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Wunsche an den Anleihenmarkt: Mehr als 30 Millionen Schilling

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Eine Analyse der Entwicklung des österreichischen Kapitalmarktes im abgelaufenen Jahr findet sich wieder im jährlichen Jahrbuch der Girozentrale „Die Börse 1977“. Wie schon in den vergangenen Jahren zeigte sich beim Investmentmarkt kaum eine Veränderung im Fondsvermögen der österreichischen Investmentfonds, das derzeit rund 3,4 Milliarden Schulung beträgt. Den Löwenanteil verwaltet mit 2,4 Milüarden SchiUing nach wie vor die Sparinvest Kapitalanlage-geseUschaft, die auch mit dem „Com-birent“ den größten und wohl bekanntesten österreichischen Fonds verwaltet.

Auf dem Aktienmarkt zeigt sich deutlich die weiterhin sinkende Attraktivität der Aktie: Einerseits haben externe Einflüsse (Konjunkturverfla-chung, pessimistische Wirtschaftserwartungen) die Anleger verunsichert, anderseits blieb auch die verschlechterte Ertragslage der börsennotierten Unternehmungen und die durch das zweite Abgabenänderungsgesetz zu erwartenden Belastungen nicht ohne Wirkung auf den Investor. Diese Situation läßt in Fachkreisen auch kaum Optimismus für 1978 zu.

Lebhaft war jedoch die Entwicklung auf dem Anlagemarkt, obwohl das Bruttoemissionsvolumen am Anleihemarkt gegenüber 1976 leicht zurückging (36,5 gegenüber 38,9 Milliarden SchiUing), darüber hinaus war auch - infolge der starken Tilgungen -die Nettobeanspruchung wesentüch geringer als im Vorjahr (25,6 gegenüber 29,3 Milüarden). Der Grund für diese Entwicklung im abgelaufenen Jahr üegt in der geänderten wirtschaftlichen Lage, da die defizitäre österreichische Leistungsbilanz die Liquiditätslage und den Apparat der Geldversorgung vor eine völlig neue Situation steüte. Die von der Notenbank verfolgte Politik des knappen Geldes bewirkte, daß die Geldmarktzinssätze in der zweiten Jahreshälfte sogar über das Kapitalmarktzinsniveau kletterten; kein Wunder also, daß die Emissionslust nachlassen mußte.

Obwohl sich die Beanspruchung des Kapitalmarktes durch die öffenüiche Hand (Bund, Länder und Städte, öffentlich-rechtliche Fonds und Son-dergeseUschaften des Bundes) 1977 leicht verringerte, emittierte die öf-fentüche Hand mit 68 Prozent des Anleiheemissionsvolumens nach wie vor den Löwenanteü. Die zweitgrößte Emittentengruppe sind mit 22 Prozent die Kreditunternehmungen, die diese Emission zur Refinanzierung ihrer langfristigen Engagements benötigen. Infolge der bereits geschilderten Zinsproblematik als Folge der starken Liquiditätsknappheit wurde auch die Absatzsituation schwieriger, da die in-stitutioneüen Anleger Zurückhaltung zeigten. Erfreulich ist festzustellen, daß sich jedoch die steuerbegünstigten Zeichnungen Privater - trotz Reduktion der staatlichen Prämie - positiv entwickelt haben; sie stiegen um sechs Prozent auf 5,7 Milliarden.

Interessant und aussagekräftig ist auch der Gesamtumlauf an festver-zinsüchen Wertpapieren, der gegenüber 1976 um rund 30 Prozent auf fast 220 Milüarden Schilling stieg. Diese Entwicklungen, die das Jahr 1977 geprägt haben, werden selbstverständ-üch auch Grundlage für das Marktgeschehen in diesem Jahr sein.

Ausgehend von der Wirtschaftsprognose des österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung kann auch eine Prognose für die Kapitalnachfrage und -angebotssituation im kommenden Jahr gemacht werden, wobei auf der Nachfrageseite einer schwächeren Inanspruchnahme des Kredit- und Kapitalmarktes seitens der Wirtschaft wie auch des Bundes (verringerter präüminierter Budgetabgang 1978) ein erhöhtes Finanzierungsbedürfnis der Gebietskörperschaften, Städten und Gemeinden gegenüber stehen wird.

Die Kapitalangebotssituation ist besonders schwierig zu beurteilen. Nachdem die Sparquote 1977 gesunken ist, erwartet man für 1978 wieder einen Anstieg, was auch die Annahme des Zuwachses des privaten Konsums von real nur einem Prozent unterstützt. Andererseits ist jedoch die deutliche Verlangsamung des Realeinkommensanstiegs zu berücksichtigen, dem zufolge gewisse Rückgriffe auf Ersparnisse nicht auszuschüeßen sind.

Insgesamt ist dennoch zu erwarten, daß sich die Geldkapitalbildung bei den Kreditinstituten im Vergleich zu 1977 verbessern wird. Ob damit gleichzeitig eine Entspannung der Liquiditätssituation verbunden ist, wird aüerdings von der Entwicklung der Leistungsbilanz und den damit in Zusammenhang stehenden Uquiditätspo-litischen Maßnahmen der Notenbank abhängen.

Es ist also zu hoffen, daß angesichts der konjunktureüen Lage - bei ohnehin bestehenden Kreditrestriktionen, die ja per Jahresbeginn verschärft wurden - eine weitere Geldverknappung verhindert wird und damit wieder eine Normalisierung im Zinsge-füge eintritt. Das heißt, daß die Geldmarktzinssätze wieder einigen Abstand von den Kapitalmarktzinssätzen gewinnen soüen. Nur unter diesem Aspekt werden die anstehenden Finanzierungserfordernisse am Kapitalmarkt bei einem stabilen Zinsniveau befriedigt werden können.

Wie aus den bereits voriiegenden Anmeldungen hervorgeht, werden die Emissionswünsche in diesem Jahr erneut die 30-Müliarden-Schilling-Grenze übersteigen, wobei jedoch grundsätzüch offen ist, wie weit die Oesterreichische Nationalbank bereit sein wird, zur Schonung der defizitären Leistungsbilanz Geldaufnahmen im Ausland zu bewilligen beziehungsweise derartige Kapitalimportwünsche auf den inländischen Kapitalmarkt abzudrängen.

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