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Wozu warten auf Regieanweisungen ?

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Angebracht sind weder Schönfärberei noch Miesmacherei. Es gibt neuen Mut und neue Denkansätze. Nun geht es darum, selbständige Verantwortung zu übernehmen.

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Angebracht sind weder Schönfärberei noch Miesmacherei. Es gibt neuen Mut und neue Denkansätze. Nun geht es darum, selbständige Verantwortung zu übernehmen.

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Weder Schönfärberei noch Miesmacherei sind zum ersten Jahrestag von Katholikentag und Papstbesuch angebracht. Die Stimmung, die in diesen Tagen nicht selten die innerkirchliche Szene beherrscht, läßt sich - etwas oberflächlich betrachtet — im Grunde nur mit der vielgelästerten österreichischen Mentalität und Grundhaltung erklären. Wer kann mit Fug und Recht behaupten, daß in Österreichs Kirche seit den festlichen Tagen im vergangenen Herbst kein Aufbruch stattgefunden hat?

Fest steht für mich, daß der Katholikentag '83 für sich selbst ein großartiges Ereignis war. Es hat sich gezeigt, daß Leben, Leben in Fülle, in der Kirche Österreichs vorhanden ist. Und dieses Leben läßt sich nicht auf drei oder vier festliche Tage in einem langen Jahrzehnt beschränken.

Es war ein Fest der Hoffnung! Es waren Tage der Begegnung, die gezeigt haben, daß die Katholiken in diesem Lande noch fähig sind zu Begegnung, Fest und Feier. Ein neues Selbstverständnis der Katholiken wurde deutlich. Und nicht minder wurde bei vielen Christen das mitunter schwindende Selbstbewußtsein gestärkt. Viele neue Kontakte wurden geknüpft, neue Freundschaften geschlossen, die das nicht selten gespannte Verhältnis von Wienern und Nicht-Wienern nicht nur abgebaut, sondern im christlichen Geist und Handeln aufgehoben haben.

Bereits die Zeit der Vorbereitung hat Österreichs Kirche neue Denkansätze vermittelt, die natürlich nicht von heute auf morgen Allgemeingut werden können. Ein neuer Mut hat die Katholiken des Landes erfaßt, der ihnen deutlich vor Augen stellte, zu welch großen Leistungen und Anstrengungen sie fähig sind.

Die Zeit nach dem Katholikentag und Papstbesuch wird in diesen Tagen — nicht nur in den Medien —einer heftigen Kritik unterzogen. Immer wieder wird die Frage gestellt: „Was hat die Katholische Aktion getan? Was wurde in diesem Jahr nach Katholikentag und Papstbesuch versäumt?“. Nicht minder oft höre ich die anklagende Bemerkung: „Die Bischöfe haben sich seit dem vergangenen Herbst in Sachen Katholikentag nicht mehr zu Wort gemeldet.“

In aller Deutlichkeit möchte ich in diesem Zusammenhang feststellen: Wir sollten uns alle davor sehr hüten, durch dirigistische Maßnahmen, durch Verordnungen, die von „oben“ kommen, in den schmerzlichen Prozeß des Werdens und Reifens einzugreifen. Es wäre schlecht, zweifelsohne vorhandene Kreativität durch Verordnungen zu bremsen oder gar abzuwürgen.

Im übrigen bin ich der Meinung, daß wir alle - die Bischöfe, die Priester, die Ordenschristen und die engagierten Laien — den Mut haben müßten, mit der Vorläufigkeit aller menschlichen Initiativen zu rechnen. Wir müssen nämlich die Geduld aufbringen, das Wachsen der Saat abzuwarten.

Vieles geschieht in Stille, in Verborgenheit. Nicht jede Aktion läßt sich — medienwirksam verpackt - verkaufen. So stelle ich immer wieder fest, daß viele Christen in ■unserem Lande die „Perspektiven unserer Hoffnung“, das Grundsatzdokument des Katholikentages und das Resümee der vorausgegangenen Studien- und Arbeitstagungen, nicht nur lesen, sondern daraus auch für sich selbst und ihre Gemeinschaften und Gruppen Konsequenzen, nicht selten tief einschneidende, ableiten.

Vier Aufgabenbereiche haben sich aus diesem Dokument (das Ergebnis langwieriger Gespräche, schmerzlicher Kompromisse und gezielter, abgewogener Formulierungen) herauskristallisiert: Umwelt, Frau, Frieden und Arbeit (oder besser gleich Arbeitslosigkeit, Arbeit und Brot teilen). Gerade in diesen Bereichen von größter gesellschaftspolitischer Relevanz haben sich im letzten Jahr zahlreiche konkrete Aktivitäten ergeben.

Insbesondere möchte ich die nicht wenigen Klärungen auf dem Sektor „Frieden“ erwähnen. Immer mehr Menschen, Glaubende, aber auch nicht mehr oder noch nicht Glaubende, aber jedenfalls verantwortungsbewußte und ringende Menschen haben erkannt, daß es in der Friedensfrage um mehr als um eurostrategische Probleme und Fragestellungen geht. Vor allem die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Zweig von „Justitia et pax“ hat sich als sehr befruchtend erwiesen.

So wird derzeit von Fachleuten ersten Ranges ein „Strebersdorf II“ geplant und vorbereitet. Eine KA-interne Studientagung über politisches Handeln hat neue Akzente gesetzt, die früher oder später Auswirkungen im tagespolitischen Geschehen und Agieren in diesem Lande haben werden. Besonders das Buch „Christlich leben“ hat in diesem Zusammenhang weit über die vielzitierten Kernschichte.n in unseren Gemeinden und Gruppen hinaus Beachtung gefunden.

Abschließend möchte ich ganz deutlich feststellen, daß mich nicht erst in diesen Tagen vor allem folgende Fragestellung stört: „Was tut ihr?“ — „Was machen die Bischöfe?“

Uberfordern wir die Institution nicht! Wozu immer Regieanweisungen des Papstes und der Bischöfe abwarten. Für den Christen liegt in der Erfahrung Katholikentag/Papstbesuch eine ungeheure Ermutigung und zwar konkret darin: Wenn ich heute wirklich ein authentisches Zeugnis vom Evangelium im Leben ablege, kann ich erwarten, daß die Menschen darauf aufmerksam werden, daß es sie interessiert. Der Auftrag des Weltchristen ist es, in freier Verantwortung, mit großer Kreativität, mit viel Phantasie und Wissen sich als Christ in dieser Welt zu artikulieren.

Das heißt zusammenfassend: selbständig Verantwortung übernehmen, auch mit dem Risiko des Irrtums. Die Kirche ist nicht unser Gegenüber, wir sind die Kirche, und nur wer die Kirche liebt und sich selbst bekehrt, wird sie ändern können.

Der Autor ist Präsident der Katholischen Aktion.

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