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Wirtschaftsmisere fördert die Wiedervereinigung

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Schon im türkischen Sektor von Nikosia, der sich seit 1974 stolz Lefkoscha - Hauptstadt der zyperntürkischen Republik nennt, spürt man die Krise auf Schritt und Tritt. Die demonstrierenden Bauern mit ihren Traktoren sind endlich abgezogen, geblieben sind die Preiserhöhungen und die politische Verunsicherung der Bevölkerung in dieser Besatzungszone der Türkei. Die 70prozentige Zollerhöhung vom Jahresanfang hat die K as-sen von Ankaras zypriotischem Mari onette'nstaat noch immer nicht gefüllt, die von ihr ausgelöste Preislawine hält an.

Dabei hätten sich die Zyperntürken längst keine Illusionen darüber machen dürfen, der Wirtschaftskrise zu entgehen, welche die Türkei nun schon seit mehr als einem Jahr bis an den Rand des Bankrotts heimsucht. Und da sich langsam herumgesprochen hat, daß jenseits der „Grünen Linie“ im griechisch gebliebenen Süden der Insel selbst die von ihnen aus dem Norden vertriebenen Flüchtlinge ein besseres und billigeres Dasein führen, sehen sich die 120.000 Türken in ihrem viel zu groß geratenen „Spalterstaat“ auf einmal vor eine unvorhergesehene Alternative gestellt: Doch wieder mit den Zyperngriechen im Wohlstand zu leben, statt in der Not den Nationalstolz zu pflegen.

So haben Teuerung, Inflation und Stagnieren der Wirtschaft in Sachen Wiedervereinigung der Inselrepublik zuwegegebracht, was weder die Verhandlungen zwischen den beiden Volksgruppen noch das türkisch-griechische Gipfeltreffen von Montreux, weder die UNO noch die jüngsten Drohungen der zyperngriechischen „Befreiungskommandos“ mit einem Partisanerikrieg gegen die Besatzungstruppen Ankaras herbeiführen

konnten: Eine dem Zusammenschluß beider Teilstaaten Zyperns ausgesprochen günstige Atmosphäre.

Der zyperntürkische Führer Denk-tasch will diesen Stimmungswandel zwar noch nicht wahrhaben. Auf Ostern ist jedoch aus diesem Grunde sein engster Mitarbeiter Necat Konuk vom Posten eines Ministerpräsidenten in Lefkoscha zurückgetreten. Die vom ehemaligen Vizepräsidenten des unter Makarios geeinten Zyperns, Kücük, geführte Opposition gegen den zu sehr die Interessen der Türkei und zuwenig die eigentlichen Anliegen der zyperntürkischen Minderheit vertretenden Denktasch hat damit vehementen Auftrieb erhalten.

Konuk hat nämlich auch die Führerschaft der bisher tonangebenden Vereinigten Nationalpartei aufgegeben. Seine Versicherung, er wolle sich nur ins Privatleben zurückziehen, wird in Lefkoscha natürlich von niemandem ernstgenommen. Zyperntürkische Journalisten wollen ihn schon als regelmäßigen Gast in dem alten venezianischen Fort gesehen haben, auf das sich der nach Eintracht mit der griechischen Bevölkerungsmehrheit drängende Kücük seit seiner Entmachtung grollend zurückgezogen hat.

Die jüngste Preiswelle war nur der letzte Schlag für die von Anfang an kranke Wirtschaft des türkischen Teilstaates auf Zypern. Dabei hatte dieser bei seiher gewaltsamen Bildung durch die vom Festland kommenden Invasionstruppen im Sommer 1974 den Großteil aller industriellen, landwirtschaftlichen und Fremdenverkehrsbetriebe der Insel an sich gerissen. Mit Austreibung der hochqualifizierten zyperngriechischen Arbeitskräfte stehen jedoch Fabriken und Orangengärten, Hotels und Werften nun schon

bald vier Jahre völlig verwaist da. Die Inflation stieg 1976 auf 38 Prozent und dürfte im Vorjahr kaum darunter gelegen haben. Grundnahrungsmittel und andere Bedarfsgüter kosten im türkischen Norden zwischen 100 und 150 Prozent mehr als im von Flüchtlingen überschwemmten, weniger produktiven Süden von Präsident Kyprianou. Während sich dort das zyprische Pfund von der Talfahrt des Sterüngs lösen und auf seinem Wert von 1972 halten konnte, wirkt sich in der Machtsphäre von Denktasch jede der laufenden Abwertungen der türkischen Lira sofort aus. In den wenigen arbeitenden Fabriken löst ein Streik den anderen ab.

Gleichzeitig mit Regierungschef Konak hat auch der zyperntürkische Außenminister Vedak Celik seinen Rücktritt eingereicht. Er ließ durchblicken, daß er es satt habe, Chef der Diplomatie eines Staates zu sein, dessen einzige Botschaft in Ankara anerkannt sei. Auch er will nun für Zyperns Wiedervereinigung wirken.

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