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Woher rührt die „Wohnungsnot”?

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Rund 200.000 Menschen sind in Österreich auf Wohnungssuche. Für die nächsten 20 Jahre hat die Österreichische Raumordnungskonferenz einen Zusatzbedarf von 990.000 bis 1,36 Millionen neuen Wohnungen errechnet. Gar keine Frage: Das ist ein Schlüsselproblem der Innenpolitik.

Woher rührt diese „Wohnungsnot”? Emotionslos und mit nackten Zahlen geantwortet: Die österreichische Bevölkerung ist im vergangen Jahrzehnt -alle (Zu-)Wanderungsbewegungen bereits miteingeschlossen - um nicht ganz 257.000 Personen auf 7,8 Millionen gewachsen. Im gleichen Zeitraum wurden über 400.000 der heute insgesamt 2,94 Millionen bewohnten Wohnungen gebaut. Rechnerisch also überhaupt kein Problem, in der Praxis aber ein schier unlösbares.

Ein Bündel von demographischen und gesellschaftlichen Ursachen verbirgt sich dahinter. Etwa der erfreuliche Anstieg der Lebenserwartung, verbunden mit der Konsequenz, daß Wohnungen gegenüber früher länger „belegt” sind. Auch die zunehmende Scheidungshäufigkeit trägt zur Zuspitzung bei: Bei bereits über 16.000 Ehescheidungen im Jahr muß meist einer der Ehepartner auf Wohnungssuche gehen. Dazu kommt, daß zur Hebung der Wohnqualität zuvor billige Kleinwohnungen zusammengelegt werden: Allein im letzten Jahrfünft sind so 42.000 Kleinwohnungen bis 45 Quadratmeter vom Bestand „verschwunden”.

Dazu kommt außerdem - nicht nur durch die Alterspyramide oder auch durch Studentenzahlen bedingt - der Trend zu Single-Haushalten mit einer zusätzlichen Nachfrage, die wohlstandsbedingt noch weiter verschärft wird: Während Jugendliche früher länger im Familienverband gelebt haben, ziehen sie heute eher aus, von den Eltern „standesgemäß” mit Wohnraum ausgestattet. Und diese Liste der ursächlichen Nachfragefaktoren wird trotzdem noch unvollständig sein.

Angebot und Nachfrage: Gegenüber den Zahlungskräftigen haben die sozial Schwächeren, junge und große Familien darunter, das Nachsehen. Und Gastarbeiter müssen sich in Elendsquartieren zu überhöhten Mieten zusammenpferchen.

Die Wahrheit, die viele nicht auszusprechen wagen: Auf Sicht ist diese „Wohnungsnot”, wenn sich nicht die gesellschaftlichen Trends ändern, einfach nicht lösbar. So viele Wohnungen können gar nicht finanziert und gebaut werden. Um aber überhaupt mehr Wohnungen bauen zu können, werden wir in der Bauwirtschaft viele Gastarbeiter brauchen. Das eine fordern und die anderen nicht wollen: eine Scharlatanerie.

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