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Wunder aus Stein

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Eines der wertvollsten Kunst -denkmäler der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien soll nun tatsächlich seinerBedeutung entsprechend aufgestellt und dem Publikum zugänglich gemacht werden. Wissenschaftsminister Erhard Busek, wegen seines reduzierten Messepalast-Konzeptes sowohl als Realist gepriesen als auch als „Bäcker kleiner Brötchen“ kritisiert, versprach, das Heroon von Gölbasi - des antiken Trysa - in das Wettbewerbsverfahren einzubeziehen. Als Standort kommt über Vorschlag von Wolf-

gang Oberleitner, dem Leiter der Antikensammlung, einer der Höfe des Messepalastes in Frage. Sollte sich dieser Plan nicht realisieren lassen, könnte man das Monument auch unterirdisch aufbauen: unter dem Maria Theresien-Platz oder zwischen Babenberger Straße und Kunsthistorischem Museum.

Nach Oberleitner wäre die Variante Fürstenhof oder Staatsratshof im Messepalast vorzuziehen. Dort käme nämlich das einst auf einem Bergkamm in 8 66 Meter Höhe unweit der Küste errichtete Grabmal eines lykischen Fürsten aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. mit seinem mit rund 600 Figuren geschmückten Fries am besten zur Geltung. Rundum voi Glas geschützt, erhielte das größte und an Vielfalt reichste Denkmal der Ly-Mer natürliches Oberlicht. Man könnte es deshalb sogar ähnlich begrünen wie in seiner wildzerklüfteten Heimat in Kleinasien, während es seit mehr als hundert Jahren, in einzelne Teile zerschnitten, im ehemaligen Requisitenraum für Feuerlöscher des Museums dahin-dämmert

Als der Entdecker des Heroons, der Posener Gymnasiallehrer Julius Schönborn, 1841 vor dem von einer Mauer umgebenen Grabbezirk stand, notierte er schwärmerisch in sein Tagebuch: „Ich gestehe, daß ich mich nicht sattsehen kann. “Er war so fasziniert von der Schönheit und Thematik des insgesamt 211 Meter langen Frieses, das in zwei Reihen die Innenwand der Mauer, außen auch die Eingangsseite umzog, daß er „das Notwendigste“ für die königlichen Museen in Berlin erwerben wollte.

Da ihm die wissenschaftliche Aufnahme der drei Meter hohen und 26 mal 22 Meter messenden Umfriedung mißlang, verlor er jegliches Interesse an dem Projekt.

Vierzig Jahre später kaufte Otto Benndorf, der Ordinarius für klassische Archäologie an der Wiener Universität, im Namen österreichischer Mäzene die von griechischen Künstlern geschaffenen Reliefs und das an der Außenseite von vier geflügelten Stieren bewachte Eingangstor sowie einen dicht vor dem Grabbezirk stehenden Sarkophag aus gleicher Entstehungszeit wegen seines ausgezeichneten Erhaltungszustandes der Hohen Pforte ab. Die abgelösten Bildstreifen ließ er für den Transport zerlegen. Schließlich zogen im Sommer 1882 die aus dem Zusammenhang gerissenen, in Stein gehauenen Gestalten eines Odys-seus, Perseus und Theseus ebenso auf einer eigens erbauten Straße -auf einem Eichenschlitten - vom Berg hinunter ans Meer wie jene des inmitten des Heiligen Bezirkes bestatteten und kultisch verehrten Grabherrn. „Wegen dernachgerade gefährlichen Glut am Tag“ verlud man die kostbare Fracht erst nach Sonnenuntergang; eines Nachts brach der Schlitten, der tonnenschwere Türsturz fiel zu Boden, kollerte den Hang hinunter und zerbrach.

Der profunde Griechen 1 an d-Ken-ner Alexander Freiherr von Warsberg, Vertrauter der philhellenischen Kaiserin Elisabeth und Teilnehmer an Benndorfs Lykien-Ex-pedition, bedauerte nachdrücklich, daß man „die wunderbare Harmonie der Natur und Kunst frevelhaft zertriimmert“ habe, zumal er „nie zuvor ein Gebäude so mitten im Einverständnis mit der Natur aufgestellt gesehen“ hatte wie das Grabmal dieses uns namentlich nicht bekannten Fürsten.

Nachdem die Friesblöcke im Oktober 1882 in Wien eingelangt waren, versuchten die Beamten des k.k. Münz- und Antikenkabinetts einen würdigen Aufstellungsort für das aus der Südwest-Türkei, wo die indogermanischen Lykier seit dem zweiten Jahrtausend v. Chr. gesiedelt hatten, verfrachtete Monument zu finden. Das im Rohbau bereits fertige Kunsthistorische Museum bot für einen Neuzugang dieser Größenordnung keinen Platz. Der Architekt George Niemann legte Pläne für ein „Museum lykischer Altertümer“ vor. Das Oberstkämmereramt lehnte einen Neubau kategorisch ab.

Nun stehen die.aus dem originalen Gefüge gerissenen, optisch als Gesamtkunstwerk nicht zu fassenden, der Öffentlichkeit nur zu besonderen Anlässen zugänglichen Reliefs in einem über den zweiten Hof erreichbaren Hintertrakt des Museums an der Ringstraße. Das von einem Eisenrahmen zusammengehaltene zerbrochene und neuerdings durch Umweltverschmutzungen zusätzlich gefährdete Tor sowie der fünf Meter hohe Steinsarkophag wurden im zweiten Hof des Museums aufgestellt

Generationen von Direktoren der Antikensammlung bemühten sich um einen genügend großen, mindestens 40 Meter breiten Ausstellungsort, wie er für eine originalgetreue Rekonstruktion des einzigartigen antiken Grabmals erforderlich ist.

Alle amtlicherseits angebotenen Plätze erwiesen sich bislang als zu klein. Die Höfe imMessepalast würden passen. Die Kosten für eine Wiederaufstellung des mit unendlich viel Mühe, Geld und Begeisterung gehobenen Schatzes aus ferner Zeit werden für alle drei Varianten etwa gleich hoch beziffert.

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