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„Wortwahl macht den Unterschied"

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Während die heimischen Wirtschaftsforscher nur mit einer „flachen Abschwächung" der Konjunktur rechnen, nehmen die OECD-Experten in ihrem jüngsten Österreich-Bericht einen bedeutenden Wachstumsknick an. Und einen Preisauftrieb von 4,3 statt 3,5 Prozent für 1991.

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Während die heimischen Wirtschaftsforscher nur mit einer „flachen Abschwächung" der Konjunktur rechnen, nehmen die OECD-Experten in ihrem jüngsten Österreich-Bericht einen bedeutenden Wachstumsknick an. Und einen Preisauftrieb von 4,3 statt 3,5 Prozent für 1991.

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FURCHE: Wie erklären sich diese unterschiedlichen Bewertungen ?

HELMUT KRAMER: Die Prognose im Länderbericht für 1991 und 1992 ist mit dem Dezember-Outlook der OECD ident, ante Golfkrieg sozusagen. Die OECD hat stärker die ziemlich deutliche Abschwächung der

Konjunktur in den USA und in Kanada ins Blickfeld. Aber das schlägt bei uns deshalb nicht durch, weil unser Haupthandelspartner Deutschland ist - und dort war die Abschwächung mäßig.

FURCHE: Weniger Inlandsnachfrage, gedämpfte Investitionserwär-tungen und eine Inflationsrate von 4,3 Prozent im heurigen Jahr, während Ihr Institut die Preiserwartungen auf 3,7 Prozent zurückgestutzt hat.

KRAMER: In den Zahlen - ausgenommen die Inflation - liegen wir gar nicht so weit auseinander. Die OECD-Prognose für den privaten Konsum

liegt für 1991 preisbereinigt bei drei Prozent, bei uns bei 3,2 Zuwachs. Für 1992 erwartet die OECD 2,6, wir erwarten drei Prozent. Da sind wir eine Spur optimistischer. Aber nicht wegen einer unterschiedlichen Einschätzung der Einkommensentwicklung, sondern wegen der Sparquote: Die OECD nimmt an, daß sie steigt, wir, daß sie konstant bleibt.

Im Investitionsbereich ist die OECD-Prognose - wenn auch nicht signifikant - optimistischer: Wir nehmen für das heurige Jahr 4,7 Prozent Steigerung an, die OECD 5,1.

FURCHE: Wo liegt dann der Unterschied?

KRAMER: Vielleicht ist es die Wortwahl, die den Unterschied ausmacht. Die OECD schreibt alle ihre Länderberichte, auch den über Österreich, unter dem Eindruck, daß sich die Konjunktur rings um den Raum Deutschlands und seiner Nachbarn in der zweiten Hälfte 1990 ziemlich stark abgeschwächt hat. In manchen Fällen kann man von einer echten Rezession sprechen. Und wir sind stark davon beeinflußt, daß Deutschland und seine Nachbarn eine Sonderkonjunktur haben.

FURCHE: Was bedeuten diese Rahmenbedingungen jetzt für die Budgetsanierung ?

KRAMER: Unsere Prognose - und im Prinzip auch jene der OECD - geht von einem Wirtschaftswachstum in der Gegend von drei Prozent für dieses Jahrund 1992 aus. Die mittelfristigen Budgetperspektiven gründen sich ebenso auf eine Wachstumsannahme von drei Prozent. Das paßt, die Rahmenbedingungen sind also nicht schlechter geworden. Probleme würden entstehen, sollten die Erwartungen stark nach unter revidiert werden müssen.

FURCHE: Trotzdem spart die OECD nicht mit Kritik an der Budgetpolitik und an der schleppenden Sanierung des Haushaltes.

KRAMER: Das ist eine Kritik am Bundeshaushalt 1991, an der heurigen „Konsolidierungspause". Es hätte heuer keine Pause geben dürfen. Das ist eine Einschätzung, die ich im Prinzip teile.

Mit dem Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung sprach Hannes Schopf.

Die OECD ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der westlichen Industrieländer mit Sekretariatssitz in Paris.

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