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Würde wählen
In der Weimarer Republik wurde der deutsche Reichspräsident noch direkt vom Volk gewählt — wie der österreichische Bundespräsident bis heute. Das hat Vor- und Nachteile.
Ein so legitimiertes Staatsoberhaupt kann natürlich mit größerer Autorität auftreten und steht unabhängig über den Parteien. Er kann seine Autorität jedoch auch mißbrauchen — notfalls zum Schaden der Demokratie. Das hat die Art und Weise gezeigt, wie Adolf Hitler mit Hilfe des populären Reichspräsidenten Hindenburg an die Macht gekommen ist.
Wegen dieser schlechten Erfahrung und aus Angst vor Demagogie wird der deutsche Bundespräsident heute nicht mehr vom Volk direkt gewählt, sondern von einer .Bundesversammlung”, in der Bundestag und Länderparlamente in einem festgelegten Zahlenschlüssel vertreten sind. Auch das hat Vor- und Nachteile.
Eine Partei der Koalition, die in der Bundesversammlung die Mehrheit hat, könnte ihrerseits einen Präsidenten wählen, den das Volk nicht mag. Oder es kann ein Präsident — wie im Fall Heinrich Lübke — aus Parteiräson in einer zweiten Amtszeit bestätigt werden, obwohl er bereits altersbedingte Schwächen und Ausfallserscheinungen zeigte. Wie aber das Staatsoberhaupt in seiner noch aus der Monarchie ererbten Würde Gefahr läuft, zur Spottfigur zu werden, droht leicht dem Staat selbst die Lächerlichkeit.
Die Bundesversammlung kann aber auch einen guten Kandidaten wählen, der vom Typ her vielleicht kaum eine Chance hätte, sich in einem Wahlkampf beim Volk durchzusetzen. Die deutschen Parteien müssen nicht nach Persönlichkeiten Ausschau halten, die bereits einen hohen Bekanntheitsgrad aufweisen, jedoch vielleicht den Höhepunkt ihrer Leistungskraft und geistigen Ausstrahlung längst hinter sich haben.
Ein Gustav Heinemann (SPD) oder Carl Carstens (CDU) hätten wohl von ihrer trockenen, nachdenklichen Art her wenige Chancen gehabt, in einem Wahlkampf gegen populäre Parteikämpen die erste Wahlperiode zu erreichen. Beide waren jedoch — später dank ihrer Amtsführung — auch beim Volk hoch angesehen und populär.
Für uns Deutsche ist es deshalb jetzt interessant zu beobachten, wie schwer sich Österreichs Parteien tun, einmal einen neuen Politikertyp, eine frische Persönlichkeit als Kandidaten zu finden. Einen Präsidenten, der nicht nur erfolgreiche Vergangenheit repräsentiert, sondern für neue Themen, für eine neue Weltsicht und für eine hoffentlich erfolgreiche Zukunft geradesteht.
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