6838638-1975_30_04.jpg
Digital In Arbeit

„Wohlwollende“ Prüfung

19451960198020002020

Es war einmal ein mächtiger König, der herrschte über Trans-sylvanien und die Walachei. Und es begab sich, daß eines Tages furchtbare Unwetter anhüben und weite Teile der friedlichen Landstriche von einer furchtbaren Sintflut heimgesucht wurden. Da schwang sich der König auf sein fliegendes Roß und drängte mit gewaltigen Zaubersprüchen die Wassermassen zurück. So stellten es jedenfalls die Herolde Seiner Majestät den Untertanen gegenüber dar. Und trotz des gewaltigen Werkes, das er, nach den Worten seiner Sendboten, allein vollbrachte, fand er noch Zeit, an seinem Hofe den Führer eines kleinen, fleißigen Volkes, das jenseits der Karpaten wohnt, zu empfangen. Und König Nicolae — von ihm ist in dieser Geschichte die Rede — und sein Gesprächspartner Bruno erkannten, daß sie in vielen Problemen dieser Welt völlig übereinstimmten.

19451960198020002020

Es war einmal ein mächtiger König, der herrschte über Trans-sylvanien und die Walachei. Und es begab sich, daß eines Tages furchtbare Unwetter anhüben und weite Teile der friedlichen Landstriche von einer furchtbaren Sintflut heimgesucht wurden. Da schwang sich der König auf sein fliegendes Roß und drängte mit gewaltigen Zaubersprüchen die Wassermassen zurück. So stellten es jedenfalls die Herolde Seiner Majestät den Untertanen gegenüber dar. Und trotz des gewaltigen Werkes, das er, nach den Worten seiner Sendboten, allein vollbrachte, fand er noch Zeit, an seinem Hofe den Führer eines kleinen, fleißigen Volkes, das jenseits der Karpaten wohnt, zu empfangen. Und König Nicolae — von ihm ist in dieser Geschichte die Rede — und sein Gesprächspartner Bruno erkannten, daß sie in vielen Problemen dieser Welt völlig übereinstimmten.

Werbung
Werbung
Werbung

Nun, Bundeskanzler Kreisky ist ein Alt-Profi der Ostpolitik und weiß sicherlich selbst ganz genau, wieviel die Unterschriften kommunistischer Machthaber auf diversen Papieren gelten. Papier ist bekanntlich geduldig und die leidvollen Erfahrungen österreichischer Osthändler bestätigen die alte Binsenweisheit, daß zwischen Traum und Realität besonders “im COMECON ein gewaltiger Unterschied besteht.

Diese Überlegung hindert natürlich niemanden, besonders angesichts der drohenden Wirtschaftskrise im Westen, weiterhin mit dem Musterkoffer im Gepäck gen Ostland zu reiten.

Wie realistisch Kreisky — im Gegensatz zu anderen westlichen Politikern — die Chancen auf ihren Eea-litätsgehalt hin einschätzt, bewies seine Pressekonferenz in Bukarest. Zur Frage der Kredite erklärte Kreisky, man müsse zwischen den Krediten der Finanzierungsinstitute — Kontrollbank, rumänische Außenhandelsbank — einerseits, Entwicklungshilfefinanzierung bei Liefet-ung an dritte Märkte anderseits und der Sonderfinanzierung von Investitionsprojekten besonderer Art unterscheiden. Der harte Kern: Im ersten Fall könne die; Kontrollbank Rumänien nicht günstigere Zinsbedintjungen einräumen als anderen kommunistischen Ländern. Im Gespräch — nota bene — ist ein Zwei-Milliarden-Kredit im Rahmen der normalen Außenhandelsfinanzierung. Im zweiten Falle müsse geprüft werden, ob im Rahmen der österreichischen

Entwicklungshilfe nicht besondere Konditionen bei Gemeinschaftsprojekten in Drittländern geboten werden könnten, was letztlich von ihm, dem Bundeskanzler, abhänge. Beim dritten Punkt geht es um Österreichs Interesse an der gemeinsamen Wasserstraße Donau, deren Lauf Rumänien durch den Bau des 50 Kilometer langen Donau-Schwarzmeerkanals um 300 Kilometer abkürzen will. Dazu kommt dann ein neuer Hafen südlich von Konstanza plus Industriezone.

Also dem Trend nach: Vorsicht trotz Unterzeichnung eines neuen Zehn Jahres Vertrages über wirtschaftlich-technische Zusammenarbeit und eines Luftverkehrsabkommens. Damit soll es den Austrian Airlines ermöglicht werden, endlich ihre Flugkarten selbst zu verkaufen und Buchungen in Eigenregie durchzuführen. (Derzeit fliegt man noch mit der rumänischen TAROM im Pool, verfügt aber über mehr als doppelt so viele Passagiere.).

