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Wirtschaft und soziales Gefiige

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Die großen Pleiten der letzten Zeit, allen voran Eumig, und die chronisch kranke Stahlindustrie der Mur-Mürzfurche bereiten nicht nur Politikern und Industriemanagern Kopfzerbrechen. Die sozio-ökonomischen Strukturen des Landes weisen aber starke regionale Unterschiede auf.

So bindet der Raum Graz trotz weithin ungünstiger Arbeitsmarktlage immer noch Arbeitskräfte aus der weiteren Umgebung, vor allem Fachkräfte, an denen zum Beispiel im Raum Leibnitz Mangel herrscht, und zieht weitere an. Dienstleistungsbetriebe und die Verwaltungseinrichtungen von Land und Stadt decken ihren Bedarf an Mitarbeitern aus allen Teilen des Landes. Als Universitäts- und Schulstadt erhält Graz weiteren Zuzug, obwohl das Gespenst der Arbeitslosigkeit auch für höhere Schulabgänger, Absolventen der pädagogischen Akademien und Akademiker, immer häufiger Wirklichkeit wird. Doch stellen diese Gruppen kein wirtschaftliches Problem dar, solange sich ihre Zahl in Grenzen hält.

Anders verhält es sich beim obersteirischen Industriearbeiter. Wenn in der Region Aichfeld Murboden oder im Raum Leoben-Bruck Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit steigen, ist das nicht nur eine Angelegenheit der direkt Betroffenen. Die in den Jahren der Konjunktur, vielfach durch Uberstunden und eigenen Arbeitseinsatz, errichteten Häuser, ebenso Eigentumswohnungen, sind längst nicht ausfinanziert. In wirtschaftlich sterbenden Räumen sinkt auch der Konsum, ist auch der Handel in Mitleidenschaft gezogen.

Für den einzelnen läßt sich das Problem vielleicht durch Pendeln nach Wien oder in andere strukturell begünstigte Regionen lösen. Für die betroffenen Gemeinden zeichnet sich ein Debakel ab. Wohnungseigentum ist in Judenburg schon jetzt nahezu unverkäuflich, so wird auch der von den Politikern geforderte „flexiblere Arbeitnehmer*' zum Bleiben gezwungen.

Auch in der Oststeiermark gibt es Probleme, die jedoch strukturell anders gelagert sind. Die agrarische Komponente spielt hier eine weit größere Rolle als in den Industriegebieten der Obersteiermark. Hier bedeuten Schwierigkeiten großer und mittlerer Firmen für die Arbeitnehmer häufig einen Verlust an Komfort und Lebensqualität, weniger aber eine direkte Bedrohung der Existenz. Der Landwirt, der seinen Betrieb im Nebenerwerb weiterführte, kann die landwirtschaftliche Produktion, wenn auch oft unter Schwierigkeiten, wieder in vollem Umfang aufnehmen.

Dazu kommt, daß zum Beispiel bei Eumig eine hohe Quote von Frauen beschäftigt war, deren Arbeit mithalf, das Familieneinkommen aufzubessern, die aber nicht ausschließlich die Existenz einer Familie sicherten. Auf lange Sicht hätte die Oststeiermark mehr unter dem Ausbleiben des Fremdenverkehrs zu leiden. Schon jetzt müssen die traditionellen Urlaubsorte der Wiener

Einbußen hinnehmen, weil die Jahr für Jahr wiederkehrenden treuen Sommergäste alten Schlages im Aussterben sind. Gerade für den neuen Trend „Wanderbares Osterreich” bietet jedoch die weitgehend von Industriekomplexen freie Landschaft gute Aussichten. So, wie sich die gleichfalls agrarische Gesellschaft der Dachstein-Tauernregi-on mit Erfolg Sommer- wie Wintersaison zunutze machen konnte.

Wie die gesamte Steiermark, leidet auch das Industrierevier im Raum Köflach-Voitsberg unter dem ungenügenden Verkehrsnetz. Die steirische Randlage kann nach dem Verlust der traditionellen Absatzgebiete in Südosteuropa nur durch einen großzügigen Ausbau des Verkehrs gemildert werden. Solange die Transportkosten und -bedingun-gen unbefriedigend sind, werden auch die Weststeirer um ihre Glasindustrie bangen müssen, von Betriebsneuansiedlungen zu-schweigen.

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Auch die Weststeiermark ist ein Hoffnungsgebiet des Fremdenverkehrs. In den Grenzgebieten zu Jugoslawien bekommt vor allem der Handel die restriktiven Devisenmaßnahmen des Nachbarlandes zu spüren. Die Lösung der steirischen Wirtschaftsfragen wird vor allem davon abhängen, ob es gelingt, die ungünstige Verkehrslage zu mildern und die Produktion intelligenter Produkte ins Land zu bekommen.

Da es unmöglich erscheint, ganze Industriezweige stillzulegen, wie die unter der weltweiten Stahlkrise leidenden Werke der Obersteiermark, müßte verstärkt in die Finalproduktion investiert werden. Erfolgreiche Beispiele und Ansätze zu weiteren Initiativen gibt es bereits.

Der Autor ist als Historiker Oberarchivar am Steiermarkischen Landesarchiv Graz, Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung sowie Mitautor des .Steirischen Geschichtskalender”.

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