Zuversicht - © Foto: Archiv FURCHE

Worte der Zuversicht für die Zeichen der Apokalypse

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Die letzte Dekade unseres Jahrtausends steht vor der Tür. Erdbeben, sterbende Wälder und Meere, atonnare Bedrohung - für viele untrügliche Zeichen des bevorstehenden Weltuntergangs.Stehen wir in der Endzeit? Was sagt dazu die neutestamentliche Prophezeiung?

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Die letzte Dekade unseres Jahrtausends steht vor der Tür. Erdbeben, sterbende Wälder und Meere, atonnare Bedrohung - für viele untrügliche Zeichen des bevorstehenden Weltuntergangs.Stehen wir in der Endzeit? Was sagt dazu die neutestamentliche Prophezeiung?

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DIE FURCHE: Das Thema der Endzeit bildet den großen Inhalt der Geheimen Offenbarung des Johannes. Welchen. Stellenwert hat dieses Buch im Gesamt des Neuen Testaments?

Karl Matthäus Woschitz: Der in der Apokalypse des Johannes in Bildern verschlüsselte Ausblick des Glaubens rückt die Hoffnung in die Mitte des christlichen Lebensvollzugs und entfaltet unter dem Symbol des „geschlachteten Lammes“, welches würdig ist, die „Siegel des Buches“ der Geschichte zu lösen, was Geschichte in ih-rehi Wesen letztlich sei und welchen letzten Orientierungspunkt sie habe, nämlich den Namen Jesus Christus.Die These des Buches ist, daß in den Kreislauf des Geschehens bereits das Ziel und Ende aller Dinge eingebrochen ist, sodaß alles Geschehen auf dieses Ziel und Ende hin ausgerichtet ist. Das bedeutet aber auch, daß diese Zukunft Gottes bereits schon jetzt in der Geschichte gelebt und erfahren werden kann. Es ist das die Geschichte derer, die als Zeugen Christi, in Glaube, Liebe, Geduld, im Bekenntnis, in der „Nachfolge des Lammes“ als „die Knechte Gottes“ diese Zukunft vertreten und leben. Das ganze Buch stellt mit unvergleichlicher Dringlichkeit und Anschaulichkeit alles Geschehen in diese End-Perspektive. Es ist übertitelt mit „Offenbarung Jesu Christi“. Damit nennt es seinen entscheidenden Inhalt, die Geschichte als Entscheidungsgeschichte. Es macht den Kirchen Kleinasiens im ausgehenden ersten Jahrhundert Mut, die ideologische und administrative Verewigung der Weltstadt Rom und ihres Kaisers, der sich den Titel „Herr und Gott“ anmaßt, als Nachäffung des göttlichen Heils zu entlarven und anzuprangern.

DIE FURCHE: Wie sind die endzeitlichen Aussagen in der Verkündigung der synoptischen Evangelien zu beurteilen?

Woschitz: Der Sinn der Aussagen liegt darin, daß angesichts des Kommens des „Reiches Gottes“ die Situation der Angesprochenen neu qualifiziert wird. Ihre Zeit wird sowohl als Endzeit wie als end-gültig entscheidende Zeit dringlich gemacht. Das Vorstellungsmaterial, die Bilder, die das zum Ausdruck bringen, sind der sogenannten apokalyptischen Tradition entnommen. Was aber ist ihr unverlierbarer Existenzsinn? Das durch die Naherwartung dringlich gemachte „Jetzt“ (vergleiche Mk 9,1) zeigt, wie Menschen in der Begegnung mit Jesus ins „Eschaton“, ins Letzte, an das Ende der Zeit geraten, die als kurz und befristet erscheint. Diese neue Gegenwart „verinnerlicht“ die dem Menschen „äußere“ Zeit in der Weise, daß sie für ihn bedrängend, nahe, wichtig, verspielbar und verpaßbar wird, oder aber durch „Umkehr“ gewonnen werden kann. Diese Gedanken werden im Neuen Testament mannigfaltig „Der Glaubende macht einen Schritt aus der Todessphäre ins Leben“ verarbeitet und in einzelnen Entwürfen, die von den Standorten und Perspektiven abhängig sind, niedergelegt.

DIE FURCHE: Wie ist der Begriff der Endzeit aus der Sicht des Neuen Testaments zu verstehen?

