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Wissen sie, was sie tun ?

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Wir haben sie gewählt, diese Herren Bundesminister und Oppositionsführer, die seinerzeit Stein und Bein geschworen haben, der Republik und dem Wahlvolk zu dienen. Wir haben sie uns zwar nicht ausgewählt, aber immerhin gewählt, haben der einen oder anderen Partei unsere Stimme gegeben; und was bieten uns dafür in diesen Tagen die von uns gewählten und von uns besolde-

ten Herren? Sie betätigen sich als Steuerschnüffler und führen uns vor Augen, daß sie den Sinn für die Wirklichkeit verloren haben.

Wäre es nicht so traurig, verhängnisvoll und zudem geschmacklos — es wäre zum Lachen.

Aber das Lachen vergeht uns, wenn im Rahmen der allabendlichen Nachrichten diese unsere Zeit tatsächlich im Bild erscheint, und wir sind sogleich im Bild, wenn uns das Porträt des Sozialministers gezeigt wird, der verfügt hat, daß die Ärmsten unter den Pensionisten im kommenden Jahr als Soforthilfe Schilling Fünfhundert erhalten werden, aber nicht auf einmal, denn mit einmal Schilling Fünfhundert könnten sie ja am Ende noch etwas Vernünftiges anfangen, dem Enkel ein paar Schuhe oder sich selbst einen Mantel kaufen, vielleicht gar ein paar Tage in den Bergen verbringen — nein, die Pensionisten bekommen im Frühling Schilling Zweihundert und im Herbst Schilling Dreihundert.

Was kümmert's die Herren, die geben an einem einzigen Abend mehr aus, sie haben es ja verdient, und zwar womit? . Mit ihrem Dienst am Wahlvolk, unter anderem mit ihrer weisen Einteilung des Steueraufkommens, die ihnen nun gestattet, den Ärmsten einmal Zwohundert und einmal Dreihundert zu schenken.

Da besucht ein Jurist einen anderen Juristen, nämlich ein Herr Doktor Graff einen Herrn Doktor Kreisky, erzählt über das Vorhandensein der Tonbandaufnahme eines illegal abgehörten Gesprächs, also über das Ergebnis eines Verbrechens. Und der Jurist, dem solche Mitteilung gemacht wird, fordert seinen Besucher nicht auf, das Verbrechen anzuzeigen, sondern möchte das Tonband anhören. Der Besucher spielt es nicht vor, vielleicht hat er gerade kein Tonbandgerät an der Hand, und damit trennen sich die beiden Juristen — und keinem der beiden fällt auf, daß hier gerade ein Verbrechen vertuscht wird.

Warum fällt es ihnen nicht auf? Der Psychiater fände wohl Motive ohne Zahl. Seine Arbeit sei indessen erleichtert durch Zuflüsterung einer sanften Vermutung: Die beiden Juristen sind in ihrer Abneigung gegenüber einem drit-

ten Doktor namens Hannes Androsch vereint.

Also gut, das war damals, könnte man sagen, aber so ist es nicht, denn: Der eine Jurist, der inzwischen zum Generalsekretär seiner Partei geworden ist, argumentiert immer noch mit dem Vorhandensein seiner Tonbänder, und der andere Jurist äußert die Meinung: die endgültige, für den dritten Doktor günstige Entscheidung der Steuerbehörde hätte für ihn keine Geltung.

Ein seltsames Duett, fürwahr. Sonderbar auch, daß den beiden Herren eine Kleinigkeit nicht auffällt, und diese ist mit einem Satz formuliert. Der Satz lautet: Uns, das Wahlvolk, interessiert das alles nicht oder nur sehr mäßig, wir wollen, daß sich die Herren liebenswürdigerweise mit den großen Fragen unserer Zeit befassen, mit der Arbeitslosigkeit zum Beispiel, mit der Energiepolitik, mit der Landesverteidigung, mit der Entwicklungshilfe, mit dem Bildungsverlust in den Schulen.

Eilen die Herren vielleicht nach Zwentendorf, nach Hainburg oder zu den Arbeitslosen? Nein, der Bundesminister für Finanzen eilt persöhnlich zu den Justizbehörden, um über Mitteilungen eines anonym bleiben wollenden Bankangestellten Mitteilung zu machen und anschließend nach China abzufliegen, wo er wohl wichtige Verhandlungen zu führen hat, unter anderem auch über komplizierte Finanztransaktionen, die vielleicht dann über die größte verstaatlichte Bank des Landes abgewickelt werden müssen unter Leitung des Mannes, den er vor seinem Abflug noch rasch rasch angezeigt hat.

Zwentendorf? Wichtig ist, man diskutiert. Hainburg? Hauptsache, man hält am Ende nicht den Schwarzen Peter in der Hand. Im Augenblick befindet er sich beim niederösterreichischen Landesrat Brezovszky und damit bei den Sozialisten; die ÖVP wird sich hüten, diese Karte zugespielt zu bekommen, denn schwarz ist zwar gut und schön, aber der Schwarze Peter muß es nun doch nicht sein.

Daß die Freiheitlichen in Kärnten gerade die slowenische Minderheit bedrängen, während der von ihnen gestellte Verteidigungsminister die Slowenen verteidigt, woraufhin der Parteiobmann sich aus der Diskussion vornehm heraushält, denn was sollen schon Prinzipien, wenn es darum geht, in Kärnten deutschnationale Stimmen zu sammeln — dieses matte Spielchen kann sich mit den Darbietungen der anderen Herren nicht messen.

Eine große Anzahl unserer Politiker sägt mit geradezu spielerischem Vergnügen am Ast, auf dem sie sitzt. Noch ein paar durchgesägte Äste, und der Baum ist gefährdet. Es geht um die geistige Substanz, also letztlich um die Existenz der Demokratie.

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