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Wunderdroge Aspirin hilft auch bei Infarkt

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In der Hausapotheke, auf dem Nachttisch, ja selbst in der Handtasche griffbereit findet man die Wunderdroge Acetylsalicylsäure (ASS), in Tablettenform als Aspirin bekannt. Es ist das älteste und noch heute eines der gebräuchlichsten Heilmittel der Welt.

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In der Hausapotheke, auf dem Nachttisch, ja selbst in der Handtasche griffbereit findet man die Wunderdroge Acetylsalicylsäure (ASS), in Tablettenform als Aspirin bekannt. Es ist das älteste und noch heute eines der gebräuchlichsten Heilmittel der Welt.

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Man schätzt, daß jährlich etwa 40.000Tonnen dieses Wirkstoffes hergestellt werden, der auch in der Weidenrinde enthalten ist. Schon Hippo-krates hat diese Droge gegen Schmerzen und Fieber eingesetzt und sie in sein „Corpus Hippocratium" aufgenommen. Im 19. Jahrhundert wurde sie nach dem lateinischen Namen Salix für Weidengewächse „Salicin" benannt. In jüngster Zeit sind nun zu den klassischen Anwendungsgebieten gegen Schmerz, Fieber und rheumatische Beschwerden völlig neue Eigenschaften und Wirkungsmechanismen erforscht worden.

Im Rahmen eines Symposiums haben kürzlich namhafte Internisten und Neurologen Behandlungsmöglichkeiten mit ASS bei Thrombosen, Herzinfarkt und Schlaganfall aufgezeigt/Da diese Zivilisationskrankheiten zunehmen, ist Prophylaxe und Therapie besonders wichtig. Vor allem bei der Dosierung hat sich Grundlegendes geändert. „Schon geringe Mengen von ASS sind hoch wirksam und Nebenwirkungen lassen sich daher weitgehend ausschalten", beurteilt die neuen Erfahrungen Helmut Sinzinger (Klinik für Nuklearmedizin der Universität Wien). Bei den bisherigen Dosen von ein bis zwei Gramm traten häufig Blutungen, vor allem im Magen auf. Das läßt sich durch den Wirkungsmechanismus der ASS erklären. Es wird nämlich verhindert, daß sich Blutblätt-chen oder Thrombozyten, die kleinsten Partikel im Blut, zusammenballen, verkleben, den Blutkreislauf verlangsamen und schließlich zu Blutgerinnseln fuhren.

Es geht den Ärzten nun dämm, je nach Krankheitsfall die richtige Dosis zu finden. Sie liegt derzeit zwischen 60 und 200 Milligramm, also einem Bruchteil der bisherigen Mengen, und die Tendenz ist weiter fallend. Der' 62 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete, englische Pharmakologe John R. Vane meint sogar, just lick it once a day", einmal am Tag daran lecken genügt! Jedenfalls zeigen Studien, etwa von Jörg Slany (Rudolfstiftung Wien), daß bei einer Behandlung mit niedrigen Dosen von ASS die Herzinfarkte bei Patienten mit Angina pectoris signifikant, bis zu 37 Prozent, zurückgehen und die Zahl der tödlichen Herzinfarkte bis um die Hälfte gesenkt werden kann. Auch bei der Prophylaxe und Therapie von Schlaganfällen werden, so belegt Lüder Deecke (Universitätsklinik für Neurologie Wien) mit kleinen Dosen bessere Erfolge erzielt als mit größeren Einheiten. Cerebrale Infarkte treten dann weit seltener auf.

Ein wesentlicher Vorteil der Behandlung mit ASS besteht vor allem darin, daß schon bei geringer Menge die Substanz zu den stärksten Hemmern von Blutgerinnseln zählt, aber dadurch die Blutplättchen ihre Fähigkeit, Blut zu stillen, nicht verlieren. Dadurch kann das Indikationsfeld des Medikaments bedeutend erweitert werden: überall, wo Gefäßverstopfungen auftreten können, vor und nach chirurgischen Eingriffen, bei langer Bettlägrigkeit, bei thrombosegefährdeten Patienten und für die Prophylaxe und Therapie von Herz- und Hirninfarkten. Wenn die Substanz rechtzeitig, langfristig und gleichmäßig eingenommen wird, kann sowohl die Sterblichkeit als auch das Risiko eines Rückfalles deutlich verringert werden.

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