Woschitz: Der christliche Glaube weiß, daß das in den Schriften des Neuen Testaments bezeugte Handeln Gottes in sich selbst zugleich Verheißung des Bleibenden und Kommenden ist. Die Gewißheit der gegenwärtig erfahrenen Endgültigkeit weitet sich aus zur Hoffnung auf die Uberwindung des Vorläufigen hin zur ausstehenden Vollendung. Er weiß den entscheidenden Zeitpunkt nicht nur vor sich (das vollendende Ende), sondern auch hinter sich, im Handeln Gottes mit den Menschen. Dieses Letzte ist schon im Heute gegenwärtig und bezieht Welt und Mensch auf sein endgültiges Ziel. Der in der Niedrigkeit der leidenden Liebe Gottes unsere Geschichte mit uns Teilende wird ihr noch einmal begegnen, nun in der alles vollendenden und alle Da-seinsnegativa überwindenden Herrlichkeit (Parusie). Er ist ihr Ende und Ziel, dem sie entgegengeht. Die christliche Verkündigung bedient sich hiefür zeitbedingter Vorstellungen und Bilder von Raum und Zeit. Das Gottesreich wird einerseits als Aufhebung von Sünde und Tod gesehen, andererseits als neue Gemeinschaft unter dem Bilde des Mahles. Für Paulus ist die Taufe ein Mitsterben mit Christus und verbürgt die Hoffnung auf das Mitauferstehen mit ihm (Rom 6). Die Kraft der eröffneten Zukunft muß sich im neuen Wandel realisieren. Die christliche Missionsverkündigung bezieht den Tod und die Auferstehung Jesu als Momente des Endgeschehens mit ein und bedenkt sie als ihren tragenden Grund mit. Das Johannesevangelium aber vergegenwärtigt die Endzeit in der Weise, daß Jesus die Auferstehung und das Leben ist (Joh 11,25; 14,6). Der Glaubende macht bereits einen absoluten Schritt aus der Todessphäre in das Leben hinüber und ergreift es im Jetzt (Joh 5.24).

FURCHE: Welche Hoffnung ist der Kirche zugesprochen?

Woschitz: Im großen zwölften Kapitel der Geheimen Offenbarung schaut der Seher die Gestalt der Frau, die symbolische Verkörperung der Kirche, im Bilde der gleichen Wirklichkeit, die sich am Ende der Apokalypse als das „Neue Jerusalem“ erweisen wird. Die Frau wird vom Drachen, dem mythischen Wesenssymbol der Finsternis, des Chaos, des Bösen, bedrängt. Er ist der personifizierte Wille der Zerstörung und der tödlichen Feindschaft gegen die Frau und das messianische Kind. Er will es, sobald es geboren wird, verschlingen, aber seine Machtgebärde der Bedrohung erweist sich als ohnmächtig. Das Kind wird von seinem Maul weg an den Ort Gottes, zum Throne Gottes entrückt. In der Trennung der beiden Schicksale, des Kindes und der Frau, wird diese nicht zusammen mit ihrem Kind gerettet, sondern weiterhin bedrängt. Sie flieht in die Wüste, wo sie 1260 Tage hindurch (es ist das die geheimnisvolle Umschreibung der von Gott begrenzten Zeit ihrer Bedrängnisse) auf wunderbare Weise ernährt wird. Die bedrängte Kirche wird nicht vom Drachen vernichtet werden, sondern von Gott hilfreich bewahrt. Steht die Kirche unter dem unzerstörbaren Schutze Gottes, so müssen die einzelnen äußerster Anfechtung und Bedrängnis gewärtig sein. Der Zorn des Drachen richtet sich -wie der Seher es ausdrückt — gegen „die übrigen ihres Samens“.

FURCHE: Was bedeutet das nun für die Gläubigen?

Woschitz: Die Glaubenden sind aufgerufen, das Zeugnis Jesu Christi, des getreuen Zeugen, vor der Welt aufzurichten. Am Ende eröffnet die Geheime Offenbarung mitten in einer Todeswelt samt ihrer destruktiven Lust am Verfall Zeichen des Lebens und der Hoffnung. Der Herr ihrer Gegenwart ist auch der Herr ihrer Zukunft. Im Horizont der Verheißung heißt es: „Siehe das Zelt Gottes bei den Menschen, und er wird zelten bei ihnen. Sie werden seine Völker sein und er wird bei ihnen ihr Gott sein“ (Offb 22,3). In einem als Schlußliturgie gestalteten Stück klingt das Buch aus: Der Geist und die Braut rufen: „Komm, Herr Jesus“ (22,17a), ein Ruf, mit welchem die Kirche auf den Namen Jesu zurückgreift und ihren Blick nach dem Wohin zu einer Hoffnung entbunden weiß, die aus Schuld und Schicksal löst und sich mitten in der Not der Welt bewährt. Sie weiß sich dem Lamme zugehörig, dessen Herrschaft nicht bestimmt ist von der Liebe zur Macht, sondern von der Macht der Liebe.

Univ.-Prof. Karl Matthäus Woschitz ist Vorstand des Instituts für Biblische Theologie an der Universität Graz und Autor von »Erneuerung aus dem Ewigen“ (Herder, Freiburg 1987), einer Studie über die Kapitel I bis 3 der Offenbarung des Johannes.

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