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Würdiges „Pompeji vor den Toren Wiens"

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Schon alte Volksweisheit unkt, wofür das einzige Rönierniuseum Österreichs, das Museum Car-nuntinum in Bad Deutsch-Altenburg, ein Beispiel liefert: daß nämlich gut' Ding Weile braucht. Seit Oktober 1987 geschlossen, ab 1988 im Umbau, öffnete das zwischen 1901 und 1904 im Stil einer antiken römischen Landvilla mit Gartenanlage von den Architekten Friedrich Ohmann und August Hirstein erbaute archäologische Museum am 15. Mai 1992 erst wieder seine Pforten.

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Schon alte Volksweisheit unkt, wofür das einzige Rönierniuseum Österreichs, das Museum Car-nuntinum in Bad Deutsch-Altenburg, ein Beispiel liefert: daß nämlich gut' Ding Weile braucht. Seit Oktober 1987 geschlossen, ab 1988 im Umbau, öffnete das zwischen 1901 und 1904 im Stil einer antiken römischen Landvilla mit Gartenanlage von den Architekten Friedrich Ohmann und August Hirstein erbaute archäologische Museum am 15. Mai 1992 erst wieder seine Pforten.

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Die Kosten für die von Hans Puchhammer durchgeführte Sanierung betrugen 32 Millionen Schilling, wofür 22 Millionen auf den Umbau, der Rest auf Restaurierung beziehungsweise Wiederherstellung der pompe-janisch bunten Wände sowie die museologische Einrichtung entfielen.

Initiator des Projektes war Landesarchäologe Werner Jobst. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, auf einer Fläche von zehn Quadratkilometern der antiken Militär- und Handelsmetropole Carnuntum - Grenzfestung und Umschlagplatz von Ideen und Waren zwischen barbarischem Norden und kultiviertem Süden - im Rahmen eines archäologischen Parks ein dem Etikett „Pompeji vor den Toren Wiens" würdiges Aussehen zu geben. Als Geldgeber konnte er das Land Niederösterreich, private Sponsoren und die Marktgemeinden Deutsch-Altenburg (zuständig für das Legions- und Reiterlager sowie die Lagerstadt) und Petronell (zuständig für die Zivilstadt) gewinnen. Der Bund traf zumindest bislang keine Anstalten, das nach dem Vorbild von Xanten geplante Freilichtmuseum mitzufinanzieren.

Was seit der Gründung des Vereins Carnuntum im Jahr 1884 und den zunächst ausschließlich von diesem geförderten wissenschaftlichen Untersuchungen des Ruinenfeldes Raubgräbern entgangen und von Archäologen an Architekturteilen, Mosaiken, Statuen und Kleinfunden geborgen werden konnte, ist relativ wenig. Trotzdem ist es zu viel, um im Museum Carnuntinum ausgestellt zu werden. In dem selbst zum Denkmal gewordenen und nach denkmalpflegeri-schen Gesichtspunkten restaurierten Gebäude unternahm Werner Jobst deshalb den Versuch, anhand von 3.300 Exponaten - das sind fünf Prozent der Sammlung - Historie darzustellen. Vorgeführt wird die Bedeutung Roms bei der Entstehung und Entwicklung europäischer Kultur in der Zeit zwischen Christi Geburt und dem Ende der römischen Herrschaft im 5. Jahrhundert. Den Ausgangspunkt bilden orientalische Religionen und Kulte, die im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus via Rom und Oberitalien durch das Heer nach Mittel- und Nordeuropa gelangt sind und der römischen Staatsreligion viel von ihrer Attraktivität genommen haben.

Im Erdgeschoß dominiert das große Kultbild des persischen Lichtgottes Mithras aus dem III. Mithräum, das 1894 in Petronell ausgegraben worden ist. In der Aula stehen weitere Fragmente, Skulpturen und Altäre des unter Kaiser Nero (54 bis 68 nach Christus) staatlich anerkannten Mi-thraskultes sowie der ägyptischen Götterwelt und des auf ein besseres Jenseits ausgerichteten Kultes des Jupiter Dolichenus aus dem syrischen Ort Doliche. Daß ihm in Carnuntum Tür und Tor offenstanden, darf nicht wundern. Schießlich stammte Septi-mius Severus, der anno 193 nach Christus von der in Carnuntum stationierten 14. Legion vom Oberbefehlshaber zum römischen Kaiser katapultiert wurde, aus Syrien.

Im Stiegenaufgang hat die Grabstele eines Centurio (Hauptmann) und die Statuengruppe der Minerva (neben Jupiter und Juno die höchste Gottheit der national-römischen Religion) Platz erhalten. In der Galerie des Obergeschosses sollen Münzen und Porträtbüsten mit der Physiognomie, Haartracht, Mimik und dem Habitus der Kaiser vertraut machen.

Ein Carnuntum-Modell im Maßstab 1:600 will einen Überblick über den derzeitigen Forschungsstand geben. Ablesbar für den Besucher ist die dominierende Stellung des Standlagers als eigentliche Keimzelle der Stadt. Erkennbar wird darüber hinaus, wie mangelhaft nach wie vor das Wissen über die Lager- und Zivilstadt ist. Denn von der Lagerstadt konnte Manfred Kandier bei den primär von der Akademie der Wissenschaften finanzierten Grabungen auf den Mühläckern lediglich den Tempelbezirk untersuchen, während von der Zivilstadt kaum mehr als die sogenannte Palastruine (sprich Therme), das Amphitheater II und das Heidentor archäologisch erfaßt sind.

Den römischen Kaisern und ihrem Heer gehört die Ausstellungsfläche im Nordflügel, dem zivilen Leben der Südflügel des Obergeschosses.

Hervorgehoben seien die Gesichtsmaske eines Kavalierparadehelms aus Eisen und das Hinterhauptteil eines Paradehelms, das Herma Stiglitz vom Österreichischen Archäologischen Institut im Reiterlager von Carnuntum gefunden hat.

Philosoph und Kaiser

Religionsgeschichtlich hochinteressant sind die Köpfe des Jupiter Opti-mus Maximus K(arnuntinus) vom Tempelbezirk auf dem Pfaffenberg (freigelegt von Werner Jobst) und einer orientalischen Göttin, die im Westen als Venus Victrix oder Caelestis verehrt worden ist. Sie gilt als Kultgenossin des Jupiter Heliopolis, des allumfassenden Himmelsgottes Syriens, verwandt mit Jupiter Dolichenus.

Noch nicht wieder aufgestellt sind die Steindenkmäler in den Loggiabögen und im Garten, da ihre Restaurierungen erst in ein bis zwei Jahren abgeschlossen sein werden. Eine Ausnahme bildet ein in einer Nische stehender Altar aus Sandstein. Er kam 1960 in der Palastruine zutage und ist dem „Philosophen auf dem Kaiserthron", Marcus Aurelius, gewidmet.

Hat doch Marc Aurel von Carnuntum aus die militärischen Operationen gegen die vordringenden Markomannen und Quaden geleitet und ist 180 nach Christus in der Nähe von Vindobona gestorben. Die sehr wirkungsvoll von Spiegeln reflektierten Schmalseiten des Steins besitzen Reliefs: Links die Siegesgöttin Victoria, rechts Kriegsgott Mars.

Das archäologische Museum Carnuntinum, in dessen reizvollem Ambiente auch Konzerte, Lesungen und Vorträge stattfinden sollen, ist außer an Montagen ganzjährig geöffnet.

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