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Wo ist jetzt nur die „Ärzteschwemme”?

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Von den Gratiskondomen für Schüler bis zur Ehe für Homosexuelle hat Gesundheitsminister Michael Ausserwink-ler so ziemlich alles aufgegriffen, was Schlagzeilen macht. Es fällt zwar nicht alles unbedingt in seine Kompetenz, aber er ist stolz darauf, daß es ihm gelungen sei, „heiße Themen anzureißen”.

Das bedeutend heißere Thema der Personalmisere an österreichischen Spitälern mußte erst der Innsbrucker Oberarzt Kurt Grünewald anpacken, damit eine öffentliche Diskussion in Gang kommt. Da steht Ausserwinkler freilich nicht an, gleich auf Kompetenzmangel hinzuweisen. Damit hat er im Prinzip nicht unrecht, wenngleich ihn das bei seinen anderen Initiativen nicht gestört hat.

Faktum ist: Das Gesundheitsministerium ist seit seiner Gründung eine Fehlkonstruktion, ein Ressort mit Titel, aber ohne Mittel und ohne Kompetenzen. Der Sozialminister, jeder Landesfinanz-referent hat beim Gesundheitswesen ungleich mehr mitzureden. Und sozialbürokratische, föderalistische und standespolitische Interessen divergieren dabei auch noch ganz beträchtlich. Was dem Minister zufällt, ist die Rolle des Koordinators und Moderators im Gespräch jener, die das Geld und das Sagen haben. Genau in dieser Rolle hat sich Ausserwinkler allerdings bisher nicht bewährt.

Für das Gesundheitswesen wird viel Geld aufgewendet, 175 Milliarden Schilling waren es im Vorjahr, und der Finanzbedarf steigt von Jahr zu Jahr. Bessere Leistungen und neue Verfahren kosten auch mehr Geld, keine Frage. Aber ein beträchtlicher Teil der Mittel -Stichwort: Spitalsfinanzierung, die bis Ende 1994 fortgeschrieben wurde -wird nicht effizient genug eingesetzt, das System selbst hat sogar die Kostenexplosion ausgelöst. So gesehen ist das österreichische Gesundheitswesen heute katastrophal gut, halbwegs gut noch im internationalen Vergleich.

Daß aber erst einem Oberarzt der Kragen platzen mußte, um den Personalnotstand bei Fachärzten - die rund 4.500 fehlen ja nicht erst seit gestern -und beim Pflegepersonal in den Spitälern sowie ihre bis zur Erschöpfung reichende Belastung zum Thema zu machen, schafft kein Vertrauen in den Weitblick der Gesundheits- und Standespolitik. Wem klingt heute nicht noch die eindringliche Warnung von der „Medizinerschwemme” im Ohr nach?

Der öffentlichen Beruhigung dient jetzt ein eilig nach Innsbruck zusammengetrommelter Krisengipfel. Der ist allein Kurt Grünewald zu verdanken. Der Gipfel dabei: Daß die Krise selbst dazu nicht längst Anstoß gegeben hat.

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