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Würgegriff gelockert

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Para sair do sufoco“, was muß man tun, „um aus dem Würgegriff zu kommen“, benennt das brasilianische Magazin „Istoe“ die gespannte Lage im Lande mit dem größten Schuldenberg Lateinamerikas. Und präsentiert zwischen gut gestylten Werbeseiten für die aufregende brasilianische Mode das Sparprogramm des neuen Finanzministers.

Natürlich bittet Luiz Carlos Bresser Pereira seine Landsleute neuerlich zur Kasse: Die revidierte Indexregelung brachte in den letzten Monaten einen Kaufkraftverlust der Löhne um 25 Prozent, die Kaufkraft der (elenden) Mindestlöhne war seit ihrer Einführung in den vierziger Jahren nicht mehr so gering. Das Resultat sollte die Gläubigerländer beruhigen; die Lieferantenkredite werden mit peinlicher Pünktlichkeit bezahlt, ebenso die Dividenden; Kapitaltransfers ins Ausland laufen, der Export wird gefördert, damit Devisen ins Land kommen.

Diese Gesten, so der neue „Schuldenmanager“ des Finanzministers Pereira, Fenao Bracher, zeigen dem Ausland, daß Brasilien durchaus seinen Verpflichtungen nachkommen wird, daß das seit mehreren Monaten bestehende Zinsenmoratorium lediglich eine Frage der Notlage, nicht aber der Aggression gegenüber den Gläubigern sei.

Brasilien würde sofort die Zahhingen wieder aufnehmen, sobald annehmbare Konditionen vereinbart sein würden. Verhandeln will Brasilien jedoch nicht mit dem Internationalen Währungsfonds, sondern mit den Gläubigerländern direkt. Die Mindestforderung ist die Streichung der Risikozulagen auf Zinsen, die hochverschuldete Länder bezahlen müssen (andere aber nicht!).

Eine erste Verhandlungsrunde in Washington D. C. hat noch keine Resultate gezeigt, zu verärgert ist man über das brasilianische Moratorium. Aber immerhin wird verhandelt, und das Land beginnt sich nach Monaten der Mißgriffe in der Schuldendebatte und in der internen Sanierungspolitik wieder der wichtigen verfassungsrechtlichen Debatte zuzuwenden.

Präsident Jose Sarney ist und bleibt ja ein Stellvertreter. Der schillernde Lokalpolitiker, der zwei Jahrzehnte mit den Militärtechnokraten kollaboriert hatte, war nur aus taktischen Gründen für die Vizepräsidentschaft aufgestellt worden. Doch dann beerbte er am 21. April 1985 Tan-credo Neves, der für das höchste Amt des Landes vorgesehen war und am Vorabend der Machtübergabe seitens der Militärs am 15. März 1985 lebensgefährlich erkrankte und wenige Wochen später starb.

Das Neves-Sarney-Team war bekanntlich nicht direkt gewählt, sondern entsprach der Entscheidung eines Wahlmännerkollegiums, das für die Ubergangsphase von der Militär- zur Zivilregierung verantwortlich zeichnete. So fehlt denn Präsident Sarney als Ersatzmann immer noch die eigentliche Legitimität. Es gelang ihm, diesen Umstand mit den populären Maßnahmen der ersten Phase des „Plan Cruzado“ geschickt zu überdecken. Dank des Preisstopps und der Kauf krafterhöhung errang der Stellvertreter-Präsident im November 1986 bei den Kongreß- und Lokalwahlen zusammen mit der Regierungspartei einen überwältigenden Erfolg.

Damals zweifelte niemand daran, daß Sarney statt der ursprünglich vorgesehenen vier insgesamt sechs Jahre regieren dürfe. Aber dann kamen die Monate der groben Fehler in der Sanie-rungs- und Schuldenpolitik (die der neue Finanzminister jetzt ausbügeln muß), und die Popularität Jose Sarneys zerbröckelte fast über Nacht.

Wie lange, ist jetzt die Frage, darf er regieren?

Der 1986 gewählte Kongreß, der seit Februar auch als verfassungsgebende Versammlung tagt, schreibt an einer neuen Verfassung, die bis Weihnachten fertig sein soll 14.000 Anträge wurden in den Kommissionen und Unterkommissionen bis jetzt behandelt. Natürlich ist die Amtszeit des Präsidenten ein Kernpunkt des Textes. Und sechs Jahre Amtszeit für Sarney scheinen derzeit ausgeschlossen.

Der Präsident selber möchte fünf Jahre machen, was 1990 bedeutet und von Sarney in einer Kundmachung bekanntgegeben worden ist, die seinen Vorschlag beinhaltet, die Präsidentschaftswahlen im November 1988 zu halten und das Amt 1990 zu übergeben. Das aber erbitteit die Verfassungsgeber, weil es ihr Recht ist, die Amtsdauer des Präsidenten zu bestimmen.

Der greise Chef der Regierungspartei, Ulysses Guimaraes, der auch Vorsitzender der Verfassungsversammlung ist, möchte mit dem inzwischen verschlissenen Staatschef möglichst wenig zu tun haben und will ihn auf vier Jahre Amtszeit einschränken, was Neuwahlen, aber auch Amtsübergabe schon 1988 bedeuten würde.

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