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Wo Politik kein Thema ist

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Die österreichischen Frauen stellen den größten Teil des Wählerpotentials und sind damit für jede Wahl entscheidend. Als politische Partei kann man die Wahlrechnung nicht ohne die weiblichen Wähler in Österreich machen. Die Faktoren, mit denen die Rechnung jedoch aufgehen soll, bleiben weitgehend unbekannt.

Für jeden Umfrageforscher, der sich für mehr interessiert als die gerade aktuelle Stimmverteilung auf die politischen Parteien, ist die Banalität der Mechanismen, mit denen sich das politische Klima in Österreich beeinflussen läßt sowie die Eindimensionalität der wirksamen Argumente immer wieder eine Frustration.

Das Interesse der Frauen für Politik fällt im Vergleich zu der männlichen Bevölkerung relativ dürftig aus. Im folgenden wird aus einer Umfrage des heurigen Jahres zitiert, die vom Fessel- und GfK-Institut durchgeführt wurde. Sämtliche Ergebnisse sind repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ab 16 Jahre.

Etwas mehr als die Hälfte aller Österreicher interessieren sich nicht (eher weniger) für Politik. Während der Prozentsatz der „Politik-Ignoranten“ bei den Männern 44 Prozent beträgt, erreicht er bei den Frauen 61 Prozent.

Dreht man die Betrachtungsweise um, untersucht man also, wie sich die an Politik interessierten Österreicher geschlechtsmäßig strukturieren, so stellt man fest, daß 70 Prozent aller Interessierten Männer und lediglich 30 Prozent Frauen sind.

Auch die Reaktionen auf die Frage, welche Bereiche der Politik am meisten interessieren, gehen recht unterschiedlich aus. Während bei den Männern mit 44 Prozent die Bundespolitik im Vordergrund des Interesses steht, konzentriert sich das Interesse der weiblichen Bevölkerungs-

„Lediglich 44 Prozent aller Frauen in Österreich lesen täglich eine Tageszeitung“ gruppen eher auf die Gemeindepolitik (mit 38 Prozent bei den Frauen an der Spitze der Interessenhierarchie).

Es ist verwunderlich, daß die politische Praxis diese geschlechtsspezifische politische Rollenteilung noch nicht stärker in ihren Wahlkampf-thematisierungen aufgegriffen hat. In dieser politischen Nahbereichsfixierung der weiblichen Wähler müßte auch bei einem hohen Grad an politischer Distanz der Frauen eine Mobilisierungsreserve stecken.

Wertngleich sich das Interesse der Frauen hauptsächlich um die Kommunalpolitik zentriert, hegt bei der Frage nach der persönlichen Relevanz von Wahlentscheidungen die Nationalratswahl mit 58 Prozent an der Spitze der Nennungen (bei Männern mit 68 Prozent).

Auffallend ist die relativ hohe Wichtigkeit der Bundespräsidentenwahl für die Frauen (27 Prozent, hingegen bei Männern lediglich 19 Prozent). Es scheint also, daß die Wahl einer Persönlichkeit oder Vaterfigur weibliche Wähler eher anspricht, eine geschlechtsspezifische Dualität, an die die Schöpfer der Verfassung sicherlich nicht gedacht haben.

Analysiert man das politische Informationsverhalten der Frauen, so kann man sich des Eindrucks der Fremdprägung der politischen Information nicht erwehren. Selbständige Suche nach politischer Information bleibt ziemlich reduziert: Lediglich 44 Prozent aller Frauen in Österreich lesen täglich eine Tageszeitung.

Der politische Teil der Tageszeitung wird lediglich von 21 Prozent, also jeder fünften Österreicherin, mit täglicher Regelmäßigkeit konsumiert. Bei den Nachrichtensendungen im Fernsehen bleibt die Konsumdichte zwischen Männern und Frauen etwa gleich, hier gibt es gleichsam den Zwang des abendlichen Familienfernsehens. 59 Prozent der Männer und 53 Prozent der

Frauen sehen täglich oder fast täglich die Nachrichtensendungen.

