel des Rokokomenschen.

Mit Temperament und Charme sang und spielte Gertraud Eckert die Partie des jungen Komponisten, wenngleich ihr als Mezzosopran eine Grenzleistung in der Höhe abgefordert wurde. Alle Figuren des Vorspiels sind einfallsreich gezeichnet, die köstlichen Starallüren der Primadonna und des Tenors entzückten ebenso wie das Ensemble der Come-dia dell'arte mit Ina Haidinger als

niedlicher temperamentvoller Zerbi-netta, die sich auch in der „Oper“ mit Charme profilierte und ihre außergewöhnlich schwierige Koloraturarie, wenn auch nicht ganz einwandfrei, so doch zur Zufriedenheit des Publikums absolvierte.

Eine Glanzleistung bot bei der Premiere Linda Trotter als Ariadne mit ihrer schönen, strahlenden Stimme. Leslie Johnson, die am zweiten Abend die Ariadne sang, konnte Frau Trotters Wohlklang und sängerische Leistung bei weitem nicht erreichen. Der als Gast verpflichtete Ticfio Parly entsprach mit seiner volltönenden Stimme dem Bacchus durchaus. Ausgezeichnet besetzt waren Na jade, Dryade und Echo mit Annelies Hückl, Gertraud Eckert und Romana Wichmann. Edgar Seipenbusch führte das kleine Orchester mit sicherem Gespür für die eigenwillige Komposition. Besonders am zweiten Abend, als er das Orchester noch mehr zurücknahm, wurde die kostbare Partitur durchsichtig und delikat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung