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Wirtschaften in totaler Freiheit

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Friedrich A. von Hayek isl Vertreter eines radikalen Liberalismus. In Abwandlungen haben seine Theorien in den letzten Jahren wieder Anhänger gewonnen.

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Friedrich A. von Hayek isl Vertreter eines radikalen Liberalismus. In Abwandlungen haben seine Theorien in den letzten Jahren wieder Anhänger gewonnen.

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Am 8. Mai wird Friedrich August von Hayek 90 Jahre alt. Er gilt als bedeutendster lebender Repräsentant und vielleicht Vollender der subjektivistischen Österreichischen Schule der Nationalökonomie imd war Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften des Jahres 1974.

1899 in Wien als Sohn eines Arztes imd späteren Universitätsprofessors für Botanik geboren, studierte Hayek Rechts- und Wirtschaf tsTvissenschaften bei zwei der einflußreichsten Größen der österreichischen Schvile, nämlich bei Friedrich von ‘Weser und Ludwig ‘von Mises. 1927 wurde er erster Direktor des Österreichischen Instituts für Konjunktuiforschtmg (des heutigen Wirtschaftsforschungsinstituts); 1929 habilitierte ersieh. 1931imtemimmtHayekeine Vorlesungstour nach England, die ihm noch im selben Jahr einen Lehrstuhl an der London School of Economics einbringt, wo er bis 1950 bleibt. 1938 erwirbt Hayek die britische Staatsbürgerschaft. Bis 1962 ist er Prof essor für "Moral and Social Sciences" an der University of Chicago, dann folgt er einem Ruf an die Universität Freibuig. Hier wird er 1967 emeritiert, nimmt aber weiterhin zahlreiche Gastprofessuren wahi; tmter anderem von 1969 bis 1974 an der Universität Salzbxirg.

Hayek lieferte seine bedeutenden ökonomischen Werke zur Konjunktur-, CSeld- und Kapitaltheorie bereits in den dreißiger JahreiL Immer mehr geht sein Interesse aber über die engeren Probleme der Wirtschaftswissenschaft hinaus zu ihren sozialphilosophischen und erkenntnistheoretischen Gnmdlagen. Für dieses Gesamtwerk erhält er letztlich (übrigens gemeinsam mit Gimnar Myrdal, der allerdings in «>inpTn ganz anderen weltanschaulichen Lager stand) auch den Nobelpreis.

Die Positionen, die Hayek vertritt imd die ihn in den letzten Jahren wieder sehr aktuell werden ließen, sind die eines radikalen Liberalismus, wie er in Abwandlungen vor allem in den USA und in Großbritannien, aber auch anderswo wieder viele Anhänger gewonnen hat.

Hayeks Liberalismus geht zurück auf die VorsteUimgen der englischen Moralphilosophen des 18. Jahrhim-derts, für die gesellschaftliche Idealzustände, die auch als "natürlich" bezeichnet werden, nur auf Basis völliger Spontaneität vmd ungeplant

Zustandekommen; man spricht auch von "ungeplanter Ordnung". Diese Sicht versteht sich als diametral entgegengesetzte Position zum aufklärerischen Rationalismus, für den das Natürliche xmd Optimale nur Ergebnis planender Vemimft sein kann.

"Der Liberalismus", schreibt Hayek, "ergab sich also aus der Entdeckimg einer sich selbst bildenden oder spontanen Ordnimg gesellschaftlicher Erscheinungen, in der die Kenntnisse und die (Še-schickUchkeitaUer Mitglieder… weit besser genutzt werden können als in irgendeiner durch zentrale Leitung gebildeten Ordnung (…); und daraus folgt der Wunsch, sich dieser mächtigen spontanen Ordnungskräfte so weit wie möglich zu bedienen."

Die Gesellschaft ist von höchster Komplexität und läßt sich von einzelnen nicht durchschauen; sie läßt sich daher auch nicht planen. Alle staatlichen Eingriffe müssen demnach so weit wde nur möglich zurückgedrängt werden. Sie haben höchstens insofemBerechtigung, als sie den Schaden, den Übelwollende anrichten könnten, möglichst gering halten. AUes andere beeinträchtigt jedoch die Freiheit des uinrpInpn.MįpmaTif^ Und nichts SOll einem anderen etwas aufzwingen können.

Der Anspruch, daß ein solcher unbeeinflußter gesellschaftlicher Prozeß unter sozialer Harmonie ablaufe oder zu einer solchen führe, wird erst gar nicht erhoben. Im Gegenteil, es finden evolutionäre Prozesse zur Ausschaltung der weniger effizienten gesellschaftlichen Gliederungen statt. Man hat dem Hayek’schen Liberalismus daher häufig Sozialdarwinismus vorgeworfen. Den "weniger Effizienten" ist die Freiheit zu verhungern unbenommen.

Auch der letzte Sinn dieser völligen Freiheit des einzelnen besteht für Hayek nicht in der Steigerung einer sozialen oder sonstigen rechtigkeit. Was der einzelne und die Clesellschaf t aus dieser Freiheit machen, bleibt wieder nur ihnen selbst überlassen. Damit bleibt Hayeks Lehre aber merkwürdig orientierungslos.

Begriffe wie "Einkommensvertei-limg", womöglich auch noch "gerechte", werden von Hayek rundweg abgelehnt. So schreibt er in seinen "Grundsätzen einer liberalen CSesellschaftsordnung": "AUe Bestrebungen, eine "gerechte" Verteilung sicherzustellen, müssen… darauf gerichtet sein, die spontane Ordnung des Marktes in eine Organisation umzuwandeln, mit anderen Worten, in eine totalitäre Ordnung. Dieses Streben nach einem neuen (Serechtigkeitsideal führte… zur Verdrängung zweckunabhängiger Regeln individuellen Verhaltens dureh Organisationsregeln,… und zerstörte somit langsam me Grundlagen, auf denen eine spontane Ordnung beruhen muß."

Hayeks Haltung fußt zweifellos in den Entwicklungen der zwanziger und dreißiger Jahre und in seiner daraus folgenden Ablehnung jeder Art von Totalitarismus. In einem seinerSchlüsselwerke, "DerWegzur Knechtschaft" (1944), zeichnet er jede Form von Organisation als bereits vom Hauch des Totalitären angekränkelt. Von den Marxisten über die Sozialdemokraten zu den Konservativen mit ihren Verbänden und weiter bis zu den Nationalsozialisten wird dabei alles in einen Topf geworfen. Führt man sich weiters vor Auge, wie oft in der Geschichte gerade im Namen der Freiheit totalitäre Strukturen errichtet wurden, so bleibt Skepsis angebracht.

Zweifellos hat Hayek eüüge äußerst bedeutsame Fragen gestellt. Die sogenannten Deregulierungsmaßnahmen, die in einigen Ländern in den letzten Jahren unter dem Einfluß derartigen CJedankenguts vorgenommen wurden, haben jedoch nicht immer zu überzeugenden Ergebnissen geführt.

Der Autor Ist ToDiswiitKbaiUicher Edierte in der Natio-nlbwik.

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