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Wo die Kunst das Management küßt

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„Kunst wirkt befruchtend auf die Geschäfte“, wurde dieser Tage im Management-Club festgestellt. Amerikanische Mäzene wissen längst Bescheid über diesen Zusammenhang.

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„Kunst wirkt befruchtend auf die Geschäfte“, wurde dieser Tage im Management-Club festgestellt. Amerikanische Mäzene wissen längst Bescheid über diesen Zusammenhang.

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Das Mäzenatentum hat in den USA eine lange Tradition. Seine Anfänge reichen zurück bis in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Die Rolle, che die Wirtschaft als Förderin von Kunst und Wissenschaft spielt, ist so bedeutend, daß man ohne Übertreibung sagen kann, daß sie ein fester Bestandteil der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte ist. Oder anders ausgedrückt: Die Entwicklung des amerikanischen Mäzenatentums spiegelt sich in der Wirtschaftsgeschichte der USA wider:

Zu den ersten großen Förderern der schönen Künste gehörten zum

Beispiel die Grubenbesitzer Guggenheim und Frick, die Stahlindustriellen Mellon und Carnegie; ins ausgehende vorige Jahrhundert fielen die Anfänge der Erdölförderung, die untrennbar mit Namen wie Rockef elle% oder Get-ty verbunden sind.

Heute sind es vor allem die jungen Industriezweige, zum Beispiel die Computer- und die Getränke-Industrie, sowie die großen Banken, die als Mäzene auftreten.

Folgen Sie mir nun zu einem Spaziergang durch Manhattan, wo man dem Mäzenatentum in besonderer Dichte begegnet. Sie werden staunen, wem wir da allem begegnen.

Beginnen wir unseren Rundgang bei jenem Museum, dessen Architektur vom Inneren eines Schneckenhauses inspiriert und das nach dem mit dem Bergbau reich gewordenen Simon Guggenheim benannt ist. (Das Guggenheim-Museum zeigt derzeit eine große Kokoschka-Ausstellung aus Anlaß des 100. Geburtstages des Künstlers.)

In wenigen Minuten erreichen wir den riesigen Komplex des Metropolitan Museums, dessen Flügel und Sonderschauen nach ihren Mäzenen benannt sind. Von hier führt der Weg quer durch den Central Park hinüber auf die Westseite, zum Lincoln Center, einem großen architektonischen Wurf der sechziger Jahre, das in seinen Ausmaßen und seinem Layout an einen Tempelbezirk der Antike erinnert. Wir betreten im Zentrum das Gebäude der Metropolitan Opera, werfen einen Blick auf den prachtvollen Bleikristall-Luster, ein Geschenk der Republik Österreich, und lesen die in Marmor gemeißelten Namen jener Sponsoren, die zum Bau der „Met“, wie sie von den New Yor-kern liebevoll genannt wird, beigetragen haben.

Es verdient hier angemerkt zu werden, daß sowohl die Oper als auch die anderen amerikanischen Bühnen nur geringe Zuwendungen aus Budgetmitteln bekommen.

Auch drei weitere Musen-Tempel des Lincoln Center zeugen vom amerikanischen Mäzenatentum: Die Allice Tulley-Hall, die Avery-Fisher-Hall und das Vivi-an Beaumont-Theater.

In der Fifth Avenue bei der 59. Straße ist im General Motors Building, einem mit weißem Marmor verkleideten Wolkenkratzer, die größte in Familienbesitz befindliche Kosmetikfirma der Welt, Estee Lauder, untergebracht. Sie fördert nicht nur das Museum of Modern Art, sondern auch die Wissenschaft, nämlich die renommierte Wharton School of Econo-mics in Philadelphia.

Von hier ist es nur ein Steinwurf zum imposanten IBM-Wolkenkratzer in der 57. Straße, einer der elegantesten Einkaufsstraßen Manhattans. Der Computer-Gigant ist ein vielseitiger Förderer der Künste: Er veranstaltet gratis zugängliche Konzerte klassischer Musik und präsentiert in seiner „Gallery of Science and Art“ laufend Ausstellungen. Momentan ist dort eine Bugholzmöbel-Schau zu sehen. Würde man die österreichischen Exponate entfernen, bliebe von der gesamten Ausstellung kaum etwas übrig.

Ebenfalls in der 57. Straße befindet sich ein Konzerthaus, die Carnegie-Hall, die den Namen des legendären Eisen- und Stahlindustriellen Andrew Carnegie trägt, der seine Laufbahn als Schuster begann.

Wir machen nun einen kurzen Abstecher zum Museum of Modern Art. Hier schloß erst vor wenigen Wochen die sensationelle Ausstellung „Vienna - 1900“, die rund 380.000 Besucher verzeichnete, ihre Pforten. Das Museum wird von 120 Mäzenen gefördert.

