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Wohin ist Gott?

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In diesem Jahr erscheint sie im 25. Jahrgang in acht verschie- denen Sprachgebieten und zählt 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedensten Fachrichtun- gen zu ihren festen Autoren: die in- ternationale Theologenzeitschrift „Concilium". 1970 nach Vollendung ihres ersten Lustrums wurde von der Stiftung „Concilium" zu einem theologischen Kongreß nach Brüs- sel eingeladen. Im Jubiläumsjahr 1990 schien es die Zeitlage erneut zu fordern, einen theologischen Kongreß (9. bis 13. September) einzuberufen. Denn inzwischen haben sich weiterhin tiefgreifende Veränderungen im Verhältnis der Kultur zur Religion und den christ- lichen Kirchen vollzogen

Gott spielt im Gegenwartsphilo- sophieren kaum mehr eine konsti- tutive Rolle. Viele europäische Christen sind gezeichnet von Mut- losigkeit und Sterilität. Die Prä- senz einer römischen Monokultur scheint die da und dort lebendigen Regungen der Kirchen zu bremsen. Zwar stehen die Christen nicht nur an der Schwelle in das dritte Jahr- tausend, sondern schon auf der Schwelle, aber zögernd.

Diesen Eindruck konnte man bei diesem Kongreß in Löwen gewin- nen. Mehr als 500 Teilnehmer aus 51 Staaten hatten sich versammelt. Die Menschen und ihre Probleme waren präsent. Es wurde mutig, ja bekennerhaft und offen geredet. Die europäischen Theologen kamen zur Einsicht, daß sie nicht alles in eini- gen Metaphern integrieren können. Sie werden sich in Hinkunft mehr bescheiden müssen. Der Dialog zwi- schen den europäischen Theologen und denen der Dritten Welt hat stattgefunden, wenn man auch be- obachten konnte, daß die Theolo-

gen aus den Dritte-Welt-Ländern bisweilen machtvoller aufgetreten sind und versucht haben, den Kon- greß zu beherrschen.

Sie alle haben den Vorsprung, aus ihrer Theologie weitgehend die Konsequenzen gezogen zu haben. So hat Gustavo Guti£rrez seine Teilnahme am Kongreß mit der Begründung abgesagt, in Peru, sei- ner Heimat, Suppenküchen für hungernde Kinder organisieren zu müssen. In seinem Brief an den Kongreß steht auch der Satz: „Auch wir Theologen in der sogenannten Dritten Welt laufen Gefahr, einen substanzlosen und nur in unseren intellektuellen Köpfen lebenden Gott zu verkünden."

Benezet Bujo aus Zaire sprach von einer sozio-ökonomischen Ar- mut, in der Würde und Rechte des Menschen mit Füßen getreten wür- den. Ihm scheint, daß die Theologie die Armut nicht zu eng fassen soll- te. Die Armen, das sind auch An- dersdenkende, die andere Religio- nen praktizieren und die im Namen des christlichen Gottes verteufelt wurden. Was Wunder, daß dieser Gott als Inquisitor aufgefaßt wird.

Natürlich haben auch europäi- sche Theologen Akzente gesetzt, die nicht so leicht zu vergessen sind. Etwa die kulturellen Symptome für das Verschwinden des Menschen, aufgezeigt von Jürgen Moltmann. Viele sind der Ansicht, die Zukunft komme mit der Zeit. Das aber ist ein Irrtum. Gerechtigkeit schafft

Zukunft. Und christliche Hoffnung entsteht aus dem Glauben an Got- tes Verheißung und dem Vertrauen auf seine Treue, nicht aus Zukunfts- kalkulationen oder Extrapolatio- nen der Gegenwart.

Hans Küng sieht eine neue Chan- ce für Gotteserfahrung in der Post- moderne, aber hier ist eine Unter- scheidung der Geister von Nöten. Gott kommt nicht einfach durch die kirchliche Institution, aber auch nicht durch die politische Revolu- tion oder die kosmologisch-psycho- logische Evolution. Gott kommt durch sich selbst, durch seinen Geist. Ohne daß wir als Christen unsere eigene christliche Identität aufgeben, ist von uns eine maxima- le Offenheit für die anderen gefor- dert. Kein Frieden unter den Natio- nen ohne Frieden unter den Reli- gionen. Kein Frieden unter den Reli- gionen ohne eine minimale Ver- ständigung im Verständnis der letz- ten Wirklichkeit Gottes selber. An der Schwelle zum dritten Jahrtau- send stellte zum Abschluß der Münsteraner Theologe Johann Bap- tist Metz die Frage: Wohin ist Gott?

So scharfsichtig die Analyse un- serer Gottesvergessenheit auch war, die Antwort auf diese Frage gab der Franziskaner aus Brasilien, Leo- nardo Boff: „Dieu est dans le cris des pauvres." Gott ist im Schrei der Armen* „Unsere Armen glauben an Gott, sie haben keinen Zweifel. Er ist ihre Hoffnung in ihrem Elend."

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