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Wortwahl „letztlich zweitrangig"?

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Die Erläuterungen zu einem Gesetz zeigen die Motive auf, die zu einem Gesetzentwurf geführt haben, und erklären die einzelnen Bestimmungen. Sie helfen Veränderungen, die in den verschiedenen Phasen der Entstehung vorgenommen werden, deutlicher zu erkennen. Und sie dienen später zur Interpretation.

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Die Erläuterungen zu einem Gesetz zeigen die Motive auf, die zu einem Gesetzentwurf geführt haben, und erklären die einzelnen Bestimmungen. Sie helfen Veränderungen, die in den verschiedenen Phasen der Entstehung vorgenommen werden, deutlicher zu erkennen. Und sie dienen später zur Interpretation.

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Seit einiger Zeit liegt nach Abschluß des Begutachtungsverfahrens das „Fortpflanzungsmedizingesetz - FMedG" im Parlament, früher „Fortpflanzungshilfegesetz (FHG)". Darin sind „Bestimmungen über die Zulässigkeit,die Voraussetzungen, die Durchführung und die Folgen medizinischer Fortpflanzungsverfahren" enthalten.

In den Erläuterungen wird auch versucht, auf einzelne Argumente und Forderungen, die im Begutachtungsverfahren gestellt wurden, einzugehen und Gründe für die Nichtbeachtung anzuführen.

Die Unterschiede im Gesetzestext wurden schon in einem früheren Beitrag (FURCHE 33/1991) von Wolfgang Brandstctter bewertet. In diesem Beitrag soll versucht werden, mit einigen Beispielen auf Unterschiede in den Erläuterungen zu den beiden Gesetzesentwürfen hinzuweisen.

Im allgemeinen Teil sind etwa im Zusammenhang mit den zu beachtenden Grundrechten der menschlichen Würde, des Kindeswohles anstelle der Worte „und der persönlichen Freiheit im Sinne der Freiheit, Nachkommen zu zeugen" die Worte „Recht auf Fortpflanzung" getreten.

Bei den Erläuterungen des Begriffes der „menschlichen Würde" wurde hinzugefügt, daß es „diesen Überlegungen entspricht, der natürlichen Fortpflanzung den unbedingten Vorrang einzuräumen und die modernen Techniken nur in eingeschränktem Ausmaß zuzulassen."

Bei der Darlegung der „Hauptgesichtspunkte des Entwurfes" sind einerseits bei jenen, bei denen keine „medizinisch assistierte Fortpflanzungen" zulässig sein sollen, die gleichgeschlechtlichen Paare hinzugekommen. Im Konnex mit den alleinstehenden Frauen ist folgender Satz weggefallen: „Ungeachtet des Um-standes, daß in Einzelfällen alleinstehende Frauen die Erziehungsaufgaben ihren Kindern gegenüber hervorragend erfüllen, spricht doch fürdiese Einschränkung, daß nach überwiegender gesellschaft I icher Anschauung nach dem gegenwärtigen Stand der Kinderpsychologie und Sozialpsychiatrie die Entwicklung eines Kindes in einer vollständigen Familie mit zwei Bezugspersonen im allgemeinen günstiger ist als das Aufwachsen bei bloß einem Elternteil" (FHG Seite 35, ähnlich Seite 41).

Der „eeszenwärtise Stand": Hat sich zwischen"!990 und 1991 der Stand der angeführten Wissenschaft so verändert, daß man diese Aussagen weggelassen hat?

In einer umfangreichen Ergänzung wird bei der vcrlässungrechtlicljen Frage dargelegt, warum - auch wenn Artikel 8 der Menschrechtskonvention (MRK) „unvollständige" Familie schützt - denoch das Recht auf Fortpflanzung als ein Recht angesehen wird, „das voraussetzungsgemäß immer nur einer Frau und einem Mann gemeinsam zusteht und daher voraussetzungsgemäß nicht zu der in Art. 8 MRK geschützten Privatsphäre eines Menschen allein gehört."

Im FHG wurde bemerkt: „Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung dient wesensmäßig nicht der Vernichtung, sondern der Schaffung menschlichen Lebens; insoweit ist eine Verletzung des Rechtes auf Lehen nach Art. 2 MRK nicht denkbar. Die Methode der ,In vitro-Fertilisa-tion', bei der Eizellen außerhalb des Körpers befruchtet werden, wirft jedoch unter dem Gesichtspunkt des Lebensschutzes Fragen auf: Vor allem das Schicksal der sogenannten .überzähligen' Embryonen, die nicht (mehr) in den Körper einer Frau eingebracht werden, bedarf der grundrechtlichen Klärung", die dann versucht werde.

Im FMedG lautet die vergleichbare Stelle: „Aus dem Recht auf Leben (Art. 2 MRK) ergibt sich nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSIg 7.400/1974), daß nur das geborene Leben geschützt wird. Zu dem Phänomen der überzähligen entwicklungsfähigen Zellen, die im Zusammenhang mit einer In-vi-tro-Fertilisation entstehen können, kann daher aus diesem Grundrecht nichts abgeleitet werden."

Bei den Überlegungen zur Verwendung des Samens eines Dritten ist im FMedG folgende Überlegung nicht mehr enthalten: „Schließlich ist zu berücksichtigen, daß es auch bei der natürlichen Fortpflanzung zu einer .Aufspaltung der Vaterschaft' kommen kann, wenn etwa ein Ehegatte bewußt auf die Bestreitung eines außer der Ehe sezeusiten Kindes verzichtet oder ein Mann bewußt sein Anerkenntnis der Vaterschaft zu einem nicht von ihm abstammenden unehelichen Kindes abgibt. Die .Aufspaltung der Mutterschaft' zwischen einer genetischen und einer austragenden Mutter ist der Natur hingegen unbekannt."

Die Änderung des Titels des Gesetzes wird damit begründet, daß die Betonung der ärztlichen Hilfe zur Erfüllung des Kinderwunsches eine -nicht unproblematische - positive Bewertung der verschiedenen Methoden nahelege. DerneueTitel soll deutlich ausdrücken, daß der Gesetzesent-wurf der zu regelnden Materie neutral gegenübersteht.

Konsequenterweise wird nun auch das Wort „Embryo" nicht mehr verwendet, sondern auch in den Erläuterungen von „entwicklungsfähigen Zellen" gespochen.

In den Erläuterungen zum FMedG wird auch erweiternd begründet, warum von entwicklungsfähigen Zellen und nicht von Embryos geschrieben wird. „Im Begutachtungsverfahren wurde verschiedentlich gefordert, statt des Ausdrucks .entwicklungsfähige Zellen' den Ausdruck .Embryo' zu verwenden. Diesen Vorschlägen kann sich der vorliegende Entwurf nicht anschließen, da sowohl die wissenschaftliche Terminologie als auch der allgemeine Sprachgebrauch-entsprechend den unterschiedlichen weltanschaulichen Ansätzen - hier weder eindeutig noch einheitlich sind. Im übrigen sieht der Entwurf- vor allem in den § 9 und 17 - besondere Vorkehrungen zum Schutz der befruchteten Eizellen vor, sodaß die Frage der Wortwohl letztlich zweitrangig ist."

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