Im Finanzviertel, nur wenige Schritte von der Wall Street entfernt, bleiben wir vor dem Wolkenkratzer der Chase Manhattan-Bank stehen. Der große Platz vor dem Gebäude erhält durch eine Monumentalplastik des Bildhauers Jean Dubuffet (siehe Foto) eine besondere Note. Die Direktionsetagen bergen wertvolle Sammlungen, sowohl orientalischer als auch afrikanischer Kunst. Die Chase verdankt diese Kunstschätze ihrem früheren Generaldirektor David Rockefeiler, der ebenso wie sein Bruder Nelson ein hervorragender Kunstsammler und Förderer ist.

In die Stadtmitte zurückgekehrt, führt uns der Weg durch die 2nd Avenue, vorbei am Büro von Malcolm Forbes, Verleger und König eines Zeitungsimperiums. Er gilt als einer der bedeutenden Kunstsammler und Förderer der Gegenwart.

Wir kehren nun zur 5th Avenue zurück und halten vor einem schmucken Stadtpalais inne. Hier wohnte einst der Kohle-Magnat Henry Elay Frick. Heute ist das Haus ein Museum, in dem seine Gemäldesammlung, die Frick-Collection, der Öffentlichkeit zugänglich ist. Hier, unweit des Ausgangspunktes, endet unser Rundgang.

Beeindruckt davon, was sich hier auf kleinstem Raum an Mäzenatentum zusammenballt, fragt man sich, weshalb die Förderung von Kunst und Wissenschaft in den USA so eine bedeutende Rolle spielt.

Stellen wir diese Frage der außerordentlich erfolgreichen, soeben von einer Geschäftsreise nach Japan zurückgekehrten, Österreicherin, Bee Medinger. Sie lebt seit mehr als 20 Jahren in New York, hat hier Kunstgeschichte studiert und übt einen hochinteressanten Beruf aus: sie berät Firmen über den Ankauf von Kunstwerken. Zu ihren Klienten gehören vor allem Industriebetriebe, Banken und Versicherungsgesellschaften.

„Das Mäzenatentum spielt in Amerika deswegen eine viel größere Rolle als in Europa“, meint Frau Medinger, „weil nicht alle

Gewinne weggesteuert werden und daher die Finahzkraft sehr vieler Unternehmen sehr groß ist. Weitere wesentliche Faktoren sind: Das viel stärkere Kunstverständnis in den USA und auch die Überlegung, daß ein Mitarbeiter, der mit Kunstwerken in Berührung gebracht wird und dessen Kunstbegeisterung auf diese Weise geweckt wird, ein für das Unternehmen besserer und wertvollerer Mitarbeiter ist“.

Es soll hier aber keinesfalls der Eindruck entstehen, daß sich das Mäzenatentum auf New York beschränkt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bundeshauptstadt Washington ist dafür ein ausgezeichnetes Beispiel. Die Errichtung des am Ufer des Potomac gelegenen Kulturzentrums, das dem Andenken an Präsident John F. Kennedy gewidmet ist, wäre ohne Mäzene kaum möglich gewesen.

Oder man denke nur an die prachtvolle Gemäldesammlung der First Chicago National Bank-auf dem Platz vor dem Büroturm ist ein berühmtes Riesen-Mosaik von Marc Chagall aufgestellt -, an die Aktivitäten der Firma Standard Oil, ebenfalls in Chicago, an den kalifornischen Zeitungskönig William Randolph Hearst, an den kalifornischen ölmilliardär Paul Getty, Begründer des nach ihm benannten Museums, an die North Carolina National Bank in Charlotte, die nicht nur in den Repräsentationsräumen, sondern in jedem Zimmer ihres Bürogebäudes von ihr angekaufte Bilder lebender Künstler zeigt. Und schließlich an den Sitz des Getränkekonzerns Pepsi-Cola in der Nähe von White Plains, im Staate New York:

Hier führt uns Frau Key Niles durch die „Sculpture Gardens“, eine riesige, gärtnerisch wunderbar gestaltete Anlage, in der 40 moderne Plastiken aus Bronze, Marmor, Stahl, ja sogar aus Aluminium und Kunststoff, aufgestellt sind.

Von drei hohen Bronze-Säulen, die von Arnaldo Pomodoro geschaffen wurden, schlendern wir hinüber zu einer anderen Monu-mental-Plastik, zum Doppel-Oval von Henry Moore. Hier bleiben wir einige Augenblicke stehen, und Frau Niles meint nachdenklich: „Wenn Sie mich fragen, gibt es nirgends auf der Welt eine so große Kunstbegeisterung wie in den USA. Für mich ist sie die wichtigste Triebkraft des Mäzenatentums.“

Der Autor ist Leiter der Repräsentanz der Genossenschaftlichen Zentralbank AG in New York.

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