Interessant sind auch die Abkommen, die in Aussicht gestellt wurden, zum Beispiel ein Doppelbesteuerungsabkommen. Hier kann man sich zu Recht fragen: „Cui bono?“ Werden wir schon bald mit rumänischen Gastarbeitern überschwemmt werden oder wird der diktatorisch regierende Ceausescu etwa in Österreich eine Restaurant- oder Ladenkette aufziehen? (Wo die Österreicher zu Dumpingpreisen jene Waren bekommen, von denen ihre Erzeuger, die Rumänen, nur träumen können?) Seltsam mutet auch die Absicht an, das Kernforschungszentrum Seibersdorf solle mit dem rumänischen Komitee für Nuklearenergie kooperieren. Erhofft Rumänien dadurch nukleare Unabhängigkeit von der Sowjetunion oder will man nur ein bißchen an unserem Know-how mitnaschen?

Man sollte nicht vergessen, daß die kommunistischen Länder fast ausnahmslos in ihren Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen davon ausgehen, möglichst viele Vorteile für sich selbst herauszuschlagen und dem Partner nur so viel einzuräumen, wie unbedingt zur Erhaltung des guten Willens nötig ist.

Keine greifbaren Ergebnisse brachte vorerst Kreiskys Vorstoß in den humanitären Fragen, wie Familienzusammenführung, Heiratsgenehmigungen, Ausreisegenehmigungen. Alles werde „Wohlwollend geprüft“, versicherte man dem Bundeskanzler. Wie wohlwollend, wird sich in den nächsten Monaten erweisen, es ist jedoch anzunehmen, daß es sich, wie meist in solchen Angelegenheiten, um reine Lippenbekenntnisse der östlichen Gesprächspartner handelt.

Um seinen vermutlich mit Recht skeptischen österreichischen Gast optimistisch zu stimmen, sagte Ceausescu, die gegenwärtige Überschwemmungskatastrophe werde keine negtiven Auswirkungen auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen haben. Im Gegenteil, zum Jahresende werde Rumänien besser denn je dastehen, vor allem, was die Zahlungsbilanz anbelange.

Immerhin sind eine Million Hektar Ackerland überflutet, 200 Industriebetriebe lahmgelegt und die ohnedies nicht besonders guten Verkehrsverbindungen unterbrochen. Die improvisierte Pressekonferenz im Schwarzmeerkurort Neptun brachte auch einen außenpolitischen Knalleffekt: Rumänien ist interessiert daran, zur nächsten Konferenz der blockfreien Staaten einen Beobachter zu entsenden, erklärte Nicolae Ceausescu. Wenn NATO und Warschauer Pakt aufgelöst sind, will Rumänien diesem Block, der im wesentlichen von Jugoslawien angeführt wird, beitreten. Ohne Zweifel wird sich Ceausescu durch solche Äußerungen den Zorn des Kreml zuziehen, und man kann sich leicht ausrechnen, wann die Toleranzgrenze in Moskau erreicht sein wird. Nämlich spätestens dann, wenn auf dem 25. Parteitag der KPdSU ein relativ milder Leonid Breschnjew durch einige „Falken“ abgelöst werden wird. Auch die Geduld des bulgarischen Nachbarn scheint nach Ansicht von Beobachtern, trotz freundschaftlicher Umarmungen mit Todor Schiw-koff, angesichts der rumänisch-jugoslawischen Annäherung' dem Ende zuzugehen.

Aber das sind für einen souveränen Führer wie Ceausescu natürlich keine Probleme. Er fegt sie vcm Tisch wie die Frage eines westlichen Korrespondenten über die Auswanderung der ungarischen Minderheit nach Ungarn. Die angesehene „Washington Post“ hatte gemeldet, jährlich würden etwa 5000 Rumänen ungarischer Herkunft nach Ungarn emigrieren. Davon, so sagte Ceausescu, habe er noch nie etwas gehört.

Die Frage eines anderen Korrespondenten nach der gegenwärtig in Rumänien laufenden Rehabilitationskampagne für den faschistischen Führer Marschall Ion Anto-nescu wurde als „unerwünscht“ gestrichen. Inzwischen aber hat der Roman „Delirul“ des Dichters Marin Preda, in dem Antonescu als Nationalheld gefeiert wird, weil er Bess-arabien (Südrußland) während des Zweiten Weltkrieges wieder rumani-sierte, seine zweite Auflage erreicht. Mit Billigung Ceausescus, dessen politische Winkelzüge .'ermutlich nicht einmal von ihm selbst verstanden werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung