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Digital In Arbeit

Wozu Energiesparen?

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All die energischen Aufrufe, Energie zu sparen, sind die reinste Energieverschwendung. Ich meine damit nicht nur die Hirnenergie - Hirnarbeit ist verhältnismäßig billig, trotz des wirklich spärlichen Angebots, weil die Nachfrage nach ihr wohl noch geringer ist. Es werden jedoch auch andere Energiearten verbraucht, um jene Aufrufe zu verbreiten.

Diese Energie ist vergeudet, weil man Energie eigentlich gar nicht sparen kann; und könnte man es, sollte man es nicht tun. Energie ist nämlich - man kann im Lexikon nachsehen - gespeicherte Arbeit, beziehungsweise Arbeitsfähigkeit. Wenn man die gespeicherte Arbeit nicht antasten will, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird etwas nicht getan - nicht geleistet, nicht produziert, oder man muß neue Arbeit, neue Leistung anwenden, also praktisch eine andere Energiequelle anzäp- fen.

Es ist genauso wie mit dem Geldsparen: Will man etwas haben und dabei sein Sparkonto nicht antasten, muß man entweder auf das Begehrte verzichten, oder es selbst machen, beziehungsweise durch eine Eigenleistung neues Geld dafür verdienen.

Wenn man der oben zitierten physikalischen Definition der Energie folgt, ist Geld auch eine Form von Energie: Auch Geld ist gespeicherte Arbeit - auf den einfachen Nenner gebracht, ist jeder Geldschein eine Quittung für getane Arbeit. Von beiden Arten des Sparens ist Verzicht die einfachere und bequemere, weil er uns keine Arbeit abverlangt.

Er ist aber wenig sinnvoll. Es ist keine Kunst, auf Dinge zu verzichten, die man nicht braucht; auf Dinge, die man braucht, soll man dagegen nur dann verzichten, wenn es nicht anders geht.

Es gibt freilich in unserer Zivilisation unzählige Dinge, die man nicht unbedingt zum Überleben braucht - vom Staubsauger bis zu Bildern von Picasso.

Gesellschaftlich gesehen braucht man sie aber, ja man braucht auch den sogenannten unnötigen Konsum, den Luxus-Konsum, sonst hätten all die, die schon das Allernotwendigste haben, keinen Grund zu arbeiten mehr, also keinen Grund, sich an der allgemeinen Arbeitsteilung zu beteiligen,

Ich habe alle Verzichtprediger im Verdacht, daß sie - bewußt oder unbewußt - den ersten Sparweg, den Verzicht predigen und den anderen - das Ersetzen einer Energieart durch eine andere - praktizieren: Sie ersetzen nämlich die eigene Energie durch die anderer Leute.

Ich könnte mir also die Energie sparen, die ich in diese Überlegungen inve- tiert habe. Die Sparappelle sind aber licht immer klar formuliert. Indem ich lie Gedanken formuliere, liefere ich an- ieren Menschen vorgefertigtes Material zum Weiterdenken und versuche ihnen einen Teil ihrer Denkenergie einzusparen. Dies ist meine Aufgabe in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung.

Meines Erachtens steckt in jeder Leitung eine gleiche Summe Arbeit - eben die Menge, die für diese Leistung notwendig ist - egal, wie sie verteilt wurde. Der Staubsauger oder die Geschirrspülmaschine sparen mir Arbeit im Haushalt - aber nur deshalb, weil ich mir jene Arbeit anderer Menschen zunutze mache, die in die Herstellung der Geräte investiert wurde. Ich bin trotzdem kein Ausbeuter - selbst dann nicht, wenn ich die Geräte von meiner Wirtschafterin bedienen lasse - weil ich es durch meine Arbeit bezahle, die mir in der Arbeitsteilung zugefallen ist. Keine Arbeit wird durch Aufteilung geringer - sie wird jedoch durch rationelle Organisation und fachmännische Ausführung mit weniger Energieverlust verrichtet.

Sollte ich den ganzen Tag nichts zu tun haben, wären alle Haushaltsgeräte bei mir eine Energieverschwendung. Genauso bedeuten all jene Geräte eine Verschwendung, die praktisch keinen Arbeits- oder Zeitaufwand ersparen, wie zum Beispiel elektrische Zahnbürsten.

Mein Sohn, Vertreterder selbst- und technisch bewußten Generation hat mir eine elektrische Maschine zum Brotschneiden aufgezwungen, statt einer handbetriebenen, die freilich schon ziemlich wackelig war. Ich merke keine Zeitersparnis - und das Handkurbeln hat mich auch nie so erschöpft, daß ich arbeitsunfähig geworden wäre. Man könnte ruhig nicht nur den geringen

Stromverbrauch sparen, sondern die ganze Arbeit, die in der Maschine steckt. Man soll bitte auf die primitive menschliche Energie nicht ganz verzichten - der Mensch ist immer noch die verbreitetste, also billigste Energiequelle.

Ich sprach jetzt von lauter Kleinigkeiten. Um die geht es auch in den mei- ten Sparaufrufen. In großen Unternehmen und bei großen Unternehmungen kann man auf jene Energiequellen, die die Natur gespeichert hat - ob öl oder Kohle, Atom oder Sonne - nicht verzichten. Man kann sie nicht effektiv lurch Arbeit von Menschen ersetzen, auch da nicht, wo es genug freie Arbeitskräfte gibt. Jedermann versteht, laß die Geschichte mit dem Raum- chiff, das ins Weltall geschleudert wurde, indem dreihundert Millionen Chinesen einen Gummi spannten, nur ein Witz ist.

Es geht nicht darum, Energie zu sparen, es geht nur darum, sie nicht zu verschwenden und die teuren Energiequellen - zum Beispiel die, die wir mit Abhängigkeit bezahlen - durch andere zu ersetzen. Für diese Aufgaben lohnt es sich, unsere ganze Energie einzusetzen.

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