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Woher bekommen sie die Mehrheit?

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Alle, die bis in die Mittagsstunden des 26. April geglaubt haben, das Rennen um die Hofburg sei gelaufen, sind am Abend des Wahlsonntags aus allen Wolken gefallen. Thomas Klestil, dem manche zuerst nicht einmal zugetraut haben, gegen Heide Schmidt einen Stich zu machen, hat ein Ergebnis erzielt, das auch Rudolf Streicher, der als haushoher Favorit gegolten hat, gar nicht gut ausschauen läßt.

Um bei der Stichwahl am 24. Mai den Einzug in die Hofburg zu schaffen, müssen sich beide Bewerber jetzt weitere Wählergruppen erschließen. Solche, die Heide Schmidt und Robert Jungk im ersten Wahlgang an sich gebunden haben, und vielleicht auch solche, die bei den über 900.000 Nichtwählem brachliegen.

Die ORF-Fragerei vom Sonntag hat den Eindruck erweckt, als wäre das vor allem ein Problem Klestils. Und in Monopol-Kommentaren wurde noch ein Schäuferl nachgelegt: Klestil müsse jetzt quasi um die FPÖ-Klientel buhlen, gewinnt er dann, könnte das weitreichende innenpolitische Konsequenzen haben - bis hin zur schwarz-blauen Koalition. Im Umkehrschluß müßte dann aber ein Streicher-Erfolg ja das Vorspiel eines rot-blauen Bündnisses sein.

Unsinn. Keiner der Kandidaten wird am 24. Mai ohne Zulauf auch aus der Schmidt-Wählerschaft gewinnen.

Die Annahme, daß massenweise NichtWähler vom Sonntag mobilisiert werden könnten, ist durch nichts belegt. Vielleicht sind einige zur Stichwahl zu . bewegen, aber im Regelfall geht im zweiten Wahlgang die Wahlbeteiligung, am 26. April durchaus im Schnitt vergangener Urnengänge, sogar noch weiter zurück - etwa um jene, die wirklich nur Schmidt oder Jungk unterstützen wollten.

Tatsache ist vielmehr, daß sich die Schmidt-Schar aus wenigstens drei Segmenten zusammensetzt: aus dem Schmidt-Anteil selbst, darunter viele Frauen, aus dem nationalen FPÖ-Kern, der sich in der Vergangenheit - 1986 ausgenommen - mehrheitlich einem SPO-Kandidaten zugewendet hat, und aus den FPÖ-Protestwählern, die von der SPÖ und der ÖVP abgewandert sind. Bei diesen früheren Bindungen der mobilen Wähler könnten die beiden Präsidentschaftskandidaten ansetzen. Keiner muß deshalb schon Jörg Haider um den Hals fallen. Und ähnliche VorDispositionen schlummern auch im Jungk-Potential, das vom linken bis zum bürgerlichen Spektrum reicht.

Es wird ein hartes Werben um die mobilen Wähler, bis zuletzt. Streichers Chancen sind noch immer intakt. Aber Klestil ist jetzt auch für die nächste Überraschung gut.

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