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Wirtschaftliche „Seelenmassage“

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Noch klangen die Sparappelle des Finanzministers dem gelernten Österreicher im Ohr, als er vor kurzem vom gleichen Minister nun wieder zu mehr Konsumfreude aufgefordert wurde. Voriges Jahr, so wird der Österreicher belehrt, galt es, die Inflation zu bremsen, weshalb er Konsumaskese zu betreiben hatte. In diesem Jahr drohe die Arbeitslosigkeit, weshalb man mehr konsumieren und investieren solle, auch wenn dies die Inflation beschleunige.

Was soll dies bedeuten? Seelenmassage ä la Erhard, dem ehemaligen Mr. Wirtschaftswunder? Von ihm sagte einmal ein deutscher Nationalökonom, er sei ein großer Wirtschaftspolitiker gewesen, bevor er Seelenmasseur wurde. Tatsächlich kann eine Nation nur überwiegend aus Sparern oder überwiegend aus Verschwendern bestehen. Daß die Menschen je nach Konjunkturphase ihren Charakter ändern, ist schwer möglich. Sie sind keine auf Glockenzeichen dressierten Pawlow-schen Hunde, auch wenn dies die Behavioristen so haben möchten.

Aber abgesehen von dieser psychologischen Einschätzung: Kann die jeweilige wirtschaftliche Situation über den Konsum dirigiert werden, indem man diesen einmal forciert und dann wieder zurückpfeift? Nach übereinstimmender Ansicht vieler Wirtschaftsexperten hat zum Niedergang der britischen Wirtschaft in der letzten Dekade nicht zuletzt eine solche fatale „Stop-and-go“-Politik entscheidend beigetragen, ein konstantes Manövrieren zwischen Ankurbelung und Bremsung, zwischen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Bekämpfung der Inflation — mit dem Resultat, daß es sowohl immer mehr Arbeitslose als auch immer mehr Inflation gibt.

Sicherlich, diverse Konsumgüterbranchen — aber nicht nur sie — sind . von der aktuellen Stagnation stark betroffen. Viele von ihnen leiden aber keineswegs unter zu geringer Konsumfreude des Österreichers, sondern unter Dumping-Importen aus Niedriglohn- und Staatshandelsländern. ' ÄBBWB

Die richtige Methode wäre daher die Einführung eines effizienten Dumpingschutzes für die inländische Industrie — eine Vorgangsweise, die in anderen Staaten durchaus an der Tagesordnung ist. Das aber geschieht in Österreich nicht, denn durch Dumping-Importe soll das österreichische Preisniveau gedrückt werden. Da aber gegenwärtig die meisten Preissteigerungen kosteninduziert sind, führen diese Importe nicht zur Senkung des inländischen Preisniveaus, sondern nur zu Absatzschwierigkeiten der Betriebe und damit zu Kurzarbeit und Entlassungen. Dem soll dann wieder durch Konsumankurbelung ohne Rücksicht auf die Inflation entgegengewirkt werden. Fazit: Der inländischen Wirtschaft wird erst recht nicht geholfen, sondern die ausländischen Lieferanten sind die lachenden Dritten.

Die Situation ist grotesk: Da werden ohne Rücksicht auf die inländischen Arbeitsplätze zwecks Inflationsbekämpfung Dumping-Importe zugelassen, und dann werden ohne Rücksicht auf die Inflation Konsumappelle ausgestoßen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das Resultat einer solchen Politik können nur Arbeitslosigkeit und Inflation sein.

Dabei kommt der Mehrkonsum in den meisten Fällen gar nicht der inländischen Wirtschaft zugute. Rezente Konjunkturanalysen zeigen sehr deutlich, daß die in diesem Jahr ohnehin wieder steigenden Konsumausgaben in erster Linie für neue Autos und für Benzin — beides keine österreichischen Produkte — verwendet werden. Dazu werden im Sommer auch noch die Auslandsurlaube kommen.

Beschäftigungspolitik ist zweifellos notwendig. Aber sie muß am richtigen Platz und mit den richtigen Methoden betrieben werden.

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