Politische Magazine werden ab und zu konsumiert, von Männern zu 57 Prozent, von Frauen zu 48 Prozent.

Diese auffallend unterschiedliche Mediennutzung im politischen Bereich macht es, so kann man daraus ableiten, schwierig, Frauen differenziertere politische Botschaften zu vermitteln, da nur das Fernsehen, und hier vor allem die Nachrichtensendungen, als Medium mit breiter Wirkung zur Verfügung steht.

Der Kommunikationsradius des politischen Gesprächs ist bei der österreichischen Bevölkerung insgesamt relativ klein. Lediglich zwölf Prozent aller Befragten gaben an, mit einem großen Personenkreis über Politik zu sprechen (18 Prozent der Männer, sieben Prozent der Frauen).

Für die Frauen reduziert sich der Partnerkreis für politische Diskussion ziemlich ausschließlich auf die Familie (51 Prozent), während er sich bei den Männern ziemlich gleich verteilt auf Familie, Arbeitskollegen, Freunde und Bekannte.

Für die Frauen in Österreich ist Politik also kein Thema mit persönlicher Öffentlichkeitswirkung.

Eine Gruppe, die sich politisch praktisch öffentlich verschweigt, ist viel schwerer selbständig anzusprechen.

Eine vom IMAS-Institut Linz durchgeführte Studie über politische Prioritäten zeigt die auffallende Gleichförmigkeit der politischen Wunschvorstellungen von Männern und Frauen.

Es fällt ein Einklang zwischen den Geschlechtern auf, der sonst bei keiner demographischen Untergliederung festzustellen ist. Arbeitsplatzsicherung, Inflationsbekämpfung, Bekämpfung der Kriminalität und Maßnähmen, gegen die Steuergeld-verschwendung sind die gleichförmigen Leader auf der Hitliste der politischen Probleme.

Eine gleichfalls von IMAS ermittelte „Sorgenliste“ differenziert etwas stärker.

Hier liegt die Differenzierung eher im emotionalen Bereich. Während die Männer etwas stärker die Sachprobleme der Wirtschaftspolitik als Sorgen thematisieren (Staatsverschuldung, Steuerdruck), sind es bei den Frauen eher emotionale und soziale (zunehmende Zahl der Verkehrsopfer, Nachlassen der Hilfsbereitschaft, Untergraben der Moral durch Berichte über Sex usw.).

Natürlich lassen diese Befunde zwei Deutungen zu: auf der einen Seite die Deutung, daß es im Bereich der politischen Sachziele eben keine geschlechtsspezifische Differenzierung gibt, zum anderen, daß das politische Zielsystem der Frauen durch die Männerwelt vorgeprägt wird. Die Art des Informationsverhaltens der Frauen unterstützt diese These auf jeden Fall.

Zuletzt sei noch ein Befund zitiert, der die Aversion der Frauen gegen innenpolitische Themen offenlegt.

Auf die Frage, welche Themen in den Tageszeitungen interessieren, rangiert bei den Männern nach dem Lokalen (53 Prozent) die Wirtschaft mit 44 Prozent knapp vor der Innenpolitik (mit 43 Prozent).

Bei den Frauen fällt die Innenpolitik mit 24 Prozent weit ab, im Vergleich dazu stößt die Wirtschaft noch auf mehr Interesse. Naturgemäß spielt bei den Antworten auf diese Frage ein Wunschdenken eine Rolle. Die hohen Nennungen für „Wirtschaft'' sind sicherlich eine Ausprägung des „Arbeitsplatzsicherungs-Syndroms“, das die Beschäftigung oder das Interesse für Wirtschaft zu einer zumindest erklärten Zwangsübung macht.

Die erschreckende Distanz der Frauen zur Innenpolitik sollte ein Anstoß für die männlichen Politikmacher sein, sich um die anscheinend im Abseits stehende Mehrheit ihrer Wähler konkreter zu kümmern.

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